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Regel für Menschenrechte in LieferkettenEin Gesetz für 150 Firmen

Nach jüngsten Plänen der Konservativen würden nur noch wenige deutsche Unternehmen dazu verpflichtet, auf Menschenrechte in der Lieferkette zu achten.

Mine Cobre Panamá: Im Februar 2025 reichten NGOs Beschwerde gegen Hamburger Konzern Aurubis wegen Umweltverschmutzung ein Foto: Enea Lebrun/reuters

Berlin taz | Sollten die geplanten Abschwächungen der EU-Lieferkettenrichtlinie in Brüssel angenommen und in Deutschland umgesetzt werden, würden nur noch 150 statt bisher 5.200 Unternehmen in Deutschland von den Regeln betroffen sein. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken hervor, die der taz vorliegt.

Die Richtlinie verpflichtet große Firmen, ihre Lieferketten zu verstehen und zu analysieren, ob Menschenrechte oder Umweltstandards verletzt werden. Die Firmen müssen dann Maßnahmen ergreifen, diese zu verhindern – und auf Beschwerden reagieren.

Deutschland hatte unter der Ampelregierung dazu beigetragen, dass die Regeln erneut für Verhandlungen aufgemacht wurden. Die EU-Kommission will unter anderem die zivile Haftungsmöglichkeit für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen streichen und die Anzahl der Unternehmen begrenzen, für die das Gesetz gilt. Nach den jüngsten Plänen, die die EU-Staaten im Rat billigten – und die neue schwarz-rote Bundesregierung mittrug – wären nur noch Unternehmen ab 5.000 Mitarbeitenden verpflichtet.

„Dass die Sorgfaltspflicht für die deutsche Wirtschaft im Ausland nur noch für eine kleine Handvoll von Unternehmen gelten soll, ist Teil des turbokapitalistischen Rechtsrucks und nationalistischen Standortkrieges“, sagte Charlotte Neuhäuser, Sprecherin für globale Gerechtigkeit der Linksfraktion im Bundestag.

„Deutsches Niveau nicht absenken“

Neuhäuser fordert die Bundesregierung auf, sich gegen eine Abschwächung der europäischen Regeln einzusetzen und auch das Niveau der bereits bestehenden deutschen Regeln nicht zu senken. Die zuständige Kontrollbehörde müsse Verstöße von Unternehmen außerdem wirksamer ahnden. Seitdem das deutsche Lieferkettengesetz 2023 in Kraft getreten ist, wurden laut Bundesregierung nur eine Anordnung an ein Unternehmen ausgesprochen, um Menschenrechtsverstöße zu beseitigen. Es wurden noch keine Sanktionen verhängt oder Verwarnungen ausgesprochen.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat wiederholt angekündigt, die Regeln abschaffen zu wollen. Diese Forderung für das deutsche Lieferkettengesetz schaffte es auch in den Koalitionsvertrag. In der Antwort auf die kleine Anfrage der Linken hält sich die Bundesregierung allerdings weiterhin bedeckt, was die Pläne zur Umsetzung der europäischen Vorgaben angeht. Diese würde nach „Abschluss der Verhandlungen auf europäischer Ebene und unter Beachtung des Koalitionsvertrags bürokratiearm sowie vollzugsfreundlich“ umgesetzt werden.

Am Montag stimmt der Rechtsausschuss im Europaparlament über die Änderungen der Liefrkettenrichtlinie ab. Die Entscheidung gilt als richtungsweisend für die Abstimmung im Parlament. Dann wird sich zeigen, ob die konservative EVP mit Links-Grün einem Kompromiss zustimmt oder mit den Ultrarechten noch weitere Abschwächungen durchsetzt. Danach müssen noch die Mitgliedstaaten im Rat und die EU-Kommission zustimmen.

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7 Kommentare

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  • Menschenrechte gelten ja nur für uns und nicht für andere, aber das ist doch egal, Hauptsache wir bekommen unsere Schokolade sehr preiswert, egal ob das Produkt mit Kinderarbeit, die bei uns zurecht verboten ist, hergestellt wurde oder nicht, das sind ja nur die Kinder anderer Familien. Unser Land ist nur noch verabscheungswürdig samt ein Großteil der Bevölkerung, diese kranke Doppelmoral und dreckige Heuchelei, von wegen wir stehen für Menschenrechte ein, das ist noch nicht mal mehr das Papier wert auf dem es steht, ist nicht mehr zu ertragen, und diese Menschenverachtende Handlungen sind in der Praxis möglich für unsere doch so tolle Unternehmen und das unter dem Banner unserer Verfassung, die wir doch alle so sehr Schätzen und Ehren.

