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Sexuelle Gewalt in IndienVergewaltigungen ohne Ende

Erneut werden mehrere Fälle von sexueller Gewalt gegen Kinder in Indien bekannt. Doch Öffentlichkeit hilft den Opfern in der Regel nicht.

Teilnehmer der Kampagne zum Stopp der Gewalt gegen Frauen in Delhi. Bild: reuters

DELHI taz | Es wird nicht besser. Seit die brutale Vergewaltigung einer Medizinstudenten in Delhi im vergangenen Dezember Indien und die Welt schockierte, erfährt die indische Öffentlichkeit täglich von weiteren Vergewaltigungsfällen, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Die letzten drei Tage lieferten wieder drei neue Horrorgeschichten.

Am Freitag wurde der Fall eines sechsjährigen Mädchens aus Delhis Vorort Gurgaon bekannt, das entführt, mehrfach vergewaltigt und dann halb verblutet auf die Straße geworfen worden war. Es schwebt in Lebensgefahr, von dem Täter fehlt jede Spur.

Am Samstag berichtete die größte englischsprachige Zeitung der Welt, Times of India, detailliert von einem erst zweijährigen Mädchen in Delhi, das vergewaltigt, und einem dreijährigen Jungen, ebenfalls in der Hauptstadt, der zum Analverkehr gezwungen wurde. Am Sonntag ging es dann um eine Dreizehnjährige im Bundesstaat Tamil Nadu, die von ihrem Onkel und dessen Freunden zehn Monate lang festgehalten und systematisch vergewaltigt worden war.

Selten gibt es einen Fall ohne Klage über Polizisten oder Behörden, die das Verbrechen in der Regel vertuschen und als Familienangelegenheit betrachten wollen. Ein Polizist wurde vom Dienst suspendiert, nachdem er die Familie des zweijährigen vergewaltigten Mädchens aus der Polizeistation gejagt hatte.

Prozesse unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Dabei erfährt die Öffentlichkeit jetzt zwar mehr über einzelne Fälle, doch wird dadurch den Opfern in der Regel nicht geholfen. Stets scheuen sich deren Familien vor der Berichterstattung, da sie glauben, ihr Familienname werde dadurch geschändet.

Für die Medien macht das die Sache nicht einfacher. Sie dürfen im Zusammenhang mit Sexualverbrechen keine Namen nennen. Eben weil das den Opfern größeren Schaden zufügen könnte. Auch die Justiz folgt diesem Prinzip: Vergewaltigungsprozesse, wie auch im Fall der Delhier Medizinstudentin, finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Bleibt für die Medien nur das Drama der Straftat. Dabei zeigt sich, dass nur wenige das Thema in den Zusammenhang der allgemeinen Gewalt gegen Frauen in Indien stellen wollen. Man weiß von jährlich über 100.000 sogenannten Brautverbrennungen in Indien – Frauen, die von der Familie ihres Ehemannes getötet werden, weil sie nicht genug Mitgift einbringen.

Ebenso bekannt ist die weitverbreitete Praxis der geschlechtsspezifischen Abtreibung: Mindestens 10 Millionen Mädchen wurden in Indien in den letzten 20 Jahren nicht geboren, weil ihre Familien lieber einen Jungen wollten. Doch gerade die aufgeklärte indische Öffentlichkeit will sich nicht als frauenfeindliche Gesellschaft verstehen. Also bleibt es bei den Horrorgeschichten.

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10 Kommentare

 / 
  • MN
    Mein Name

    Diese Misshandlungen egal an wem und warum getan, als religiös Motiviert zu bezeichnen ist ja wohl der größte Schwachsinn. Es ist egal warum ein Kind oder eine Frau misshandelt wird. Es wird misshandelt. Diese Menschen in Indien sind zum größten Teil völlig ungebildet und werden von den Herrschenden, quasi als deren Karma, in Armut und Not gehalten. Warum kritisiert unsere Regierung diesn Umstand nicht? Weil sie auch damit noch Geld verdient?

  • F
    Frau

    Ich verstehe nicht ganz den Gedankengang, wie denn eine Berichterstattung inkl. Namen der betroffenen Familien und öffentliche Prozesse helfen sollen? Da es der Kultur in Indien entspricht, dass die Familie nicht entehrt werden darf (jedenfalls steht das im Artikel), dann wäre den Familien vielleicht die Gefahr zu groß, alles anzuzeigen und Prozesse zu erwirken.

     

    Wie überall sonst auch kann man Vergewaltigungen nur zu einem widerlichen Akt der Geschichte machen, wenn man sich mit dem Thema Sexismus auseinandersetzt. Und das können und sollten die Medien auch mal abseits von seiner schlimmsten Form, den Vergewaltigungen, machen und z.B. über Machtverhältnisse aufklären.

  • V
    vic

    Was ist los mit indischen Männern? Das scheint dort normal zu sein.

  • OP
    Oscar P.

