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Wer bekommt wie viel vom Cappuccino?

Ob Kakao oder Tropenfrüchte: Der Anbau erfolgt im Globalen Süden, das Gros der Gewinne streichen Konzerne im Norden ein. Die Fairchain-Bewegung will das ändern

Von Frank Herrmann

Täglich werden weltweit über 2,2 Milliarden Tassen Kaffee getrunken. Kaffee ist nicht nur eines der wichtigsten Handelsgüter, sondern mit 163 Litern pro Kopf und Jahr auch das beliebteste Heißgetränk der Deutschen. Doch kaum jemand fragt: Wer verdient daran? Wie auch bei Kakao, Zucker und Tropenfrüchten ist die Wertschöpfung extrem ungleich verteilt. Der Anbau erfolgt im Globalen Süden, das Gros der Gewinne entsteht bei multinationalen Konzernen und großen Supermarktketten im reichen Norden – beim Kaffee durch Rösten, Mahlen, Verpacken und dem Vertrieb.

Während der Cappuccino hierzulande immer öfter 5 Euro oder mehr kostet, landen davon bei den Pflückerinnen und Pflückern nur wenige Cent. Der Faire Handel konnte daran bisher nur begrenzt etwas ändern. Höhere Preise und Prämien helfen, doch oft betrifft das nur einen kleinen Teil der Ernte. Der Rest wird meist zu niedrigeren Weltmarktpreisen verkauft. Selbst die zuletzt stark gestiegenen Rohkaffeepreise bringen keine Entlastung, da sie mit Ernteverlusten und Klimarisiken wie Dürren, Starkregen oder Frost einhergehen. Würden zudem Familienmitglieder und Wanderarbeiter fair entlohnt, wäre Kaffee noch deutlich teurer – und die Schieflage noch sichtbarer.

Die Fairchain-Bewegung will diesen Status quo ändern. Ihr Ansatz: Produzentinnen und Produzenten übernehmen Verarbeitungsschritte wie Rösten, Mahlen und Verpacken selbst. So bleibt mehr Wertschöpfung im Ursprungsland, Arbeitsplätze entstehen, Einkommen steigen, der Zugang zu Gesundheitsfürsorge wird ermöglicht, die Infrastruktur verbessert sich und Abhängigkeiten sinken.

Doch der Anspruch „Wandel durch Handel“, stößt auf strukturelle Barrieren. Zwar erhebt die EU auf Rohkaffee keine Zölle, wohl aber bis zu 7,5 Prozent auf Röstkaffee und 9 Prozent auf entkoffeinierten Röstkaffee – ein klarer Wettbewerbsnachteil für Kaffeeländer, die keine Zollpräferenz abbekommen haben.

Hinzu kommen infrastrukturelle Defizite in den Ursprungsländern: unzuverlässige Energieversorgung, schlechte Transportwege, fehlende Kühlketten. Auch politische Instabilität, mangelndes Know-how, teure Zertifizierungen und die Marktmacht westlicher Abnehmer erschweren den Aufbau eigener Wertschöpfungsketten. Konsumgewohnheiten im Norden tun ihr Übriges: Kundinnen und Kunden sind meist stärker an Markenimage und Geschmack gebunden als an faire Produktionsbedingungen.

Fairer Handel 2.0

Das alles hält Pionierunternehmen der Fairchain-Bewegung nicht davon ab, diese Form des Fairen Handels 2.0 umzusetzen. So wirbt der Fairchain-­Pio­nier Moyee auf seinen Kaffeeverpackungen mit World’s First Fairchain Coffee. Sein Ziel: 50 Prozent für die Bauern in den Ursprungsländern und 50 Prozent für die Länder, in denen Kaffee konsumiert wird. Bei der Marke „Angelique’s Finest“ der Kaffee-Kooperative handelt es sich um einen komplett von Frauen verarbeiteten Kaffee aus Ruanda. Dadurch konnte der Verdienst der Frauen pro verkauftem Kilogramm Kaffee um über ein Drittel gesteigert werden.

Die Schokoladen von fair­afric sind 100 Prozent „Made in Afrika“. Durch die Produktion vor Ort in ihrer modernen, solarbetriebenen Fabrik bleiben 1,49 Euro statt 0,15 bis 0,20 Euro pro Tafel in Ghana. Und die französische Fairhandelsorganisation Ethiquable, die ausschließlich mit kleinbäuerlichen Genossenschaften zusammenarbeitet, lässt ihre Ananas in Madagaskar ernten und vor Ort in Dosen abfüllen.

Noch weiter geht Gebana: Das Schweizer Fairhandelsunternehmen lässt nicht nur, wo möglich, im Ursprungsland verarbeiten, etwa Mangos in Burkina Faso oder Kakao in Togo. Sondern zahlt den Bauernfamilien zusätzlich zu Einkaufspreis, Bio- und Fairtrade-Prämien noch 10 Prozent des Verkaufspreises einer wachsenden Anzahl Produkte im Onlineshop – insgesamt 1,84 Millionen Euro im Jahr 2024.

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