Indigene verlieren vor Gericht: Australien schmettert Klimaklage ab
Der Staat muss die Bewohner der Torres-Strait-Inseln nicht gegen die Folgen der Erderhitzung schützen. Das geht aus einem Urteil hervor.

Von den 274 Inseln im äußersten Norden Australiens sind 17 dauerhaft bewohnt. Alle sind durch den steigenden Meeresspiegel, häufigere Sturmfluten und Küstenerosion akut bedroht. Gebäude, Friedhöfe und kulturell bedeutende Stätten werden durch das Meer beschädigt oder zerstört. Vegetation stirbt als Folge des überflutenden Salzwassers ab.
Die Kläger stützten ihre Argumentation auf nationale sowie internationale Menschenrechtsverpflichtungen – insbesondere auf die Aufgabe der Regierung, indigene Gemeinschaften vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Dabei verwiesen sie auf Erkenntnisse des UN-Menschenrechtsausschusses, der festgestellt hatte, dass Australien nicht genug getan habe, um die Rechte der Torres-Strait-Insulaner zu wahren. Das Gericht erkannte zwar die Verletzlichkeit der Region an. Es lehnte die Klage jedoch mit der Begründung ab, dass keine ausreichende rechtliche Grundlage bestehe, um konkrete staatliche Maßnahmen durchzusetzen. Das Fazit des Richters: Klimaschutz durchzusetzen sei Kernpolitik von Regierung und Parlament, nicht der Gerichte.
Für die Kläger ist das Urteil ein schwerer Schlag. „Unsere Kultur, unsere Identität und unsere Zukunft stehen auf dem Spiel“, sagte Yessie Mosby, einer der Hauptkläger. „Wir haben das Gericht nicht nur um Gerechtigkeit für uns gebeten – sondern für alle künftigen Generationen.“ 2023 hatte Mosby im Gespräch mit der taz erklärt: „Der Klimawandel wirkt sich jeden Tag auf unsere Lebensweise aus.“
Weltweit ähnliche Klagen
Beobachter bewerten das Urteil als Rückschritt, jedoch nicht als endgültige Niederlage. „Diese Klage war ein Teil eines größeren globalen Trends: Menschen suchen zunehmend juristische Wege, um Klimagerechtigkeit einzufordern“, sagte Helen Warner, Expertin für Umweltrecht an der University of Sydney Medienvertretern.
Tatsächlich wächst weltweit die Zahl ähnlicher Verfahren. In den Niederlanden und Deutschland haben Gerichte entschieden, dass Staaten ihre Klimaziele verschärfen müssen, um Menschenrechte zu schützen. Die Torres-Strait-Klage fügt sich somit in eine globale Bewegung ein. Zugleich lenkt der Fall den Blick auf eine tiefere Problematik: Die Diskrepanz zwischen internationalem Menschenrecht und nationalem Umweltrecht.
Während internationale Gremien menschenrechtliche Verpflichtungen betonen, fehlen oft die Mechanismen, um diese rechtlich durchzusetzen. Die Kläger kündigten an, mögliche weitere juristische Schritte zu prüfen, auch vor internationalen Gerichten. Zudem fordern sie verstärkte Unterstützung. Dazu gehören der Bau von Schutzwällen und langfristige Maßnahmen zur kulturellen Bewahrung.
Die australische Regierung steht zunehmend unter Druck, ihre Klimaziele an den Pariser Verpflichtungen auszurichten und die Bedürfnisse indigener Gemeinschaften stärker zu berücksichtigen. Die sozialdemokratische Regierung von Premierminister Anthony Albanese besteht aber darauf, den Abbau klimaschädigender Kohle und Erdgas weiter zu fördern. Australien ist der weltweit drittgrößte Kohleexporteur.
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