US-Interessen in Syrien: Deshalb wirbt Donald Trump um Ahmed al-Scharaa
Syriens Interimspräsident besucht Washington. Kurz zuvor stand er noch auf US-Terrorlisten. Was bezweckt US-Präsident Trump mit der Annäherung?
Das historische Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem syrischen Interimspräsidenten Ahmed al-Scharaa wäre vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen. Denn vor seinem Aufstieg zum Machthaber war al-Scharaa ein gesuchter Terrorist, auf den die US-Regierung noch im vergangenen Jahr ein Kopfgeld von zehn Millionen Dollar ausgelobt hatte.
Doch die Zeiten ändern sich und der Besuch im Weißen Haus am Montag verdeutlichte dies eindrucksvoll. „Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um Syrien zum Erfolg zu verhelfen“, sagte Trump nach seinem knapp zweistündigen Treffen mit al-Scharaa.
Der Besuch des syrischen Staatschefs in Washington hat gezeigt, dass die Trump-Regierung es durchaus ernst damit meint, das durch einen langjährigen Bürgerkrieg zerstörte Land wieder in die internationale Gemeinschaft aufzunehmen. Natürlich spielen wie so oft auch Amerikas wirtschaftliche Interessen eine wichtige Rolle. Vor allem Investitionen in den Wiederaufbau des Landes sowie in die Erdgasgewinnung wurden von beiden Seiten bekundet.
Al-Scharaa bestätigte im Interview mit Fox News, dass er und Trump Investitionsmöglichkeiten diskutierten. Für Syrien gehe es neben der finanziellen Unterstützung aber auch darum, sein Ansehen in der Welt zu verbessern, sagte der syrische Präsident. Sein Land „solle nicht länger als Sicherheitsbedrohung, sondern als geopolitischer Verbündeter betrachtet werden“.
Investor*innen schauen auf Syrien
Sollte sich das Land stabilisieren, könnten sich zudem bislang ungeahnte Möglichkeiten für ausländische Investor*innen eröffnen. Syrien muss nach 13 Jahren Bürgerkrieg und Abschottung zum größten Teil wieder aufgebaut und modernisiert werden. Dafür sollen die Caesar-Sanktionen wegfallen, das kann jedoch nur der US-Kongress bewilligen. Trump hat sie seinerseits bereits zweimal ausgesetzt.
Die USA hoffen, dass durch diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen, Syrien seine Allianzen mit Russland und Iran gegen westliche Verbündete eintauschen wird. Ein westlich orientiertes Syrien könnte demnach zur Stabilität in der Region beitragen und die Friedensbemühungen des US-Präsidenten – der seine Ambitionen auf einen Friedensnobelpreis immer wieder öffentlich preisgibt – fördern.
Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, sagte am Montag, der Besuch sei „Teil der diplomatischen Bemühungen des Präsidenten, sich mit jedem auf der Welt zu treffen, um den Frieden zu fördern“.
Klar ist, dass Syrien nur ein Stein ist auf dem Schachbrett von Trumps Ambitionen für den Nahen Osten. Das Meisterwerk dieser Partie sind die Abraham-Abkommen, die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Ländern. Die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Marokko und Sudan haben die entsprechende Erklärung bereits unterzeichnet. Damit sollen die Länder diplomatische Beziehungen zu Israel aufnehmen.
Al-Scharaa verschwand erst kürzlich von US-Terrorliste
Es ist kein Geheimnis, dass Trump den Beitritt von Saudi-Arabien und Syrien anstrebt. Nach dem Krieg in Gaza und der Drohung durch ultrarechte, israelische Politiker*innen, das Westjordanland zu annektieren, ist indes Riads Unterschrift in weite Ferne gerückt. Doch Syrien, jetzt wo Ex-Präsident Bashar al-Assad nicht mehr an der Macht ist, ist kein so unmöglicher Kandidat mehr.
Gleichzeitig plagen das Land viele interne Probleme. Syrien leidet noch immer unter den Folgen des Bürgerkriegs. Weite Teile der Infrastruktur sind zerstört und ein Großteil der Bevölkerung lebt in Armut. Außerdem erkennen nicht alle Fraktionen im Land die Legitimität von al-Scharaas Regierung an.
Dieser hofft mit Hilfe der USA sowie anderen westlichen Ländern, darunter auch europäische Länder wie Deutschland, seinen Machtanspruch zu legitimieren. Die Aussicht auf weitere Sanktionslockerungen durch die USA sowie die Zusage al-Scharaas, dass sich Syrien an der von den USA geführten Koalition zur Bekämpfung des „Islamischen Staates" (IS) anzuschließen, dürften dazu beitragen.
Der US-Präsident bekundete auch deshalb Optimismus in al-Scharaas Fähigkeiten: „Ich bin zuversichtlich, dass er diese Aufgabe bewältigen wird.“ Und das, obwohl die US-Regierung erst am Freitag dessen Namen von ihrer Terrorliste gestrichen hatte.
Vorwürfe, dass al-Scharaa versuche, seine Macht antidemokratisch durch Konsolidierung zu festigen und er in Wirklichkeit noch immer ein Islamist sei, wurden nicht angesprochen. Für Trump ist Syrien aktuell vor allem ein Mittel zum Zweck. Sollten beide Seiten ihr Vereinbarungen halten, dann steckt viel Potenzial in dieser Beziehung.
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