Union streitet über Seehofer

Wer soll für die Opposition mit Rot-Grün über die Gesundheitsreform verhandeln? Experte ist Horst Seehofer, doch der will die Position der CDU/CSU nicht vertreten. Der Unionsführung wirft er vor, bei der Zahnbehandlung mit falschen Zahlen zu agieren

aus Berlin ULRIKE WINKELMANN

Horst Seehofer (CSU) hat Chancen, zum „Politiker mit Rückgrat“ dieses Monats ausgerufen zu werden. Unbeirrt fuhr der Unionsfraktions- und CSU-Vizechef gestern fort, die Unionsspitze zu kritisieren. Unionschefin Angela Merkel und dem CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber warf er vor, in der Gesundheitspolitik eine „Last-Minute-Entscheidung“ getroffen zu haben. „So wichtige Dinge dürfen nicht unter einem solchen Zeitdruck entschieden werden.“

Der Exgesundheitsminister Seehofer plädiert in der Gesundheitspolitik offen gegen die zwischen Merkel und Stoiber ausgehandelte Unionslinie. CDU und CSU treten mit der Forderung an, Zahnersatz privat pflichtversichern zu lassen. Seehofer hält dies für unsozial – wie übrigens auch ein weiterer Exgesundheitsminister der Union, Heiner Geißler. Wegen dieses Streits war Seehofer weder bei den Unionssitzungen noch im Bundestag aufgetaucht, als das Reformgesetz erstmals debattiert wurde.

Die Union minus Seehofer behauptet, eine Pflichtversicherung des Zahnersatzes sei für 7,50 Euro pro erwachsenes Gebiss und Monat möglich. Seehofer sagt dazu, Merkel und Stoiber hätten wider besseres Wissen klein gerechnete Beträge verwendet. Ihm lägen Beweise vor, nach denen der Verband der privaten Krankenversicherung einen Beitragswert von 9 bis 12 Euro auf die politisch erwünschten 7,50 runtergerechnet habe.

Nun soll Seehofer als einziger wirklicher Gesundheitsexperte der Unionsfraktion aber eigentlich auch Verhandlungsführer in den anstehenden Beratungen über das Gesetz werden. „Er ist von Amts wegen dafür zuständig“, sagte ein weiterer Fraktionsvize, Wolfgang Bosbach (CDU), gestern zur taz. „Er kann gern Verhandlungsführer sein, wenn er über Unionspositionen verhandelt und nicht über seine eigenen.“ Die Verhandlungen fänden schließlich „nicht zwischen Rot-Grün und Familie Seehofer statt, sondern zwischen Rot-Grün und der Union“, sagte Bosbach.

Wenn er auf seiner Meinung beharrt, könnte Seehofer also bald genötigt werden, sich aus den Verhandlungen herauszuhalten. Immerhin hatten Merkel und SPD-Fraktionschef Franz Müntefering einander im Bundestag am Dienstag versprochen, noch vor der für den 8. Juli angesetzten abschließenden Lesung des Reformgesetzes über die Gesundheitsreform zu sprechen.