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Archiv-Artikel

Rückwärts gewandte Veränderungen

Borussia Mönchengladbach verhindert durch den ersten Sieg im Borussia-Park über Werder Bremen den Fehlstart und träumt auf einmal von großen Zielen. Die eher konservative Vereinspolitik sorgt für eine solide Basis

MÖNCHENGLADBACH taz ■ Neue Stadien erzeugen erstmal einen gewissen Überschwang. Besonders, wenn man als Besitzer der neuen Heimat zum ersten Mal dort gewinnt. „Wenn wir immer so spielen, können wir unter die ersten Sieben kommen“, verkündete Vladimir Ivic, der in der Nachspielzeit zum 3:1-Endstand gegen Werder Bremen getroffen hatte, ein wenig berauscht. Das ist wohl übertrieben, denn spielerisch war der Sieg keine Meisterleistung, aber Borussia Mönchengladbach entwickelt sich weiter. Eine wichtige Erkenntnis nach Wochen des Zweifels.

Nach zwei Punkten aus drei Spielen sowie der Pokalniederlage bei den Amateuren der Bayern drohte nach dem Spiel gegen den Deutschen Meister die Diagnose „Fehlstart“. Und nach dem 2:3 gegen Dortmund im ersten Heimspiel im neuen Stadion kreiste bereits die Horrorvision von einem „Arena-Fluch“ über dem Mönchengladbacher Norden. Eine weitere Pleite im Borussia-Park hätte diese vollkommen verfrühte Diskussion wirklich gefährlich werden lassen, denn irgendwann glauben die Zuschauer, aber auch die Spieler an solche Geschichten. Nach dem ersten Saisonsieg konnte Holger Fach nun aber eine durchweg positive Zwischenbilanz ziehen: „Wir hatten zwei Auswärtsspiele und zwei schwere Heimspiele gegen Bremen und Dortmund, da sind fünf Punkte absolut in Ordnung.“

Mindestens ebenso freute er sich aber darüber, dass „die Bereitschaft sich weh zu tun, absolut da war“. Denn das war in der spielerisch schwachen Partie der entscheidende Vorteil der Borussia. Und dass die drei Tore allesamt von Neuzugängen erzielt wurden, kommentierte er nur mit einem weisen Lächeln. Dieser Tag warf ein sehr positives Licht auf die sommerliche Einkaufstour der Sportlichen Leitung. Marek Heinz traf zum 1:0 (11.), Oliver Neuville erhöhte auf 2:0 (53.) und Ivic setzte den Schlusspunkt. Zwar verschuldete die Neuverpflichtung Christian Ziege Nelson Valdez‘ zwischenzeitliches 2:1 (69.), aber der ehemalige Nationalspieler hielt die Defensive zusammen, redete viel und versuchte, dem Team mit seiner Erfahrung weiter zu helfen. Die Unkonzentriertheiten nach eigenen Toren, die gegen Dortmund beklagt wurden, bekämpfte die Mannschaft mit Leidenschaft und Aufmerksamkeit und der Borussia-Park sieht zwar an vielen Ecken immer noch nach Baustelle aus, funktioniert aber als Stimmungsmaschine hervorragend.

Dass die Fans über den umständlichen Bustransfer von den Bahnhöfen stöhnten und die Verkehrsprobleme immer noch nicht ganz gelöst waren, kann mit drei Punkten im Gepäck viel besser verkraftet werden, als nach einer Niederlage. Insofern war dieser Sieg Balsam für viele wunde Punkte der vergangenen Wochen. Es sieht richtig gut aus für die Borussia. Der Kader ist stark, noch nicht einmal ein Spieler wie Thomas Broich fand einen Platz in der ersten Elf. Seine möglichen Positionen wurden von Marek Heinz und Peer Kluge durchaus stark besetzt. Aber einen hob Fach ganz besonders hervor. „Oliver Neuville hat inklusive der Vorbereitungsspiele 13, 14 Tore geschossen“, sagte der Trainer, „seit er hier ist, spielt er überragend, auch heute.“

Die Borussia des vergangenen Wochenendes macht einen soliden Eindruck. Die Einstellung stimmt, das Stadion funktioniert, die Neueinkäufe überzeugen und die ökonomische Situation des Klubs ist ebenfalls in Ordnung. Die konservativ wirtschaftende Klubführung passt zum Stil, den die Mannschaft spielt; diese wiederum wurde von der auf bewährte Spieler setzenden Einkaufsabteilung geformt. Es ist eine veränderte, neue Borussia so ganz ohne Typen wie Hans Meyer und Ewald Lienen und ohne Bökelberg.

DANIEL THEWELEIT