Kommentar von Uwe Rada zu den Auswirkungen der Volksentscheide: Das große Zittern bei Schwarz-Rot
Das Manöver ist durchschaubar. Noch im Juli hatte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) den Gesetzentwurf des Volksbegehrens Baumentscheid abgelehnt. Vor einer Woche nun hat er angekündigt, auf die Initiative zugehen zu wollen. Was ist da los?
Und was treibt Steffen Krach an, den Spitzenkandidaten der SPD für die Wahl zum Abgeordnetenhaus im kommenden September? Mit ihm werde es keine Enteignungen geben, hatte er erklärt, kaum hatte ihn seine Partei zum Frontmann gemacht.
Nun aber will Krach mit der Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen das persönliche Gespräch suchen.
Weder Wegner noch Krach ist ein solcher politischer Sinneswandel abzunehmen. Das zumindest legte die Debatte am vergangenen Donnerstag im Abgeordnetenhaus nahe. Bäume statt Parkplätze? „Das wird es mit der CDU nicht geben“, sagte deren umweltpolitischer Sprecher Danny Freymark.
Und auch in der SPD gab es bislang wenig Sympathie für die Vergesellschaftung großer privater Wohnungskonzerne. Stattdessen lautete das Mantra seit Jahren unisono: Bauen, bauen, bauen. Dass CDU und SPD nun beide ein paar Kehrtwenden einlegen, ist eher ein Hinweis darauf, dass in der schwarz-roten Koalition das Zittern vor einem Wahlerfolg der Opposition begonnen hat.
Die Angst ist berechtigt – und die beiden großen Volksentscheide spielen dabei eine wichtige Rolle. Wer die Schnauze voll hat vom Rückabwickeln der Verkehrswende, wird womöglich, sollte es zu einem Volksentscheid kommen, sein Kreuz beim Baumentscheid machen – ohne auf die Kosten von 7 Milliarden Euro bis 2040 zu schauen.
Gleiches gilt für die Vergesellschaftung von Wohnraum. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Wählerinnen und Wähler dem Mietenwahnsinn ein Stoppschild entgegenhalten. Was hat denn Schwarz-Rot in Sachen Wohnungspolitik vorzuweisen außer einen erfolglosen und mehr und mehr überfordert wirkenden Bausenator Christian Gaebler (SPD)?
Uwe Rada
ist Redakteur für Stadtentwicklung.
CDU und SPD sind also ein Jahr vor der Wahl nervös geworden. Allerdings scheint SPD-Spitzenkandidat Krach geschmeidiger zu agieren als der CDU-Mann im Roten Rathaus. Schon in einem seiner ersten Interviews hat er auf das Thema Verkehr gesetzt, hat mehr Fahrradwege und einen besseren ÖPNV gefordert.
Kai Wegners plötzliches Umarmen der Bäume ist dagegen purer Populismus.
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