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Vor der Klimakonferenz in BelémWaldschutz oder Greenwashing?

Als Auftakt der Weltklimakonferenz COP30 fand in Belém ein Gipfel der Staats- und Regierungschefs statt. Die von Brasilien lancierte Tropical Forest Forever Facility stieß dabei auf ein geteiltes Echo.

Brasiliens Präsident Lula da Silva (r.) hat Kanzler Merz mit ins TFFF-Boot geholt. Nun muss sich zeigen, wohin die Reise damit geht Foto: Kay Nietfeld/dpa
Niklas Franzen

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Niklas Franzen aus Belém

taz | Es lief nicht alles rund. Mehrfach fiel das Wasser in den Toiletten aus, die Übertragung hakte, die Gänge der Blue Zone glichen einer Baustelle. Es roch nach frisch gesägtem Holz, überall wurde gehämmert und geschraubt. Zumindest die Klimaanlage funktionierte und blies mit voller Kraft.

Am Donnerstag und Freitag fand im brasilianischen Belém der Gipfel der Staats- und Regierungschefs statt. Es war die Generalprobe für die Weltklimakonferenz COP30, die am Montag in der Amazonasmetropole beginnt. Das Treffen markierte zugleich das zehnjährige Jubiläum des Pariser Klimaabkommens. Nicht nur deshalb waren die Erwartungen groß.

Brasilien hat sich viel vorgenommen und präsentierte auf dem Gipfel eines seiner zentralen Projekte: die Tropical Forest Forever Facility (TFFF). Die Idee: Länder, die ihre Wälder erhalten, sollen dafür bezahlt werden. Der Fonds soll dafür Milliarden von Staaten und privaten Investoren mobilisieren. Das Kapital soll an den Finanzmärkten angelegt werden, um stabile Renditen zu erzielen.

Diese Erträge verfolgen einen doppelten Zweck – sie sichern den langfristigen Gewinn privater Investoren und dienen zugleich als Anreizmechanismus für Staaten, die die Abholzung tropischer Wälder eindämmen. In den kommenden Jahren sollen Förderländer umgerechnet rund 21,7 Milliarden Euro beisteuern, weitere 100 Milliarden US-Dollar sollen von privaten Kapitalgebern kommen. Insgesamt wurden 74 waldreiche Staaten als potenzielle Empfänger identifiziert.

Norwegen kündigte auf dem Gipfel an, in den kommenden zehn Jahren 2,5 Milliarden Euro bereitzustellen, Frankreich 500 Millionen Euro, Niederlande und Portugal versprachen kleinere Beträge. Brasilien hatte bereits im September erklärt, rund 871 Millionen Euro für den TFFF aufzubringen. Großbritannien ist hingegen vorerst nicht dabei. Am Freitag schloss sich auch Deutschland an. Kanzler Friedrich Merz versprach in Belém, einen „namhaften Beitrag“ zu leisten.

„Gut ausgestaltet kann der TFFF einen wirksamen Beitrag zum Waldschutz leisten, weil er jene belohnt, die erfolgreich Regenwälder schützen“, sagte Anika Schroeder, Klimaexpertin von Misereor. „Deutschlands Rückwärtsrolle beim Klimaschutz, die Blockaden beim EU-Lieferkettengesetz und bei entwaldungsfreien Lieferketten drohen jedoch, mögliche Erfolge des neuen Fonds zu torpedieren.“

Fachleute äußern zudem Zweifel, ob die Aufsicht über den Fonds ausreichend transparent und wirksam sein wird. Unklar ist auch, ob der TFFF die nötigen Kreditbewertungen erhält, um am Kapitalmarkt attraktiv zu sein. Und ob sich die versprochenen Renditen tatsächlich einstellen, bleibt fraglich.

Die Zivilgesellschaft ist präsenter als bei den letzten Konferenzen

Auch Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen sind skeptisch. Vor dem Konferenzgebäude, wo übergroße Buchstaben den Schriftzug #COP30 bilden, legten sich am Donnerstag eine Gruppe Demonstrierender auf den Boden. Über ihnen lagen weiße Tücher, die wie Leichensäcke aussahen. Eine Frau schrieb mit roter Farbe darauf: „Defender la vida cuesta la vida“ – „Das Leben zu schützen, kostet das Leben.“ Die Mitglieder der Gruppe stammen aus Mexiko und Kolumbien. Eine Rednerin bezeichnete den TFFF als „neue Maske des Kolonialismus“. Der Fonds gehe an den wahren Problemen vorbei, sagte sie. Ihr Vorwurf: Greenwashing statt echter Veränderung.

Die Szene zeigt: Die Zivilgesellschaft ist in Belém präsenter als bei den letzten Klimakonferenzen in autoritär regierten Ländern. In den kommenden Tagen sind Proteste geplant, Ak­ti­vis­t*in­nen wollen eine Bootsdemo auf dem Amazonas organisieren. Viele Appelle werden sich auch an Brasiliens Präsident Lula richten, der sich für Ölbohrungen an der Amazonas-Küste ausgesprochen hatte. Während der COP wird außerdem die Cúpula dos Povos – der „Gipfel der Völker“ – als Plattform für NGOs und indigene Gruppen stattfinden.

„In Belém angekommen, bin ich optimistischer als zuvor“, sagt André Castro Santos der taz. Er ist technischer Direktor von LACLIMA, einer Initiative von Jurist*innen, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzt. Die breite Zustimmung vieler Länder zum TFFF sei ein gutes Zeichen für den Start der Konferenz am Montag. Und was er beobachtet habe: Es werde wirklich diskutiert. „Die Delegierten sind nicht nur hier, um Gruppenfotos zu machen.“

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