In den sozialen Netzwerken: Trump und Moskau im rhetorischen Atomkrieg
Der US-Präsident reagiert mit Atom-U-Booten auf „provokante Äußerungen“ des russischen Hardliners Dmitri Medwedew. Nur ein verbaler Schlagabtausch?
Da haben sich zwei gefunden: US-Präsident Donald Trump und der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew beharken sich in aller Öffentlichkeit – und führen vor, wie leicht es wäre, Russland und die USA an den Rand einer nuklearen Konfrontation zu treiben.
Am Freitagabend überraschte Trump die Welt mit der Ankündigung, er habe Atom-U-Boote gegen Russland in Stellung gebracht. „Aufgrund der hochgradig provokanten Äußerungen“ Medwedews, so Trump auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social, „habe ich angeordnet, dass zwei Atom-U-Boote in den angemessenen Gegenden positioniert werden, nur für den Fall, dass diese dummen und aufwieglerischen Äußerungen mehr sind als das“. Der US-Präsident fügte in wohl unfreiwilliger Selbstironie hinzu: „Worte sind sehr wichtig und können oft zu unbeabsichtigten Folgen führen – ich hoffe, dies wird kein solches Ereignis sein.“
Vizechef des russischen Sicherheitsrats, ist als Hardliner bekannt. Er hat mehrfach mit Atomschlägen auf europäische Städte und der Vernichtung der Ukraine gedroht. Trump ignorierte das bisher, doch zuletzt reagierte Medwedew persönlich aggressiv auf ihn.
Die Vorgeschichte: Am 14. Juli forderte der US-Präsident Russlands Staatschef Wladimir Putin auf, den Ukraine-Krieg binnen 50 Tagen zu beenden, also bis Ende August. Als daraufhin aber Putin seine Angriffe auf ukrainische Städte erheblich intensivierte, äußerte sich Trump am 28. Juli „sehr enttäuscht“ und verkürzte die Frist auf nunmehr noch „zehn bis zwölf Tage“ – also bis zum kommenden Wochenende.
Russland droht mit Enthüllungen über Trumps Sexleben
Das bewog Medwedew zu Drohungen, die weit über die übliche russische Linie, wonach Moskau sich nicht mit Ultimaten unter Druck setzen lasse, hinausgingen. „Er sollte sich erinnern“, schrieb Medwedew am 28. Juli auf X, an Trump gerichtet: „Erstens ist Russland nicht Israel oder gar Iran. Zweitens ist jedes neue Ultimatum eine Drohung und ein Schritt Richtung Krieg. Nicht zwischen Russland und der Ukraine, sondern mit seinem eigenen Land.“
Damit brachte Medwedew einen direkten Krieg zwischen Russland und den USA ins Spiel. Auf so eine Provokation konnte der US-Präsident nur mit einer noch größeren antworten: die atomare Drohung.
Das hat wiederum angeblich Medwedew weiter herausgefordert. Am Sonntag wurde berichtet, der russische Politiker habe am Vortag mit Enthüllungen über Trumps Sexleben gedroht: „Trump sollte nicht denken, dass das Videoarchiv seiner vergangenen Unmoral nur in den Händen des Mossad ist“, wurde er zitiert. Der Mossad ist der israelische Geheimdienst.
Schon seit Trumps ersten Wahlsieg in den USA 2016 kursieren Gerüchte, der russische Geheimdienst verfüge über kompromittierendes Material über Donald Trump aus seiner Zeit als Unternehmer mit Russlandgeschäften. Trump, so eine Theorie, könnte einst in Moskau mit Prostituierten in eine Falle gelockt worden sein. Oder russische Oligarchen hätten seinen Aufstieg zum New Yorker Immobilienmogul mit finanziert. Mit so etwas könne Moskau jederzeit den US-Präsidenten erpressen, und dies erkläre seine ansonsten irrationale Nachgiebigkeit gegenüber Putin in allen außenpolitischen Belangen. Jüngst ist eine dritte Theorie dazugekommen: Der russische Geheimdienst verfüge über die ominösen „Epstein Files“, die die Mittäter des 2019 in New Yorker Untersuchungshaft verstorbenen sexuellen Serienstraftäters auflisten, und darauf stehe Donald Trump als Pädophiler.
Experten zweifeln an Trumps U-Boot-Fachverständnis
Es ist unklar, ob die Medwedew zugeschriebene Äußerung echt ist. Aber selbst wenn sie erfunden ist: Trump kann da nicht zurückstecken, ohne damit Gerüchte über ihn zu bestätigen. Am Samstag sagte er bereits auf eine Reporterfrage, womit Medwedew ihn denn so „wütend“ gemacht habe: „Er redet über Atome, und wenn man über Atome redet, muss man vorbereitet sein, und wir sind vollkommen vorbereitet“.
Bisher ist all dies bloß ein verbaler Schlagabtausch. Militärexperten wiesen bereits am Freitag darauf hin, dass der US-Präsident offengelassen hatte, was er eigentlich meint: atomar angetriebene U-Boote oder U-Boote mit Atomwaffen? „Und kennt er den Unterschied?“, fragte boshaft der Verteidigungsexperte der britischen Wochenzeitschrift Economist, Shashank Joshi. Trumps ehemaliger Sicherheitsberater John Bolton warnte, eine Stationierung von U-Booten mit atomarer Erstschlagskapazität könnte vom Kreml „falsch verstanden“ werden: „Trump versteht nicht, wie die US-Atom-U-Boot-Flotte der USA funktioniert. Ich hoffe, jemand beim Pentagon erklärt es ihm.“
James Acton vom Carnegie-Friedensforschungsinstitut wies darauf hin, dass die USA ständig vier oder fünf mit Atomwaffen bestückte U-Boote Patrouille fahren lässt. Die gesamte Flotte von 14 solchen U-Booten operiert von zwei Stützpunkten aus, an der Atlantik- und der Pazifikküste der USA; 70 Prozent aller nuklearen Sprengköpfe der USA können von U-Booten abgefeuert werden. Neben den USA besitzen auch Russland, China, Großbritannien, Frankreich, Indien und möglicherweise Nordkorea U-Boote mit Atomwaffen.
Russlands Krieg gegen die Ukraine geht derweil unvermindert weiter. Die russischen Raketenangriffe auf die ukrainische Hauptstadt Kyjiw haben in den vergangenen Tagen ein nie dagewesenes Ausmaß erreicht, mit 31 Toten allein in der Nacht zu Freitag.
Auch an der Front am Boden meldet Russland einen mittlerweile selten gewordenen Erfolg, nämlich die Einnahme der seit über einem Jahr belagerten Frontstadt Tschassiw Jar westlich von Bachmut. Diese war lange ein zentraler Punkt der ukrainischen Verteidigungslinien im Donbass. Russische Kommentatoren ziehen eine Linie von der Eroberung der Stadt Bachmut im Jahr 2023, der Stadt Awdijiwka nahe Donezk im Jahr 2024 und nun Tschassiw Jar im Jahr 2025 als dritten Erfolg im ostukrainischen Gebiet Donezk.
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