Nach Bolsonaro-Demos in Brasilien: Oberstes Gericht verhängt strengere Auflagen für Bolsonaro
Der ehemalige brasilianische Präsident Jair Bolsonaro nahm trotz Hausarrest an Demos seiner Anhänger teil. Das hat jetzt Konsequenzen.

Der Konflikt zwischen Brasiliens Oberstem Bundesrichter Alexandre de Moraes und dem ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro spitzt sich zu. In der Befragung zum Putschversuch vom Januar 2023 hatte sich Bolsonaro vor einem Monat noch überraschend zahm gezeigt, keine Schimpfwörter benutzt und sich sogar mehrmals entschuldigt. Dabei ist es aber nicht geblieben. Seit Tagen setzt er sich unverfroren über diverse Einschränkungen hinweg, die Moraes Mitte Juli zusammen mit einer elektronischen Fußfessel gegen ihn verhängt hatte.
Grund für das neue Selbstbewusstsein des angeklagten Rechtsextremen ist die massive Unterstützung des US-Präsidenten. Donald Trump verkündete kürzlich in seinen sozialen Medien, er sehe die „schreckliche Behandlung“, die seinem Politfreund in einem „ungerechten Justizsystem“ widerfahre. Trump forderte: „Dieser Prozess muss sofort enden!“ Tage später verhängte er 50-Prozent-Schutzzölle auf brasilianische Waren.
Gestärkt nahm Bolsonaro vor fünf Tagen trotz Hausarrests demonstrativ an einer sogenannten Motociata in der brasilianischen Hauptstadt teil, einem Event, bei dem zahlreiche Motorräder im Konvoi zur Verteidigung des rechtsextremen Politikers durch das Zentrum Brasílias fuhren. Per live übertragenem Videoanruf zeigte er sich am Sonntag auf Demonstrationen in mehreren brasilianischen Städten. Die Demonstranten forderten unter anderem Amnestie für alle Angeklagten des Putschversuchs.
Am Montag bekam der 70-Jährige nun die Rechnung für seinen Ungehorsam: Die Fußfessel muss er weiterhin tragen, und Alexandre de Moraes weitete den Hausarrest, der bislang nur nachts und für Wochenenden gegolten hatte, auf alle Wochentage aus. Die Maßnahmen gelten zum Ende des Prozesses, bislang ohne Datum. Ausschließlich Ehefrau Michelle und Tochter Laura dürfen das Haus betreten.
Eine Ausnahmegenehmigung bekommen auf Antrag die Anwälte seiner Verteidigung und Hausangestellte. Das Handy des Angeklagten ist bereits von der Bundespolizei beschlagnahmt, seine Kommunikation zur Außenwelt abgeschnitten. Die anderen Haushaltsmitglieder dürfen zwar Handy und Internet benutzen, sollte Bolsonaro sich dieser Geräte allerdings bedienen, könnte der Arrest in Untersuchungshaft umgewandelt werden.
Angriff auf Brasiliens Souveränität
Der Oberste Bundesrichter versteht Bolsonaros Video-Auftritt etwa bei der Demonstration auf der Geschäftsstraße Avenida Paulista als Affront gegen das Gericht und als Material zur Aufstachelung seiner militanten Anhänger. Tatsächlich posteten Tausende Bolsonaro-Fans Videos davon, wie er seine „ungerechte“ Fußfessel präsentiert. Sohn Flavio zeigte zudem, wie sein Vater von zu Hause aus eine Videobotschaft an die Demonstranten schickte.
Die Absicht, das Bundesgericht unter Druck zu setzen, sei klar erkennbar, urteilt Moraes und spricht von einem Angriff auf die Souveränität des Landes und die Unabhängigkeit der Gewalten. Bolsonaros Anwälte zeigen sich „erstaunt“ über die Maßnahmen, da ihr Mandant keinerlei Bestimmungen missachtet habe. Sie kündigten an, Rechtsmittel einzulegen. Das US-Außenministerium verurteilte die Maßnahmen. Und Bolsonaro kann sich wieder einmal als Opfer präsentieren.
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