piwik no script img

Im Dschungel der digitalen Welt

Die Möglichkeiten, im Internet juristisch auf die Nase zu fallen, sind vielfältig. Darum wurde jetzt eine „schwarze Liste“ von insgesamt 30 unlauteren Geschäftspraktiken beschlossen. Wichtigster Punkt: Eine Kostenpflicht muss deutlich erkennbar sein

Der Autor ist Rechtsanwalt in Berlin und berät im Internet-, Urheber-, Marken-, Wettbewerbs- und Medienrecht. www.RAsommer.de

VON TOBIAS SOMMER

Geschäfte im Internet? Nein danke. Karin aus Weißensee hat Zwillinge, vier Jahre. Eine Zeit lang hat sie ihre gebrauchten Kindersachen per eBay verkauft. Dann bekam die halbtags angestellt tätige Mutter Ärger, weil sie als gewerbliche Händlerin eingestuft werden sollte. Jetzt inseriert sie wieder in der Zweiten Hand. Zudem nervte sie ein maltesischer Geschäftsmann mit Inkassoschreiben, weil sie mal eine „kostenlose“ SMS von einer Website versendet hatte.

Die Möglichkeiten, im Internet juristisch auf die Nase zu fallen sind vielfältig. Plötzlich sind auf dubiosen Internetseiten Verträge geschlossen, ein eBay-Verkäufer entpuppt sich trotz hunderter positiver Bewertungen als Betrüger, oder ein anwaltliches Abmahnschreiben flattert ins Haus.

Schutz der Verbraucher

Die Bundesregierung hat im Mai eine „schwarze Liste“ von insgesamt 30 unlauteren Geschäftspraktiken beschlossen, mit der Verbraucher besser geschützt werden sollen, vor allem im Internet. Als Anlage zu dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sollen anhand dieser Liste künftig irreführende und aggressive Handlungen sanktioniert werden, die unter allen Umständen verboten sind. Das reicht von unwahren Behauptungen eines Unternehmers, zu den Unterzeichnern eines Verhaltenskodexes zu gehören, über Hinweise, die suggerieren, dass ohnehin bestehende Rechte wie Widerrufs- oder Rücktrittsrecht eine Besonderheit des Angebots wären, und als Information getarnte Werbung bis hin zu der unwahren Angabe, der Unternehmer werde demnächst sein Geschäft aufgeben oder seine Geschäftsräume verlegen.

WIDERRUFSRECHT BEI INTERNETVERTRÄGEN

Kaum ein Regelwerk hat in der Rechtspraxis in jüngster Zeit so viel Verwirrung gestiftet wie die sogenannte BGB-Informationspflichten-Verordnung. Mit neuen Musterbelehrungen über Widerrufs- und Rückgaberecht bei Internetverträgen will der Gesetzgeber diese Verwirrung nun beenden. Bis Ende September 2008 läuft eine Umstellungsfrist. Auch Verbraucher könnten von der neuen Regelung profitieren.

Die Verordnung enthält in der Anlage Muster für eine Widerrufs- sowie eine Rückgabebelehrung für bestimmte Verträge zwischen Unternehmen und Verbrauchern, sprich Geschäfts- und Privatleuten. Relevant ist dies beispielsweise bei Fernabsatz- oder bei Haustürgeschäften und im elektronischen Geschäftsverkehr, also bei Bestellungen im Internet, bei Vertragsabwicklung per E-Mail, Telefon oder Fax. Für eBay-Geschäfte sind die Bestimmungen genauso bedeutsam wie für den Einkauf bei Webshops oder für herkömmliche Katalogbestellungen.

Gerichte hatten die alten amtlichen Muster für teilweise unwirksam erklärt – mit zum Teil unangenehmen Folgen für die Händler: Konkurrenten konnten ihnen über das Wettbewerbsrecht das Leben schwer machen und sogenannte kostenpflichtige Abmahnungen versenden, weil der Wettbewerb durch die „offiziellen“ Muster verfälscht werde. TB

Deutsche Verbraucherzentralen hatten den Gesetzgeber schon länger aufgefordert, im UWG gegen die Abzocke im Internet vorzugehen. Unseriöse Anbieter verursachten Schäden in mehrstelliger Millionenhöhe. Wichtigster Punkt: Eine Kostenpflicht müsse deutlich erkennbar sein, bevor Internetnutzer ein Angebot in Anspruch nehmen könnten. Kostenangaben sind laut den Verbraucherzentralen häufig im Kleingedruckten oder außerhalb des am Bildschirm sichtbaren Bereichs versteckt. Diesen Haken entdecken die meisten Internetsurfer erst, wenn sie die Rechnung erhalten.