  • Ich bin mal gespannt wenn ein Lieferland die Kette bis nach Deutschland verfolgt und dort Mißstände anklagt. Aber das ist natürlich völlig ausgeschlossen.

  • Das grüne Lieferkettengesetz: Wenn Moral zum Exportschlager wird..



    Wieder einmal zeigt Deutschland, wie man die Welt rettet – vom Schreibtisch in Berlin aus. Mit einem Gesetz, das heimische Firmen zu Hilfssheriffs der globalen Gerechtigkeit macht. Weil natürlich jeder Mittelständler zwischen Stuttgart und Flensburg genau weiß, was in einer Kupfermine in Panama oder einer Baumwollspinnerei in Bangladesch passiert.

    Das Ganze nennt sich dann „Sorgfaltspflicht“, klingt edel, kostet Jobs und produziert Bürokratie, von der kein einziger Arbeiter im globalen Süden auch nur einen Cent mehr bekommt. Aber Hauptsache, man kann sich beim nächsten Parteitag auf die Schulter klopfen: Wir haben was für die Menschenrechte getan!

  • Die Menschenrechte stehen ja im Grundgesetz. Da sollte es eigentlich eine Selbstverstāndlichkeit sein, dass dieses Grundrecht mindestens auch auf die diejenigen Menschen angewendet wird, mit denen Deutschland direkt zu tun hat.



    Aber klar, es ist im Sinne der Konzerne, wenn sie in Afrika oder Sūdamerika wieder Waren einkaufen können, die mittels Slkaven-bzw Kinderarbeit hergestellt wurden, ohne die Gefahr belangt zu werden.



    Zum Beispiel scheint es so zu sein, dass weltweit Kakaobohnen zum großen Teil von Kindern angebaut und geerntet werden. Der geringere Verkaufspreis durch die Kinderarbeit im Vergleich zur vernūnftig bezahlten Arbeit wird natürlich nicht an die Kunden weitergegeben, sondern bleibt als Gewinn im Konzern hāngen!



    Mein Vorschlag:



    Die Herstellungsbedingungen müssten zwingend deutlich sichtbar auf die Verkaufsverpackung!

    Beispiel Schokolade: "wurde mittels Kinderarbeit unter Einsatz folgender in D verbotener Pestzide hergestellt!"

  • Rein von der Theorie her ist das Lieferkettengesetz natürlich erstrebenswert, in der Praxis allerdings nicht nachhaltig, wirtschaftlich oder ehrlich realisierbar.

    1. Es werden Zertifikate, Kontrollen oder Nachweise verlangt, die in vielen Herkunftsgebieten so überhaupt nicht nach europäischen Rechtsstandard mangels Strukturen erbracht werden können bzw. einfach gegen etwaige "Gebühren" von offizieller Stelle erlangt werden können.

    2. Bei Firmen oder Anbietern, die in einem globalen Kontext agieren führt der zusätzliche Aufwand (der je nach Branche immens sein kann) zu klaren Wettbewerbsnachteilen, insbesondere, wenn der Wettbewerb Vorprodukte zur Umgehung des Lieferkettengesetzes ausserhalb der EU produziert und dann erst in die EU eingeführt werden.

    3. Nur bei den großen Unternehmen gibt es administrative Plansstellen / Abteilungen mit ausreichender Kapazität (wie z.B. auch juristische Abteilungen) um das LKG inhouse umzusetzen. Alle anderen U müssen dafür zusätzliche Stellen einrichten und ggf. externe Dienstleister einbinden um die Anforderungen des LKG rechtssicher umsetzen zu können - erwähnt sollte hierbei, dass Detailfragen oftmals rechtlich komplett unklar sind.

  • Seit 2023 wurde aufgrund des Lieferkettengesetzes nur eine Anordnung ausgesprochen und keinerlei Sanktionen oder Verwarnungen ausgesprochen.



    Das bedeutet dass es entweder keine relevanten Probleme in den Lieferketten gibt oder das Gesetz wirkungslos ist.



    Dafür haben wir ein Bürokratiemonster geschaffen. Das Lieferkettengesetz verursacht Aufwand in der Industrie und zerstört unseren Wohlstand ohne dass es irgendwo auf der Welt eine relevante positive Wirkung hat.



    Dieses Gesetz muss schnellstmöglich weg.

    • @MK:

      Erinnert ein wenig an den ISO-Wahn vor einigen Jahren. Da haben einige Unternehmen Geld verdient, weil sie ein Zertifikat ausstellen durften, dass das zertifizierte Unternehmen nach Prozessen arbeitet. Ob diese Prozesse gut oder schlecht sind, war egal. Hauptsache sie waren irgendwo beschrieben.