Umstrittene Co2-Speicherung: Unterirdische Abgaswirtschaft
Auch CO2 aus Gaskraftwerken darf künftig im Erdboden gespeichert werden, hat der Bundestag beschlossen. Die Gasspeicherumlage wird abgeschafft.
taz Kanzler Friedrich Merz hatte bei seinem Amtsantritt einen „ehrlichen Kassensturz“ angekündigt: „Wir hinterfragen alle Ausgaben, insbesondere die Subventionen.“ Und obwohl dieser Kassensturz ergab, dass es erhebliche Lücken im Bundeshaushalt gibt, hat die schwarz-rote Koalition an diesem Donnerstag eine neue Subvention beschlossen: Mit einer Änderung im Energiewirtschaftsgesetz schaffte sie die sogenannte Gasspeicher-Umlage ab.
Weil in der kalten Jahreszeit mehr Erdgas verbraucht wird, betreiben die Energiekonzerne Speicher – zumeist unterirdisch. Die Kapazität liegt in Deutschland bei etwa 23 Milliarden Kubikmetern, was etwa einem Viertel des deutschen Jahresverbrauches entspricht. Bislang wurde der Betrieb dieser Speicher von jenen Menschen und Betrieben honoriert, die Erdgas nutzen; aktuell kostet das 0,289 Cent je Kilowattstunde, in einem Durchschnittshaushalt sind das etwa 40 Euro pro Jahr. Doch ab Januar kommt das Geld nun aus dem Staatshaushalt: 3,4 Milliarden Euro.
Auf den Weg gebracht hatte das Gesetz Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Die war vor ihrem Amtsantritt Chefin des Energiekonzerns Westenergie. Die Tochter des ehemaligen Fossil-Riesen Eon betreibt auch 38.000 Kilometer Gasnetz. Die Gasspeicherumlage wurde im Oktober 2022 eingeführt, nach dem Lieferstopp von russischem Gas.
Die Opposition hat Kritik an der Gesetzesänderung: „Das Geld kommt aus dem Klima- und Transformationsfonds, wenn damit alte Gasrechnungen bezahlt werden, so widerspricht das dem Zweck des Fonds“, sagte der linke Sprecher für Energiepolitik Jörg Cezanne. Und Julia Verlinden, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen, kritisierte: „Mit so viel Geld könnten sie jede Kita in Deutschland mit einer Wärmepumpe ausstatten.“ Die Abschaffung der Umlage wurde am Donnerstag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen angenommen, die Linke enthielt sich.
Ebenfalls beschlossen wurde im Parlament das umstrittene CCS-Gesetz. Die Abkürzung stammt aus dem Englischen für „Carbon Dioxide Capture and Storage“, bezeichnet wird damit die Trennung von Treibhausgasen aus Industrieanlagen oder Kraftwerksschloten, um das Gas dann zu verflüssigen und unterirdisch einzuspeichern. Quasi als Endlager: Die Atmosphäre kann so um etliche Mengen Treibhausgas entlastet, die Klimaerhitzung abgebremst werden.
In Norwegen bereits Realität
In Norwegen ist das bereits Realität, mit dem „Northern Lights“-Projekt auf einer Inselkette vor der Stadt Bergen. In Deutschland aber fehlte dafür bislang eine gesetzliche Grundlage, das aktuelle Gesetz aus dem Jahr 2012 sieht lediglich Pilotprojekte vor. Mit dem neuen Gesetz kann nun aber unter der Nordsee in porösen Gesteinsschichten oder ausgebeuteten Erdgaslagerstätten verflüssigtes Kohlendioxid eingelagert werden.
Die SPD hatte sich lange gesträubt gegen den Entwurf, Beschlusslage der Sozialdemokraten war, dass nur „unvermeidbares Kohlendioxid“ verpresst werden sollte – also beispielsweise aus der Chemie- oder Zementindustrie. Das jetzt geltende Regelwerk steht aber auch Gaskraftwerken offen. „Koalitionsverträge enthalten immer schmerzliche Kompromisse“, erklärt Helmut Kleebank, bei der SPD für das Thema zuständig, gegenüber der taz. Die Union habe sich beim Thema „CCS für Gaskraftwerke“ durchgesetzt, „und wir halten uns an die Verabredung“, sagte er.
Allerdings muss das Gesetz noch durch den Bundesrat. Die Bündnisgrünen, die in sieben Ländern mitregieren, können dort alleine das Gesetz zwar nicht aufhalten, kritisieren aber die Öffnung für die Gaskraftwerke: „Das gefährdet die Akzeptanz“, erklärte Tobias Goldschmidt, grüner Energieminister in Schleswig-Holstein. Allerdings ist diese Kritik wohlfeil: Vor Jahresfrist war das CCS-Gesetz der Ampelregierung schon einmal abstimmungsreif, scheiterte damals aber, weil der grüne Ex-Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Gaskraftwerke mit einbeziehen wollte.
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