Reden beim Sex: Das Aaaah und Ooooooh des guten Sex
Don't talk, just kiss? Unsere Autorin findet Reden im Bett überbewertet. Welche Lautäußerungen dennoch zu empfehlen sind.
Es gibt Menschen, die reden vor sich hin, ohne groß zu denken, und diese Leute können eigentlich beim Sex einfach weiterreden, die interessieren mich ohnehin nicht. Für alle anderen gilt: Fresse halten und Liebe machen. Denken aktiviert nämlich den präfrontalen Cortex, während wir beim Sex über das limbische System, das Nervensystem und Gefühle gesteuert werden.
Das wäre dann jetzt ein kurzer Text, wenn es nicht jede Menge Ausnahmen und Sonderfälle gäbe. Zum Beispiel kann man Sachen sagen, für die man nicht denken muss, wie Jaaaa, Mhmmm und Ooooh, und sollte das auch unbedingt tun, Grunzen und Ächzen gehören ebenfalls in diese Kategorie. Die Laute durchfahren den Körper, öffnen ihn für die Lust und massieren ihn gewissermaßen von innen, auditive Propriozeption nennt man das. Sie massieren auch das Gewebe des Gegenübers, das heißt dann vibrotaktile Stimulation. Sprechen kann also helfen, von rein genitalem Sex zu ganzkörperlichen Freuden zu gelangen. Dabei wird Dirty Talk laut einer Umfrage von Männern übrigens ein wenig mehr gemocht als von Frauen (30 Prozent zu 18 Prozent).
Originell muss es dabei hingegen nicht zugehen, das irritiert eher und schaltet gleich wieder den präfrontalen Cortex an. Man darf dafür ruhig was Klischeehaftes sagen. „Bist du schön“, „Mann, ist das weich“, „Hilfe, bin ich geil“, kombiniert mit einem Griff ins Fleisch, schaffen Vertrauen und Entspannung – für Frauen Lustfaktor Nummer eins. Für solche einfachen Säuselsätze muss man nicht denken, und falls doch, lernt man sie vorher auswendig und stöhnt sie dann dem Gegenüber freudig vor.
„Weiter rechts!“, „Tiefer!“, „Weg da!“
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
In einer Trink- und Pullerpause kann dann gerne ausführlicher gesäuselt und gealbert werden. Aber jetzt ist noch nicht die Zeit für Manöverkritik, man bleibt im Fühlen und in Verbindung und kann vielleicht mal stillepostmäßig versuchen, mit einem Penis im Mund zu sagen: „Der ist selbst nicht erigiert ganz schön groß.“ Und zwar so lange, bis man verstanden wurde oder das Getümmel von Neuem startet.
Klar, wenn man mit kleinen Anweisungen den Sex besser machen kann, sollte man sie unbedingt auch aussprechen. Jedoch nicht in zusammengesetzten Sätzen, à la „Schatz, ich will dir ja nicht zu nahetreten, aber wenn du weiter an dieser Stelle reibst, bekomme ich keinen Orgasmus, sondern eine Blutblase.“ Besser, man hält es so simpel wie möglich: „Weiter rechts!“, „Tiefer!“, „Weg da!“
Ein sexuelles Genre, bei dem längerer Text unter Umständen geradezu gebraucht wird, ist der sogenannte Fantasiesex (im Gegensatz zum oben beschriebenen Spürsex) und seine Spielart BDSM. Das kann maximal erregend sein, denn nicht umsonst wird das Hirn im Volksmund als das wichtigste Sexualorgan bezeichnet. Aber, Achtung: Etwa jede siebte Frau fühlte sich laut einer Umfrage durch Dirty Talk schon herabgewürdigt. Man sollte sich dessen gewahr sein, dass unsere stärksten sexuellen Fantasien oft auf Traumata beruhen, auf sich achtgeben und zum Beispiel ein Safeword haben (meines ist Gummibärchen auf Sächsisch, das hat noch jede Erektion gekillt).
Dirty Talk ist also echt was für reflektierte Erwachsene. Es braucht Timing, Einfühlungsvermögen und Synchronizität zwischen den Partnern. Wenn das klappt, kann es extrem geil sein, klappt es mal nicht, braucht es auch noch Humor und/oder Gelassenheit. Kommt all das zusammen, kann man als Paar eigentlich gleich heiraten, auch wenn man sich erst drei Wochen kennt. Schließlich bringt man alles mit, was es für eine Langzeitbeziehung braucht.
Vieles an Pleiten, Pech und Pannen, von denen zumindest mein Sex nur so strotzt, geht auf das Konto der Sprache, weil man sich zum Beispiel im Register vertut und den Hengst „Hase“ nennt. Auch fremdsprachlicher Sex hat seine Fallstricke. Was vorab beim Sexting mit dem Mann aus dem Ausland total hot ist, führt im Bett zu zahlreichen Nachfragen, weil der Akzent so gewöhnungsbedürftig ist. Hat man zweimal „Pardon?“ gesagt, kann man das Gequatsche auch sein lassen. Oder er probiert halt mal aus, ob er besser in die Pussy reinspricht als ins Ohr. Kann ich mir eigentlich gut vorstellen.
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