das wird: „Den Rassismus erfahren sie von Lehrern“
Jugendliche bringen mit dem Stück „Zimmer frei!“ in Bremen auf die Bühne, was sie bewegt
Interview Benno Schirrmeister
taz: Wer oder was verbirgt sich hinter dem „Ensemble Z“, Mirjam Dirks?
Mirjam Dirks: Das ist eine Jugendtheater- Gruppe. Die hat sich während Corona gebildet, aus Kontakten der Kindertheater-Gruppe, die wir an der Nordstraße in Bremen-Walle schon sehr lange betreuen. Das ist sehr familiär: Mittlerweile haben wir Kinder da, deren Eltern schon in der Gruppe gespielt hatten.
taz: Während Corona gegründet …?
Dirks: Ja, das passte einerseits gar nicht, aber andererseits sehr gut: Die Jugendlichen waren so ein bisschen lost, die hatten Leerlauf. Also haben wir gesagt: Umso mehr müssen wir etwas mit ihnen tun. Dann haben wir mit allem, was damals erlaubt war, gearbeitet, also Proben mit Abstand und mit Maske im Freien, viel Videoaufnahmen … Da ist unsere erste Produktion entstanden, die wir am Moks im Bremer Theater gespielt haben.
taz: „Zimmer frei“ führen Sie bewusst nicht im Moks, sondern im Theater im Volkshaus auf?
Dirks: Genau. Ein paar Termine stehen jetzt schon fest, wir hoffen, dass noch mehr möglich sind. Mit dem Stück hier im Westen aufzutreten, das ist uns wichtig: Die Kinder und Jugendlichen haben oft das Gefühl, sie müssten in die Innenstadt fahren, nur da ist es cool, und nur da ist es relevant, wenn sie Theater spielen. Dem wollen wir was entgegensetzen, zusammen mit anderen Akteuren der Kulturszene hier.
taz: Der Bremer Westen: Das sind Stadtteile, wo die weniger finanzkräftigen Familien leben.
Dirks: Genau, Walle und Gröpelingen.
taz: Das Stück basiert auf den Erfahrungen der Jugendlichen von dort. Und es handelt von Rassismus.
Stückentwicklung „Zimmer frei!“, Ensemble Z, 27. 9. 19 Uhr, 28. 9., 18 Uhr, sowie 2. 10., 10 Uhr, weitere in Vorbereitung und auf Anfrage. Theater im Volkshaus, Hans-Böckler-Str. 9, Bremen. Reservierungen unter info@opuseinhundert.com
Dirks: Ja. Unsere Jugendlichen leben hier, und ein großer Teil von ihnen hat einen Migrationshintergrund, einige sind geflüchtet. Das Thema Rassismus und Diskriminierung hatten wir nicht ansteuern wollen. Das kam von ihnen. Wir fragen die Jugendlichen immer offen: Was sind eure Themen? Und da kamen immer wieder so Sachen raus, was sie in der Schule an Rassismus erleben.
taz: Von den Mitschüler*innen?
Dirks: Nein. Vor allem von Lehrkräften. Den meisten Rassismus erfahren sie von ihren Lehrern. Das hat uns ganz schön erschüttert. Und da haben wir gesagt: Gerade angesichts dieses starken Rechtsrucks – wir müssen dieses Thema jetzt anpacken. Das fanden die Jugendlichen auch. Das war ihnen wichtig.
taz: Und Sie haben dann Interviews mit ihnen geführt, um das Stück zu entwickeln?
Dirks: Wir erarbeiten unsere Stücke in einem langen, offenen Prozess: Wir reden, wir improvisieren und dann schreibe ich was, lasse es die Jugendlichen lesen, dann sprechen wir darüber, ob das so passt? Wenn nein, dann ändern wie es gemeinsam mit den Jugendlichen.
taz: Titel und Setting erinnern an eine TV-Spielshow.
Dirks: An die haben wir, ehrlich gesagt, gar nicht gedacht.
taz: Es geht jedenfalls um die Bewerbung um ein WG-Zimmer. Warum so weit weg vom schulischen Kontext?
Dirks: Das Thema ist eigentlich: Jemand sucht einen Platz in der Gesellschaft, in der unterschiedliche Menschen mit verschiedenen Lebensentwürfen zusammenkommen. Abgesehen davon, dass gerade eine Spielerin tatsächlich verzweifelt ein Zimmer, gern in einer WG, sucht, ist das für uns auch ein Symbol, das ermöglicht zu fragen: Wo werde ich angenommen? Wie muss ich mich dafür bewerben? Was führt dazu, dass ich da raussortiert werde? Dafür haben wir Charaktere entwickelt.
taz: Sie?
Dirks: Nein, die Jugendlichen selbst legen fest, welchen Charakter, welche Rolle sie spielen wollen. So ergibt sich, dass ein Junge, der aus Syrien geflüchtet ist, einen AfD-Sympathisanten spielen wollte, der wirklich hart rechte Sachen vertritt. Er war zuerst in Thüringen gewesen, bevor er nach Bremen kam, und er hat sich notgedrungen viel mit der AfD beschäftigt: Das hatte ihn sehr erschüttert. Und dann hat er gesagt: Das spiele ich. So einen Typen will ich mal spielen.
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