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Karol NawrockiVom Newcomer zum Präsidenten

Karol Nawrocki ist der neue Präsident in Polen. Was von dem PiS-nahen Historiker erwartet wird.

Karol Nawrocki: Noch ist der neue Präsident eine Blackbox Foto: Pawel Supernak/PAP/dpa

Historiker, Ex-Boxer, Trump-Fan und seit heute: Polens neuer Präsident. Der 42-jährige Karol Nawrocki ist ein politisch unbeschriebenes Blatt und gewann überraschend die Präsidentschaftswahl Anfang Juni. Mit knappen 50,89 Prozent der Stimmen setze er sich gegen den erfahrenen Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski durch. Heute früh wird er als Präsident für eine Amtszeit von fünf Jahren vereidigt. Doch was kann von ihm erwartet werden?

Nawrocki gilt als selbstbewusst, mit antideutschem Zungenschlag, und spielt sich gern als Verteidiger polnischer Interessen auf. „Polen zuerst“ war einer seiner Wahlkampfslogans.

Der in Danzig geborene Historiker war von 2017 bis 2021 Direktor des Danziger Museums des Zweiten Weltkrieges. Außerdem war er ab 2009 für die Danziger Zweigstelle des Instituts für Nationales Gedenken tätig. Dessen Warschauer Zentrale leitete er seit 2021 als Direktor. Immer wieder thematisierte er die Rolle Polens in der Geschichte und die Verantwortung der Nachbarstaaten.

Nawrocki weiß sich zu inszenieren und gab sich während des Wahlkamps als bodenständiger Familienvater. „Ich bin einer von euch, einer wie ihr, ich bin eure Stimme“, betont er während des Wahlkampfs. Er wuchs im Arbeiterviertel Sielce auf, war als junger Mann erfolgreicher Amateurboxer und arbeitete als Türsteher in einem Luxushotel in Sopot. Während des Wahlkampfs bekannte er sich stolz zu seiner Vergangenheit als Fußball-Hooligan. Ein Image, was nicht bei allen Anklang fand, ihn am Ende aber nicht geschadet hat.

Keine Hoffnung für Reformen

Nawrocki steht für die Politik der rechtspopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Der Vater von zwei Kindern will polnische traditionelle Werte bewahren.

Offiziell ist der Präsident Polen parteilos. Doch die führenden Parteien können Kandidaten vorschlagen und unterstützen. Nawrocki erfuhr Unterstützung von der PiS. Sie ist Polens größte Oppositionspartei und regierte das Land von 2015 bis 2023. Seitdem versucht der frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk mit einem Mitte-links-Bündnis, das Land zurück zu einem Rechtsstaat zu führen.

Denn die PiS-Regierung versuchte verstärkt die Presse und Justiz unter ihre direkte Kontrolle zu bringen und ihre Unabhängigkeit auszuhöhlen. Doch um viele der Reform durchzusetzen, braucht es den Präsidenten. Nawrockis Vorgänger Andrzej Duda sabotierte durch ein Veto oder durch die Weiterleitung des Gesetzes an das von der PiS kontrollierte Verfassungstribunal. Die Hoffnung, dass die Regierung mit dem liberalen Präsidentschaftskandidaten Rafał Trzaskowski einen Unterstützer der Reform an der Seite haben könnte, ist verloren gegangen.

Wie stark sich Nawrocki von der PiS in seinen politischen Kurs reinreden lassen wird, bleibt offen. Besonders auf außenpolitischer Bühne wird zu beobachten sein, wie er seine Kontakte nutzen wird. Er hat gute Verbindungen ins Trump-Lager in den USA, die er sicherheitspolitisch strategisch nutzen könnte. Auch wenn er faktisch kaum Wirkmacht in der Außenpolitik besitzt.

Historische Aufarbeitung

Im Gegensatz zu anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa grenzen sich polnische Parteien rechts der Mitte bewusst von Russland ab. Nawrocki, der als Präsident auch Oberbefehlshaber der polnischen Streitkräfte ist, spricht sich zwar für eine starke Unterstützung der Ukraine aus, doch knüpft er die Hilfen an eine Aufarbeitung historischer Auseinandersetzungen zwischen den beiden Nachbarstaaten.

Als Historiker bedient er sich eines bei polnischen Rechten beliebten Themas: der Aufarbeitung des Wolhynien-Massakers in den vierziger Jahren. Im Zweiten Weltkrieg ermordeten ukrainische Nationalisten Zehntausende Polen – ein bis heute konfliktreiches Thema. Anfang 2025 knüpfte Nawrocki die Zukunft der Ukraine in der EU und Nato an eine Aufarbeitung: „Ein Staat, der nicht die Verantwortung für ein brutales Verbrechen an 120.000 seiner Nachbarn übernehmen kann, kann kein Mitglied internationaler Bündnisse sein“, sagte der konservative Nawrocki gegenüber dem TV-Sender Polsat.

Wie stark sich Nawrocki an seine Aussagen während des Wahlkampfs halten wird, bleibt abzuwarten. PiS-Anhänger mobilisieren derweil in die Haupstadt, um die Vereidigung Nawrockis zu feiern. PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński betont, wie wichtig es sei, den Politikneuling zu unterstützen. Für die Rechtspopulisten ist der Sieg und die Vereidigung ein großes Spektakel, das für einen „Gewinn aller polnischen Patrioten steht.“

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