Auch vor dubiosen Webseiten warnen die Verbraucherzentralen schon länger. Was auf den ersten Blick wie ein attraktives kostenloses Angebot aussieht, entpuppt sich bei genauem Hinsehen oft als Vertragsfalle. Vermeintlich kostenlose Onlinetests, SMS, Gewinnspiele oder Geschenke dienen nur als Köder für kostenpflichtige Verträge. Vorsicht ist überall geboten, wo bei kostenlosen Angeboten plötzlich persönliche Daten abgefragt werden. Oft wird per Inkasso- oder Anwaltsschreiben und mit der Androhung von Gerichtsverfahren und Strafanzeigen Druck auf die Kunden ausgeübt. Immer noch zahlen viele Betroffene aus Angst vor zusätzlichen Kosten. Dabei bestehen gute Chancen, sich gegen die Forderungen zu wehren. Häufig wurde schon über den Preis nicht ausreichend informiert. In jedem Fall besteht die Möglichkeit, den Vertrag zu widerrufen (siehe unten). Zudem liegt die Beweislast für den korrekten Vertragsschluss beim Seitenbetreiber. Wert den Gang zum Anwalt scheut, sollte jedenfalls die Verbraucherzentralen informieren.

Bei Karin war es eine anwaltliche Abmahnung (siehe unten) wegen zahlreicher Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht, die den Internetfrust ausgelöst hat. Da Kinder schnell wachsen, kauft und verkauft die alleinerziehende Mutter eine stattliche Zahl Kindersachen, mal sind es nur drei, ein andermal 50 Stück monatlich. Nach einem großen Budenschwung forderte sie ein Konkurrent und eBay-Bekleidungshändler per Anwalt zur Unterlassung auf. Denn wer sich als privater Händler ausgibt, aber gewerblich verkauft, verstößt gegen eine Vielzahl gesetzlicher Vorgaben. Informationspflichten zum Vertrag und zum Verkäufer, Preisangaben, Versandkosten, Widerrufsrechte und Gewährleistung sind hier die Standardthemen.

CHECKLISTE BEI ABMAHNUNGEN

Eine Abmahnung ist die formale Aufforderung einer Person an eine andere Person, ein bestimmtes Verhalten künftig zu unterlassen. Ist die Abmahnung nicht völlig aus der Luft gegriffen, sollten Sie die diese zunächst prüfen lassen und ihre Reaktion von dem Ergebnis abhängig machen.Eine Checkliste:1. Den Brief sorgfältig lesen und den Sachverhalt prüfen.2. Protokollieren, unter welchen Umständen Sie die Abmahnung bekommen haben; heben Sie den Briefumschlag auf, fertigen sie eine Telefonnotiz an, drucken Sie eine E-Mail aus und zeigen Sie die Nachricht einem Zeugen. 3. Prüfen Sie, ob Fristen gesetzt wurden, und notieren Sie diese Fristen. 4. Entscheiden Sie schnell, ob und wie Sie reagieren wollen. 5. Recherchieren Sie in Internetforen. Viele Abmahnungen werden intensiv diskutiert. 6. Beauftragen Sie ggf. rechtzeitig vor Fristablauf einen Anwalt. Grundsätzlich gilt: Keine vorformulierte Unterlassungserklärung abgeben ohne Sachprüfung! Sie haben aber eine ganze Reihe von Reaktionsmöglichkeiten bei einer Abmahnung, dazu gehören unter anderem folgende: 1. Bewusst ignorieren. 2. Abmahnung zurückweisen. 3. Volle Unterwerfung und Zahlung des Anwaltshonorars. 4. Verhandeln. 5. Unterlassung erklären und Anwaltskosten nicht zahlen. 6. Eine Gegenabmahnung aussprechen und ggf. aufrechnen. TB

Was juristisch an sich in Ordnung ist – private Händler haben beim eBay-Verkauf zahlreiche Vorteile –, traf die alleinerziehende Mutter hart. Der gegnerische Anwalt mahnte die alleinerziehende Mutter ab und forderte mehr als 1.000 Euro binnen einer Frist von 7 Tagen. Sonst hätte sie ein Gerichtsverfahren und weitere Kosten am Hals. Die Lösung: Per modifizierte Unterlassungserklärung konnte sie dem Abmahner erst einmal den Wind aus den Segeln nehmen. Vor Gericht wird jetzt zu einem viel geringeren Streitwert nur noch über die Anwaltskosten gestritten. Juristischer Knackpunkt war ein Freundschaftsdienst. Kinderwagen und Autositz ihrer Freundin hatten ebenfalls ausgedient. Karin stellte beides in ihren eBay-Account, woraus der Vorwurf gebastelt wurde, sie würde gewerblichen Handel betreiben.

Widerrufsmöglichkeiten

Karins eBay-Aktivitäten mögen ein Grenzfall sein. Doch die Abzocke im Internet dadurch, dass sich gewerbliche Händler als Privatleute ausgeben geschieht täglich tausendfach. Wichtigster Unterschied für die Käufer ist: Für gebrauchte Waren vom Profihändler gibt es per Gesetz ein Jahr Mängelgewährleistung. Zudem können Waren ab 40 Euro Wert eine Zeit lang kostenlos zurückgegeben werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen