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Die WahrheitAbgefahrene Neunzig

Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit: Heute darf sich die Leserschaft an einem Poem über ein Geburtstagskind der betagteren Art erfreuen.

Foto: Reuters

Die Straße meines Lebens ist zwar ramponiert.

Ich roll durch sie ja schon seit vielen Jahren.

Doch weiß ich ungefähr, wohin sie führt

und will sie auch noch ein paar Jahre fahren.

Noch ist ja keine Straßensperre aufgebaut,

noch kann ich keine Abbruchkante finden.

Baustellen? Klar, doch die sind mir vertraut.

Nur häufen sie sich, werden kaum verschwinden,

Der Straßenbau kommt nicht mehr recht voran.

Und ich muss länger vor der Ampel stehen.

Umleitungen gibt es zwar. Ja, und ich kann

die Baustellen, wenn ich es will, umgehen.

Doch ob mir da die Orientierung noch gelingt?

Ganz ehrlich? Auf ner unbekannten Strecke?

Die andrerseits ein bisschen Spannung bringt,

wenn eine neue Gegend ich entdecke.

Klar, meine Reifen sind schon ziemlich alt

und fürchten jedes Schlagloch auf der Piste.

Oft such ich auf dem Seitenstreifen Halt

und sitz ganz still in meiner morschen Kiste.

Und seh, wie dort das rote Mohnfeld prahlt,

sich die Kastanie dehnt in ihrer Blüte.

Und da: Mein altes Dorf, wie neu für mich gemalt.

Jetzt weiterfahren? Kommt nicht in die Tüte.

Ich seh im Rückspiegel, wo ich gefahren bin,

und viele Bilder tauchen auf aus Straßengräben.

Gesichter, Orte schieben sich mir in den Sinn,

die einen starr und tot, doch viele blühen, leben.

Ja, meine Straße ist schon ziemlich ramponiert.

Wie lang ich sie noch fahre, werd ich kaum begreifen.

Doch ist auf meiner langen Fahrt so viel passiert.

Für diese Bilder halt ich auf dem Seitenstreifen.

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6 Kommentare

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  • In hübscher Klapperkiste ohne Licht



    bis 28 in den Graben



    bis 44 doch mehr Sicht



    anderer Proviant zum Laben



    bis 62 Aufholjagd



    und wirklich weniger geplagt



    nun liegt der Weg vor



    bis zum letzten Tor.

    • @aujau:

      Und die Moral von der Geschicht:



      Vergiss - herzlichen Glückwunsch - nicht.

  • Herzlichen Glückwunsch!

    • @starsheep:

      Liggers. Von Herzen gern ich sagen muß:



      Der Glöck‘n Wünsche im around mit Genuß - Ich mich anschließe,



      Jedoch "Panta Rhei" - alles fließt - ich’s gern genießt



      Als Fluß! Straße zumal - a weng eng



      Und dem menschlichen 2 1/2 euklidischen zumal - verwandter als der Fluß - zweng dreidimensional.



      Schon Känga ging‘s bei Winnie the Pooh



      Wie mir bei einigen Versuchen



      Beide gut im Reinfallen:



      “Hast…du - …Gurgel lallen…ich bin…



      Gurgel Lallen… das Kind …“gesehen …bin geschwimmt!“



      So - nahm mein Fluß seinen …öh …Lauf



      Nahm so manches unvorhergehergesehen auf.



      Mit der Zeit wurds nach Rinnsal Strullermann



      N richtgen Fluß. Auch hie & da auch mal Trockenfall



      Doch Rain comes Shine - Wasser Fluten setzten wieder ein



      “Seht den Felsenquell,



      Sternenhell…



      Heisst er seine Bruderquellen



      Mit sich fort …“



      Gewiß - ganz Unter/Oberprima



      Jöhten bestand ja stur



      Vorabitur •



      So gings fort durchsmitmei Leben



      Bis - I try - Ol‘ men River eben.

  • POETISCH HIER AUF SEINEN WEGEN:



    KLAUS PAWLOWSKI VIEL GLÜCK UND SEGEN!



    /



    Um seine Sicht recht auszudrücken,



    Und zu beschreiben Lebensreise,



    Der eine spricht von sieben Brücken,



    Das klingt schon gut, hört an sich weise.



    /



    Ein and'rer sieht sich auf dem Schiff,



    Auf einem Fluss oder dem Meer,



    Umschifft im Leben manches Riff,



    Wird mit den Jahren zum Seebär.



    /



    Ein Dritter liebt die Sicht von oben,



    Die Perspektive wie im Flug,



    Mal Gegenwind, mal angeschoben,



    Wie Vögel auf nach Süden Zug.



    /



    Neunzig ist auf der Autobahn:



    Tempo zum "Cruisen" allemal,



    Wenn dort man heute fahren kann,



    Und hat mit neunzig noch die Wahl.



    /



    Juli 2025, MR🛵



    /



    www.mdr.de/nachric...bahn-vier-100.html

  • VON EINEM LEBENSWEG MAN SPRICHT



    DOCH IST DIESER FRAGE DER SICHT



    /



    Die Straße ist Metapher, Bild,



    Pawlowski für sein Leben,



    Dies im Poem für's Auto gilt,



    So tat er's kund uns geben.



    /



    Er spricht in Bildern von der Fahrt,



    Und auch vom stehen bleiben,



    Das offensichtlich ist die Art,



    Seinen Weg zu beschreiben.



    /



    Ich bin da mehr für querfeldein,



    Mein Leben ist uneben,



    Es sollte auch nicht technisch sein,



    Ich will es ja doch leben.



    /



    Das Leben gleicht dem Wandersteig,



    Es gibt auch Stolpersteine,



    Manchmal den falschen Weg-Abzweig,



    Holzwege, große, kleine.



    /



    Und dann der Gipfel auf dem Berg,



    Er schafft uns den Rundblick,



    Nach einem Anstieg, uns'rem Werk,



    Nach vorn und auch zurück.



    /



    Autoaffin nun hier zu sein,



    Ist hot, Hügel ist ohne



    Straße, weil er ist auch zu klein,



    Hier besser wär 'ne Drohne.



    /



    Juli 2025,🌁 MR



    /



    www.stern.de/reise...ktive-9469326.html



    /



    Herzlichen Glückwunsch zur "90", vivat vivat ❗