Verächtliche Worte gegen Sinti und Roma: Richter droht keine Strafverfolgung
Der Vizepräsident des Verwaltungsgericht Gera hatte sich rassistisch gegenüber Sinti und Roma geäußert. Das könnte ohne juristische Folgen bleiben.

Die Staatsanwaltschaft hält Fuchs vor, im August 2019 in einer Facebook-Gruppe eines burschenschaftlichen Netzwerkes mit mehr als 3.000 Mitgliedern vorgeschlagen zu haben, Sinti und Roma als „Rotationseuropäer mit Eigentumszuordnungsschwäche“ zu bezeichnen. In dem Beschluss jetzt hebt die 3. Strafkammer des Landgerichts hervor, dass die „Äußerung“ zwar verächtlich sei, aber nicht strafrelevant. Denn „durch die gegenständliche Äußerung werde die Volksgruppe“ nicht „als unterwertige Wesen charakterisiert“. Der Tatbestand der Volksverhetzung sei so nicht gegeben.
Im Juni 2024 hatte die taz erstmals auf einschlägige Äußerungen des Vizepräsidenten in verschiedenen Chats hingewiesen. Als „Alter Herr“ der Turnerschaft Salia-Jenensis Göttingen wetterte er offensichtlich nicht nur gegen Roma und Sinti. Ein „BeFuchs287“ schrieb: „Jetzt breche ich mal eine Lanze für die Mitteldeutsche Provinz: Wer den Quatsch mit den Migranten nicht haben will, zieht zu uns. Keine 2 % Ausländer“. Außerdem schrieb er: „Wenn ein Lehrer sich anschicken sollte, meinen Kindern vermitteln zu wollen, dass homo- oder transsexuelle Veranlagungen einem heterosexuellen Dasein gegenüber als gleichberechtigt und normal zu beurteilen sind, hat er mich ebenso am Hals wie jene Lehrer, die meinen Kindern zu vermitteln versuchen, dass es in der ‚DDR‘ nicht so schlimm gewesen sei“.
Die Klage hatte die Staatsanwaltschaft im April wegen der öffentlichen „Stellung“ des Beschuldigten beim Landgericht eingereicht, weil dieser auch in Asylverfahren entschied. Zur Zeit ist Fuchs als Referatsleiter im Landesjustizministerium tätig. Katharina König-Preuss, MdL für Die Linke, kann die Entscheidung nicht nachvollziehen, da das Gericht selbst die „diskriminierende Zuschreibung“ einräumte. Sie begrüßte die Beschwerde der Staatsanwaltschaft: „Wer sich öffentlich rassistischer Stereotype bedient – insbesondere solcher, wie sie im Nationalsozialismus zur Verfolgung von Sinti und Roma instrumentalisiert wurden – zeigt, dass er zentrale Prinzipien der Verfassungsordnung nicht verinnerlicht hat“.
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