Salafisten-Veranstaltung an der Uni Kiel: Wer hat's verbockt?
Bei der Islamwoche an der Uni Kiel sprach ein Salafist und es gab offenbar Geschlechtertrennung. Nun diskutierte der Bildungsausschuss die Vorwürfe.

Vom 4. bis 9. Mai hatte die Islamische Hochschulgruppe (IHG) zu mehreren Veranstaltungen in die Kieler Uni geladen. Ab Anfang Juni gab es erste kritische Berichte dazu. Zunächst meldeten die Kieler Nachrichten, dass mit Sertac Obadas ein Salafist als Redner aufgetreten war.
In den Wochen darauf kamen weitere Vorwürfe auf: So hat es offenbar bei mehreren Vorträgen geschlechtergetrennte Eingänge und Sitzbereiche gegeben – Frauen mussten hinten im Hörsaal Platz nehmen. Auch salafistische Schriften sollen auf dem Büchertisch zur Veranstaltung angeboten worden sein. Salafismus ist eine ultrakonservative Strömung des Islam, die der Verfassungsschutz für nicht vereinbar mit demokratischen Grundwerten hält.
Dass die Islamwoche überhaupt bewilligt wurde, lag auch daran, dass die IHG der Hochschule bei der Anmeldung noch keine konkreten Referenten nennen musste. Der Vortrag mit dem alles- und nichtssagenden Titel „Der Koran – die ewige Herausforderung“ konnte kaum negativ auffallen.
Geschlechtertrennung wurde vorab angekündigt
Zumindest im öffentlichen Teil der Ausschusssitzung gelingt es nicht, alle offenen Fragen zu klären: Die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen, heißt es mehrfach. Bisher scheint der Hochschule nicht einmal gewiss, dass die Geschlechtertrennung beim Vortrag tatsächlich strikt durchgezogen wurde: Der CAU liegen weder die Namen von Augenzeug*innen vor noch kennt sie Fotos oder Videoaufnahmen von der Veranstaltung.
Der Vorsitzende der IHG hatte später in einer Stellungnahme erklärt, dass die getrennten Sitzbereiche nur ein Angebot gewesen seien – auch einen gemischten Bereich habe es gegeben. Ganz plausibel bleibt diese Erklärung nach der Ausschusssitzung nicht: Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) zitiert den Verfassungsschutz, der offenbar schon vor der betroffenen Veranstaltung beobachtet hatte, dass in den sozialen Medien eine obligatorische Geschlechtertrennung für den Vortrag angekündigt wurde.
Hochschulleitung gerät in Kritik
Vor allem die Hochschulleitung geriet während der Ausschusssitzung in die Kritik der Abgeordneten. Zuvor hatte die Uni in einem Statement geäußert, man werde prüfen, wie in Zukunft Veranstaltungen bewilligt werden könnten.
Doch im Bildungsausschuss machte Vizepräsidentin Catherine Chleophas klar: Abrücken könne man von der bisherigen Praxis nicht: „Wir haben gar nicht die Kapazität, von jeder Veranstaltung die komplette Rednerliste zu prüfen“, so Chleophas. Jette Waldinger-Thiering vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW) kritisierte das: „Wenn die CAU nicht überblicken kann, was für Veranstaltungen auf dem Campus stattfinden, dann beunruhigt mich das zutiefst.“
Kaum Krisenkommunikation bei Social Media
Der Abgeordnete Patrick Pender (CDU) warf der Uni vor allem kommunikatives Versagen vor: Seit Bekanntwerden der Vorwürfe habe sie zwar eine öffentliche Stellungnahme verfasst, in den sozialen Medien aber sei man auf keinen der zahlreichen Kommentare eingegangen und habe auch das eigene Statement nicht geteilt.
„Ich wünschte, wir hätten die Mittel, um auf Social Media auf alle Diskussionen zu reagieren“, verteidigte Chleophas die Hochschule. Das ließ Pender nicht gelten: „Sie haben hervorragend aufgestellte Social-Media-Kanäle, allein bei Instagram sind seit dem Vorfall 93 Posts mit hochwertigem Content gestellt worden“, so der CDU-Abgeordnete. „Dort wird alles Mögliche verhandelt – aber kein einziges Sharepic zum meistdiskutierten Thema.“
Unterbelichtet blieb in der Debatte, warum die offenbar unwissende Hochschule nicht rechtzeitig vom Verfassungsschutz informiert wurde. Der, das trägt Innenministerin Sütterlin-Waack vor, wurde schon in der Woche vor der Veranstaltung auf die Islamwoche aufmerksam, aufgrund der entsprechenden Werbung in der salafistischen Szene.
Die Sicherheitsbehörden hatten daraufhin offenbar die zuständigen Ministerien angesprochen – und auch mitgeteilt, dass der eingeladene Redner bedenkliche Positionen habe und vom bayrischen Verfassungsschutz beobachtet wurde. Bei der Hochschule landete diese Information aber offenbar erst Wochen nach der Veranstaltung.
Möglicherweise wurde der Grund für dieses Versäumnis im nicht öffentlichen Teil geklärt: Immerhin 35 Minuten tagte der Ausschuss noch im Geheimen.
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