LGBTQ+-Community in Polen: Streit über eingetragene Ehe für alle
Nach einem Urteil des EuGH muss Warschau gleichgeschlechtliche Ehen, die im Ausland geschlossen wurden, anerkennen. Der Justizminister windet sich.
Gespannt verfolgen viele Schwule und Lesben in Polen, wie ihre Mitte-links-Regierung mit dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) umgeht: Alle EU-Staaten und damit auch Polen sollen künftig im Ausland geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen anerkennen und sie standesamtlich ins Eheregister eintragen.
Zwar hatte Premier Donald Tusk noch vor zwei Jahren im Wahlkampf versprochen, die von der Vorgängerregierung stark beschnittenen Frauenrechte wiederherzustellen und auch die rechtliche Situation der LGBTQ+-Community zu verbessern. Doch passiert ist bislang nichts.
Zum Topthema wurde der Streit über die eingetragene Ehe für alle aber erst durch Justizminister Waldemar Żurek, der seit Ende November immer wieder beteuert, dass Polen das Urteil des Luxemburger Gerichts umsetzen werde. Zugleich überlegt er laut, wie man genau das umgehen könnte. Vor wenigen Tagen vertrat er im Radiointerview des Senders TOK FM die These, dass gleichgeschlechtliche Paare womöglich im Ausland Scheinehen eingingen, die in Polen nicht anerkannt werden dürften.
Auf die Frage der Redakteurin: „Wird es demnächst möglich sein, dass ein homosexuelles Paar nach Berlin fährt, dort heiratet, dann nach Polen zurückkommt und sich hier standesamtlich eintragen lässt?“, antwortete Żurek: „Nicht ganz.“ Aus der Begründung des Urteils gehe hervor, „dass diese Verbindung im Ausland, wo solche Ehen zulässig sind, in irgendeiner Weise stabil sein muss“.
Polnische Beamte müssten daher vor der Eintragung prüfen, ob es sich „um eine Wochenend-Ehe“ handle oder „das Paar über einen längeren Zeitraum im Ausland lebte, wo eine solche Verbindung legal ist“. Zudem gebe es formale Hindernisse: „Im polnischen Eheregister gibt es die Rubriken ‚Mann‘ und ‚Frau‘. Wir müssen das Recht also so anpassen, dass hier keine Fiktion entsteht.“
Nicht viel übrig geblieben
Die Radiojournalistin wollte dann von Żurek wissen, ob es nicht am einfachsten wäre, das Urteil in das schon vorbereitete „Gesetz über die nächststehende Person“ einzubauen. Polens Linke, die in Tusks Koalition ebenfalls vertreten ist, kämpft für ein Gleichstellungsgesetz für homo- und heterosexuelle Bürger*innen Polens.
Viel übrig geblieben ist nicht vom Ursprungsentwurf. Nicht mal im Gesetzestitel darf das Wort „Homo“ auftauchen. Offiziell sollen Schwule und Lesben in Polen demnächst „nächststehende Personen“ genannt werden.
Aber immerhin: Der Gesetzentwurf würde die rechtliche Situation der polnischen LGBTQ+-Community zumindest ein bisschen verbessern. Zwar soll es weiter keine Ehe für alle geben, aber ein schwules oder lesbisches Paar soll vor einem Notar einen Vertrag über die jeweils „nächststehende Person“ abschließen können. Beide können sich steuerlich gemeinsam veranlagen lassen, sich als Erben einsetzen, ohne die bislang übliche Steuer zahlen zu müssen.
Im Krankenhaus wird sich die „nächststehende Person“ nach dem Gesundheitszustand des Partners oder der Partnerin erkundigen dürfen. Sollten die Paare Kinder großziehen, sollen sie das Recht bekommen, von „Familienermäßigungen“ zu profitieren. Im Januar soll der Gesetzentwurf vom Abgeordnetenhaus beraten werden. Sollte der Präsident das Gesetz unterschreiben, wonach es zurzeit nicht aussieht, würde es am 1. 1. 2027 in Kraft treten.
Andere Lösung
Żurek steht einer erneuten Umformulierung des ohnehin schon so heiklen Gesetzestextes skeptisch gegenüber. Er plädiert für eine rechtlich andere Lösung, um das EuGH-Urteil umzusetzen.
„Werden die jetzt unser Intimleben untersuchen, wenn wir im Ausland heiraten?“, regt sich Tomek im Metrokiosk der Station Pole Mokotowskie auf. Er studiert an der nahen Wirtschaftshochschule SGH. „Das neue Gesetz wird doch für alle gelten, egal ob homo oder hetero.“ Pawel grinst breit: „Ich glaube nicht, dass die Regierung es schafft, im nächsten Jahr dieses Gesetz fertigzubekommen. Dann fängt schon der Wahlkampf an. Und wenn die Regierung es doch schafft, wird der Präsident sein Veto einlegen.“
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