Meduza-Auswahl 17. – 23. Juli: Der neue russische Stil – Bart und Militärhemd
Das Aussehen kann die Loyalität zum Staat ausdrücken, das legt zumindest ein Trend unter russischen Beamten nahe. Meduza erklärt das Phänomen.

Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Zeit vom 17. – 23. Juli 2025 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Ideologie in Russland: Mit Hingabe für den Staat
Sergej Karaganow ist einer der prominentesten Politikwissenschaftler Russlands – und Gründungsmitglied eines Debattenclubs, an dem Staatschef Wladimir Putin seit mehr als zwei Jahrzehnten regelmäßig teilnimmt. In einem aktuellen Bericht zu „den ideologischen Grundlagen Russlands als Zivilisationsstaat“ argumentiert Karaganow für die Einführung einer Staatsideologie und die Indoktrinierung der Bürgerinnen und Bürger von Kindesbeinen an. Er beschreibt Russland als ein „Reich asiatischer Prägung“, das am besten durch eine „Führungsdemokratie“ mit autokratischen Zügen regiert wird. Und die Russen als ein „gottesfürchtiges Volk“, das in der Lage ist, die Menschheit vor dem „Konsumkult“ zu retten. Im Zentrum von Karaganovs Ideologie steht die Hingabe an den Staat und seinen Führer. Meduza berichtet auf Englisch.
Militärgericht gegen humanitäre Helferin
Seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine 2022 engagiert sich die im russischen Belgorod lebende Nadezhda Rossinskaya für ukrainische Geflüchtete. Doch innerhalb weniger Monate führten ihre Bemühungen zu Drohungen und Druck seitens der russischen Behörden. Schließlich musste sie das Land zeitweise verlassen.
Ende Juni 2025 verurteilte ein Moskauer Militärgericht sie zu 22 Jahren Haft und einer Geldstrafe von 320.000 Rubel (4.100 US-Dollar) wegen Hochverrats, „Unterstützung terroristischer Aktivitäten“ und „öffentlicher Aufrufe zu Handlungen, die die territoriale Integrität des Landes gefährden“. Das unabhängige Journalistenkollektiv Bereg veröffentlichte kürzlich einen ausführlichen Beitrag über das Verfahren gegen Rossinskaja. Meduza publiziert eine gekürzte englische Übersetzung.
Wie russische Beamte ihre Loyalität zum Staat ausdrücken
Der Kreml verlangt von russischen Beamten absolute Loyalität. Und die zeigen sie auch durch ihren Style: Die wichtigsten Elemente des neuen „patriotischen Stils“ sind Bärte, Kokoschniks, eine traditionelle russische Kopfbedeckung für Frauen, und das Gymnastjorka, ein aus strapazierfähigem Gewebe bestehendes Uniformoberteil im Geiste der Stalinzeit. Meduza berichtet auf Russisch über das Phänomen.
Ein Beispiel: Der stellvertretende Stabschef des russischen Präsidialamts Maxim Oreschkin trat stets ohne Bart, stattdessen gepflegt glattrasiert, auf. Doch im Jahr 2022 änderte sich sein Stil: Er ließ sich einen Bart wachsen. Denn – so ein Bekannter Oreschkins zu Meduza – ein Bart gelte nun als russisch.
Wieviel Einfluss hat Russland noch im Südkaukasus?
Russland verliere an Einfluss im Südkaukasus, sagt der rennomierte Russland- und Südkaukasus-Experte Thomas de Waal im Interview: „Die Länder haben Beziehungen in der ganzen Welt geknüpft. Aserbaidschans engster Verbündeter ist die Türkei, Georgien hatte bis vor kurzem starke europäische Beziehungen, und Armenien ist mit Frankreich verbündet. Russland ist nur noch ein Akteur unter vielen“. Er erklärt weiter: „Russland profitiert nicht wirklich von einem bilateralen Friedensabkommen zwischen Armenien und Aserbaidschan. Es ist daher zu erwarten, dass Russland irgendwann versuchen wird, die Möglichkeit eines Abkommens zu verhindern, und auf seiner Beteiligung an der Lösung des Konflikts bestehen wird“.
Das ganze Interview mit de Waal veröffentlicht Meduza auf Russisch.
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