    Offenbar hat der Verfasser dieses Beitrags nicht den Hauch einer Ahnung, wovon er schreibt, eer schreibt einfach brav irgendwas hin, von dem er denkt, dass die ehehr schlichte taz-Leserschaft es schon gut finden wird. Und das soll Journalismus sein? Arrogantes Schimpfen von oben herab auf die Justiz fremder Laender? Der Autor hat wohl nicht mitbekommen, dass es den Kolonialismus nicht mehr gibt - naja gut, allzu schnell ist die taz nun auch nicht, aber solch einen Artikel im Stile des doch nicht so edlen Wilden zu veroeffentlichen grenzt schon an Leserverarschung. Bei den taz-Lesern kommt so was aber ja oft gut an, da zaehlt das Weltbild ja meistens mehr als die Wahrheit.

  • P
    PeterWolf

    Was will uns der Artikel sagen?

    Inder sind alle pervers?

    Die Bundeswehr muss mit Drohnen dagegen vorgehen?

    Keine Wirtschaftsbeziehungen mehr mit Indien, bis es keine Vergewaltigungen, weder an Erwachsenen noch an Kindern mehr gibt?

    Oder ausschließlich, wenn auf Formular 7/4456-46. EU erklärt wird, dass es keinen Zusammenhang mit Vergewaltigungen gibt?

     

    Da wir nun mal nicht allmächtig sind, sind wir auch nicht für alles verantwortlich.

     

    Schreibt es auf indisch und verbreitet es dort!

  • R
    Reni

    ?!!

    Man kann einen dreijährigen Jungen nicht zum Analverkehr zwingen!! Das hat nichts mit Verkehr oder Sex(ualität) zu tun - das ist Vergewaltigung, Folter, Gewalt. Wann lernen die Medien endlich dazu???

  • I
    ion

    Verwunderlich, dass westeuropäische Journalisten inklusive thematisch Trittbrett fahrender jungdeutscher (Pseudo-) Emanzen jene (im kollektiven Unbewußten) tradierten Makel (pl.) einer asiatischen Gesellschaft erst jetzt im volleren Umfang (¿für sich?) zu entdecken scheinen – und dann auch gleich ein flächendeckendes Umdenken einer überwiegend nach wie vor mit existenziellen Nöten kämpfender, durchwegs ungebildeter, unfreier 1,2 Milliarden Bevölkerung innerhalb von nur wenigen Wochen erwarten; .... wie war die themenkontextuelle Entwicklung in z.B. D noch mal? Und ist ’s im zeitgenössischen Indien statistisch gesehen im Vergleich der jeweiligen Geamtbevölkerungen wirklich um so vieles ärger als vor vielleicht 75 Jahren in D? Oder hat über die Zustände im damaligen D nur (fast) niemand schreiben wollen, auch nicht die Inder?

    Moralhuberei und im Ohrensessel kopfschüttelnd aus der Ferne per Headline Salz in die Wunden (anderer) zu streuen, wird nicht helfen.

  • KB
    Kill Bill

    Leider geht in dem Artikel die Dimension verloren.

     

    "Kulturell und religiös begründete Gewalt gegen Frauen ist noch immer eine erschreckend verbreitete Menschenrechtsverletzung: Weltweit leben heute schätzungsweise 130 Millionen Frauen, deren Genitalien verstümmelt worden sind. Jedes Jahr erleiden weitere 2 Millionen Frauen und Mädchen dieses Schicksal.

    Für Indien wird geschätzt, dass fast 15'000 Frauen jedes Jahr wegen der Mitgift umgebracht werden..."

    http://www.u-asta.uni-freiburg.de/engagement/referate/genderreferat/gewalt

     

    Die Dimension soll auch auf das ferne Indien gelenkt werden, denn hier sollen die Ursachen verdrängt werden. Stellt euch doch nur mal vor dieser Mord wäre in Indien passiert, mit Sicherheit würden hier die Gutmenschen Lichterketten veranstalten:

     

    Baden-Württemberg: Mann sticht auf Hochschwangere ein und tötet Baby

    http://www.spiegel.de/panorama/justiz/baden-wuerttemberg-mann-sticht-auf-hochschwangere-ein-und-toetet-baby-a-878889.html

     

    "Laut Angaben des türkischen Innen- und Justizministeriums stieg die Zahl der Morde an Frauen seit 2002 um 1400 Prozent an. Jeden Tag werden zwei von fünf Frauen Opfer von Gewalt. Durchschnittlich werden 5 Frauen täglich ermordet. Jede vierte Frau in der Türkei hat mindestens einmal in ihrem Leben körperliche Gewalt erfahren."

    http://www.humanist-news.com/turkei-morde-an-frauen-um-1400-prozent-angestiegen/

  • K
    Klartext

    und gegen all das wird ein bisschen getanzt.

     

    ich wünsche viel erfolg.

  • L
    Leser

    Und wer hilft diesen Menschen? Die taz müsste doch da ihre Beziehungen spielen lassen und dem Außenminister vor's Schienenbein treten damit der mal was macht außer reden.