Neues Album von Mourning [A] BLKstar: Die verbindende Kraft des Funk
Das Kollektiv Mourning [A] BLKstar mischt Gospel mit Blues, Jazz mit HipHop, Funk mit Elektronik. Ihre Musik klingt zeitlos und zukünftig zugleich.
![Die sieben Musiker von Mourning [A] BLKstar stehen vor einer getünchten Wand. Die sieben Musiker von Mourning [A] BLKstar stehen vor einer getünchten Wand.](https://taz.de/picture/7788099/14/Primary-photo-color-band-photo-by-Emmanuel-Wallace-1.jpeg)
Trauer und Erinnerung gehören zu den grundlegenden Themen in der Musik. Die siebenköpfige US-Band Mourning [A] BLKstar aus Cleveland, Ohio, trägt das Beklagen schon in ihrem Namen. Tatsächlich steht am Beginn ihrer Bandexistenz ein Trauerfall. Ein befreundeter Kollege von Sänger und Rapper, RA Washington, wurde 2015 erschossen. Als Reaktion auf den Mord gründet der Produzent mit Sängerin LaToya Kent das generationsübergreifende Kollektiv Mourning [A] BLKstar.
Trotz der tragischen Umstände geht es der Band nicht um fortgesetzte Trauerarbeit. Das macht der zweite Teil ihres Namens deutlich, der sich als Anspielung auf die Black Star Line (1919–1922) von Panafrikanist Marcus Garvey verstehen lässt, eine Reederei, die Schwarze aus den USA über den Atlantik nach Westafrika bringen sollte. Und der Titel des neuen Albums „Flowers for the Living“, das pünktlich zum zehnjährigen Bestehen der Band veröffentlicht wurde, ist tief in der Gegenwart verankert. Er weist darauf hin, dass Menschen und ihre Leistungen schon zu Lebzeiten gewürdigt werden sollen und nicht erst rückblickend nach ihrem Tod.
Der Sound des Septetts ist tief verwurzelt in der langen Tradition Schwarzer Musik. Mourning [A] BLKstar mischen Gospel mit Blues, Jazz mit HipHop, Funk mit Elektronik. Auf diese Weise klingt ihre Musik zeitlos und zukünftig zugleich – „Ancient//Future“ – wie ein Mixtape der Gruppe in Anlehnung an das Credo der frei improvisierenden Jazzcombo Art Ensemble of Chicago heißt: „Great Black Music, Ancient to the Future“.
Auf Improvisation basieren auch die zehn Stücke von „Flowers for the Living“. Für das neue Album ist die Gruppe ohne vorgeprägte Songideen ins Studio gegangen, die Lieder wurden erst während der Aufnahmen zusammen entwickelt. Das verleiht den neuen Stücken große Offenheit, wobei die Musik zugleich in sich geschlossen wirkt.
Mourning [A] Blkstar: „Flowers for the Living“ (Don Giovanni/Import)
Live: 9. 7., Bix Jazzclub, Stuttgart, 12. 7., Kulturbunker, Aachen, 16. 7., Nica Jazzclub“, Hamburg, 23. 7., Kulturladen, Konstanz, wird fortgesetzt
Den Ton setzt „Stop Lion 2“: Am Anfang klickert eine alte Rhythmusmaschine los, wie sie auch Sly Stone benutzt haben könnte, der Bass lugt grimmig um die Ecke, das Schlagzeug schiebt den Beat an, die Trompete stößt Warnsignale aus. Der wechselseitige Gesang, bei dem die Bandmitglieder LaToya Kent und James Longs vom Southern-Rocker Lee Bains unterstützt werden, mahnt zur Einheit in einer Welt aus Lügen und Betrügereien.
Verschleierung der Wahrheit
Politisch eindeutiger von der Textaussage ist „Lil’ Bobby Hutton“, das dem jungen Black-Panther-Aktivisten gewidmet ist. Hutton wurde 1968 im Alter von siebzehn Jahre brutal von Polizisten in Kalifornien erschossen, die behaupteten, er habe fliehen wollen. Angelehnt an ein Funk-Stück aus jener Zeit mit Schlagzeug-Breaks und Bläsersalven singt James Longs hier mit von Angst getriebener Stimme über die Verschleierung der Wahrheit.
„Flowers for the Living“ endet mit dem von einer schwellenden Gospel-Orgel getragenen Stück „Choir A’light“, einem Glaubensbekenntnis für Menschlichkeit und gegen Ausbeutung: „We believe / We utter in the name of flesh and blood / This world holds loot / For just a few.“
Erlösung in einer anderen Welt, wie es die Gospelmusik verspricht, bieten Mourning [A] BlKstar nicht an, dafür einen schonungslosen Blick auf die Probleme des Diesseits als ersten Schritt zu ihrer Lösung. Und das Vertrauen in die verbindende Kraft der Musik im gemeinsamen Spielen und Hören.
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