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Piratenpartei – die neuen Guten?
Pro
BEN SCHWAN ist Autor für Netzthemen von taz.de und taz
Wenn es die Piratenpartei nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Sie stößt heute in eine ähnliche Lücke innerhalb der Internetbewegung vor, wie es die Grünen einst innerhalb der Umweltbewegung taten: Sie gibt einer gesellschaftlichen Gruppe, die sich in den aktuellen Parteien nicht wiederfindet, eine politische Stimme.
Wo stehen denn die „Großen“? Die SPD ist stets bereit, mit der CDU (und auch ohne sie) sicherheitspolitische Verschärfungen durchzusetzen, die Bürgerrechtler in der FDP wären in einer Koalition machtlos. Und auch die Grünen schaffen es trotz guter Ansätze viel zu selten, echte Grundrechtspolitik zu machen. Das ist die heutige Situation – und sie ist traurig. Schon deshalb brauchen wir eine Partei, die auch in der digitalen Welt sicherstellt, dass wir nicht in einen Überwachungsstaat geraten.
Tatsache ist natürlich auch: Den ersten Skandal um einen bräunlich angehauchten stellvertretenden Schiedsrichter hätten die Piraten deutlich souveräner meistern können. Wer freundlich sein will, kann das auf mangelnde politische Professionalität schieben. Andererseits haben die Parteioberen in den Blogs und auf Twitter derart viel Dampf bekommen, dass man durchaus von einer neuartigen Basisdemokratie sprechen kann. Die wachsende Gruppe der Netzaktivisten, denen ihre digitalen Bürgerrechte am Herzen liegen (man denke nur an die 130.000 Unterzeichner der Petition gegen Internetsperren), braucht eine Vertretung.
Schwierig könnte es werden, weil die Piraten sich an einer Ideologiefreiheit versuchen, die man bislang in der Parteienlandschaft noch nicht kannte. Diese Radikalität sprengt das gewöhnliche politische Vorstellungsvermögen, kann aber durchaus funktionieren, wenn man sich klar an den Rändern nach rechts und – ja, auch! – nach links abgrenzt. Wie und ob das klappt, kann nur die Zukunft zeigen. Ein Experiment ist es allemal wert. Den Grünen hätte bei ihrer Gründung auch niemand zugetraut, wie weit sie es einmal bringen würden.
Contra
JÖRG SUNDERMEIER ist Journalist und Programmleiter des Verbrecher Verlags
Die Mitglieder der Piratenpartei machen vieles richtig. Eine Neufassung des Urheberrechts muss tatsächlich diskutiert werden; es geht nicht an, dass man tausende von Usern, die Inhalte unbezahlt downloaden, zu Schwerverbrechern erklärt. Ebenso ist es richtig, sich die Gesetze zu Internetsperren genauer anzuschauen, damit hier nicht chinesische Verhältnisse herrschen. Und die Idee, für diese Anliegen mithilfe einer Partei zu werben, war gut.
Doch wissen die Parteimitglieder nicht, warum sie vieles richtig machen. Dass sie ihre Partei als solche bierernst nehmen, ist schon bedenklich genug; der Schritt zum Kleingärtnerverein wird vollzogen, nur ist der Kleingarten virtuell. Die Piraten sagen, sie seien nicht links und nicht rechts. Dass auch Mussolini sich so präsentierte, wissen sie nicht und wundern sich nun, warum Faschisten ihre Partei interessant finden. Das lässt sich beheben; doch beweist der Vorgang, dass diese einäugigen Piraten das, was man nicht via Mausklick ansteuern kann, nicht kennen und sie sich auch im Internet mit nichts anderem als dem Internet beschäftigen.
Sie hassen Politik im eigentlichen Sinne. Sie wollen machen, nicht analysieren. Sie halten das Internet selbst für seinen Inhalt, verwechseln Medium und Message. Sie kämpfen für Bürgerrechte, interessieren sich aber nicht dafür, was der Bürger ist, ideologisch gesehen. Sie wollen Datenschutz und kritisieren den Staat, loben aber Google, da sie ignorieren, dass Privatwirtschaft und Staat kooperieren. Auch sehen sie nicht, dass Teile dessen, was sie via Medium im Netz betrachten können, Privatbesitz ist. Sie bekämpfen Urheber, Firmen wie Pirate Bay aber finden sie okay, solange diese „Free Content“ anbieten. Wird die Firmenpolitik geändert, sind die Piraten empört. Das beweist zweierlei. Erstens haben diese Piraten den Kapitalismus nicht verstanden, auch da haben sie was mit Mussolini gemein. Zweitens sind sie käuflich – man muss ihnen nur was schenken, schon sind sie ganz blöd. So billig wie diese Partei war selten eine zu haben.