Der Gesetzeslage zum Trotz: Bremen tut sich schwer, Wohnungsleerstand zu bekämpfen
Ein Bremer Haus ist seit fünf Jahren unbewohnt. Eine Petition fordert jetzt die Enteignung. Beispiel für eine schwer zu bekämpfende Misere.
In Bremen hat's gebrannt: In einem achtstöckigen Wohnhaus nahe der Innenstadt gab es einen Kellerbrand. 54 Bewohner*innen mussten evakuiert werden, ganz viel Aufregung, ganz viel Feuerwehr und richtig viel Rauch. Immerhin: Die Flammen blieben auf den Keller beschränkt.
Fünf Jahre ist diese Blaulicht-Geschichte jetzt her; doch noch immer stehen die 68 Wohnungen in der Rembertistraße 76 leer. Günstiger Wohnraum, schön innenstadtnah, ist es, der so verloren gegangen ist. Der örtliche Weser-Kurier hat das Gebäude über die Jahre immer wieder mal in den Blick genommen – und erzählt mit seinem Archiv so eine Geschichte der Verzögerungen und Vertröstungen durch die Lebensversicherungsgesellschaft Swisslife.
Anfangs ging es nur um eine Reinigung der verrauchten Wohnungen; eine Sache von Wochen, so schien es. Im Januar 2021, vier Monate nach dem Brand, hieß es dann, das Haus werde noch ein halbes Jahr unbewohnbar sein. Doch Januar 2022, ein Jahr später also, waren die Arbeiten noch nicht abgeschlossen.
Ende August 2022, zwei Jahre nach dem Brand, gab's ein neues Datum: Im ersten Quartal 2023 sollte das Haus nun wieder bezugsfähig sein. Asbest in den Versorgungsschächten, Lieferengpässe und der Mangel an Handwerkern hätten die Sanierung verzögert; doof gelaufen.
Enteignung gefordert
Im August '23 hieß es dann, die Fertigstellung sei für den November 2023 geplant; doch im April 2024 gab man sich auf Nachfrage des Weser-Kuriers nur noch „optimistisch“, dass bis Ende des Jahres alles abgeschlossen sei. Es seien nämlich jetzt „auch die Versorgungsschächte von Asbest betroffen“ – diese Begründung hatte das Unternehmen allerdings schon im Sommer 2022 mal genannt.
Erst seit April 2025 liegt ein positiv beschiedenes Brandschutzkonzept vor, um, so die Bremer Baubehörde, „nunmehr die relevanten baulichen Maßnahmen für die Wiederaufnahme der Wohnnutzung“ umzusetzen. Alle früheren Versprechen der baldigen Fertigstellung durch das Unternehmen waren offenbar aus der Luft gegriffen.
Das Bremer Aktionsbündnis "Menschenrecht auf Wohnen" hat sich mittlerweile des Themas angenommen. In einer Petition fordert Erwin Weide vom Bündnis eine Enteignung der Eigentümer. 167 Mitunterzeichner hat die Petition gefunden. Heute wird sie vor dem Petitionsausschuss öffentlich beraten.
Aber Möglichkeiten dazu, das hat die Baubehörde schon klar gemacht, sieht man dazu nicht. Schließlich sei eine Enteignung das letzte Mittel: Zunächst müssten mildere Maßnahmen ausgeschöpft werden. „Aber auch hierfür liegen die Voraussetzungen bisher nicht vor“, schreibt Staatsrat Ralph Baumheier (SPD) als Antwort auf die Petition.
Auch ein Gutachten, das die Bremer Linken zur Frage der Enteignung erstellen ließen, beurteilte die Chancen dafür verhalten – vor allem deshalb, weil es geeignete andere Maßnahmen gebe: die Anordnung einer Instandsetzung etwa.
Danach hatte sich die Linksfraktion in der Fragestunde der Bürgerschaft im Juni dieses Jahres erkundigt. Staatsrat Baumheier erklärte dort, die Baubehörde sei dabei, ein „Anhörungsverfahren einzuleiten und in dem Zusammenhang dann zu prüfen, inwieweit wir nach den gesetzlichen Vorgaben von einem ordnungswidrigen Leerstand auszugehen haben“.
Nach der Prüfung würde die Behörde „im Zweifel die Nutzung beziehungsweise ein Ordnungsgeld anordnen, wenn wir zu dieser Einschätzung kommen“.
Viele Schritte; wie weit die Behörde mit ihnen gekommen ist, seitdem diese Anfrage im Juni beantwortet wurde und warum die Stadt nicht früher tätig wurde, lässt sich bis Redaktionsschluss nicht sicher beantworten. Klar ist: Bremen hat ein Problem mit Leerstand. Von 13.650 leer stehenden Wohnungen in der Stadt Bremen standen laut Zensus 2022 ganze 4.825 seit mehr als einem Jahr leer.; die Quote ist ein gutes Stück höher als in Hamburg (siehe unten).
Die rot-grün-rote Koalition in Bremen hat zwei Gesetze verabschiedet, die effektiv helfen sollten, Leerstand und unwürdige Wohnbedingungen anzugehen: 2021 hat sie das Wohnraumschutzgesetz beschlossen, 2023 das Wohnungsaufsichtsgesetz verschärft. Eine „Taskforce Wohnen“, angesiedelt zwischen Bau- und Innenbehörde, soll sich darum kümmern, dass diese Gesetze mit Leben gefülllt werden.
Taskforce kommt nicht hinterher
Doch werden offenbar die wenigsten dieser 4.825 Wohnungen beobachtet. Die Taskforce – offiziell: Gemeinsame Verwaltungseinheit zur Bekämpfung von Problemimmobilien (GVBP) – hat laut einer parlamentarischen Anfrage aus dem August bisher nur 91 Gebäude besichtigt und bei 50 einen Handlungsbedarf festgestellt.
Erwin Weide vom Aktionsbündnis jedenfalls findet, dass sich Bremen trotz seiner gesetzlichen Möglichkeiten nur vertrösten und hinhalten lasse. Die Swisslife treibe ein „unwürdiges Spiel mit der Baubehörde“ und verzögere die vollständige Sanierung „bewusst und systematisch“.
Man könnte, schreibt Weide in einer Antwort an die Baubehörde, „beinahe zu der Auffassung gelangen, das […] vom Baustaatsrat erwähnte ‚mildeste Mittel‘ sei das Nichts-Tun.“ Das Parlament möge jetzt handeln – um den Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ mit Leben zu füllen.
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