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Schutz für Af­gha­n*in­nenFamilienfreundliche Entscheidung

Afghanische Geflüchtete haben erfolgreich vor dem Berliner Verwaltungsgericht geklagt. Die Bundesregierung muss sich an Aufnahmezusagen halten.

Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Die Bundesregierung muss sich an Aufnahmezusagen halten, die sie an besonders bedrohte Af­gha­n*in­nen vergeben hat. Das geht aus einem Eilentscheid des Verwaltungsgerichts Berlin hervor. Zwar geht es dabei nur um den konkreten Fall einer einzelnen afghanischen Juradozentin sowie ihrer Familienangehörigen. Doch die grundlegende Argumentation der Rich­te­r*in­nen der achten Kammer dürfte genauso für alle anderen gelten, die eine Aufnahmezusage bekommen haben.

Hintergrund des Gerichtsentscheids ist ein anhaltender Streit innerhalb der schwarz-roten Bundesregierung über die Abwicklung des Bundesaufnahmeprogramms für Afghan*innen, die besonders vom islamistischen Regime der Taliban in Kabul bedroht sind. Offiziell ist das Programm schon seit rund einem Jahr beendet, neue Aufnahmezusagen werden nicht mehr vergeben.

Offen ist aber, was mit den Personen passiert, die bereits ausgewählt wurden, Aufnahmezusagen erhalten haben, zahlreiche Sicherheitskontrollen durchlaufen haben – aber noch nicht eingeflogen wurden. Über 2.000 von ihnen sitzen derzeit in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad fest und warten verzweifelt auf die Evakuierung. Unter ihnen ist auch die Frau, um die es nun vor Gericht ging.

SPD, Linke und Grüne sind sich einig

Während SPD-Politiker*innen genauso wie die Opposition von Linken und Grünen fordern, diese Menschen einzufliegen, will die Union das nicht. CDU-Kanzleramtschef Thorsten Frei kündigte vor wenigen Wochen an, man wolle die Aufnahmezusagen zurücknehmen.

Nach dem Gerichtsentscheid vom Dienstag dürfte das deutlich schwieriger werden. Das Gericht argumentiert explizit, die Aufnahmezusagen würden nicht dadurch unwirksam, dass das eigentliche Programm beendet ist. Deshalb müssten die Afghanin und ihre Angehörigen ein Visum bekommen und einreisen dürfen.

Unter Un­ter­stüt­ze­r*in­nen war die Freude am Montag groß. Eine Sprecherin der Organisation Kabul Luftbrücke sagte der taz: „Die Aufnahmezusagen sind rechtlich verbindlich.“ Die Bundesregierung müsse sich daran halten „und darf nicht einfach das gesamte Programm aussetzen, weil es ihr politisch missfällt“. Und die innenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Clara Bünger, sagte, wenn die Bundesregierung weiterhin keine Visa ausstelle, sei das „nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch rechtswidrig“.

Allerdings kann die Bundesregierung noch Beschwerde gegen den Gerichtsbeschluss beim Oberverwaltungsgericht Berlin einlegen. Und die Zeit spielt gegen die in Pakistan gestrandeten Afghan*innen. Die Regierung in Islamabad versucht derzeit, möglichst viele Af­gha­n*in­nen in ihr Herkunftsland abzuschieben, auch Personen aus dem deutschen Aufnahmeprogramm sind davon betroffen.

Abschiebungen in letzter Sekunde verhindert

Laut Berichten von Ak­ti­vis­t*in­nen wurde die Abschiebung von zwei afghanischen Familien mit Aufnahmezusage Ende Juni nur in allerletzter Sekunde verhindert. Die insgesamt elf Betroffenen waren bereits von der pakistanischen Polizei festgenommen und ins Abschiebecamp Haji gebracht worden. Erst durch Intervention der deutschen Botschaft kamen die Betroffen wieder frei.

Das Auswärtige Amt wollte diese Berichte auf Nachfrage der taz nicht bestätigten. Aus dem Amt hieß es lediglich, dass sich alle Aufzunehmenden in Notsituationen jederzeit an den Betreiber ihrer von Deutschland organisierten Unterkunft wenden könnten. Die Deutsche Botschaft in Islamabad habe zudem einen Notfallmechanismus etabliert, um Abschiebungen zu verhindern. Allerdings ist fraglich, wie lange sich die pakistanischen Behörden dies noch bieten lassen, wenn die CDU-Ministerien der Bundesregierung gleichzeitig öffentlich ankündigen, die Af­gha­n*in­nen nicht aufnehmen zu wollen.

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2 Kommentare

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  • Irgendwann dürfte es auch der CDU einleuchten, dass Deutschland über einen funktionierenden Rechtsstaat verfügt und die rechtswidrigen Maßnahmen der Regierung über kurz oder lang von den deutschen Gerichten einkassiert werden.

    Anstatt jetzt noch zu überlegen, wie man den nächsten per internationalen Haftbefehl gesuchten Staatsführer die Hand schütteln und ihn schmackhaft machen könnte, dass er seine Landsleute zurücknimmt, wäre ein Tritt auf die Bremse und etwas Besinnung angebracht.

    Es wäre klug wenn sich die Regierung weitere Blamagen erspart und die Afghanen denen eine Aufnahmezusage gemacht wurde umgehend aus Pakistan ausfliegt.

    Auch die Idee Abschiebungen nach Afghanistan durchzuführen sollte schnellstmöglich begraben werden, wenn nicht vor deutschen Gerichten wäre spätestens vor dem EuGH Endstation.

    Merz und Dobrindts konzeptlose Migrationspolitik hat als Ergebnis lediglich vorzuweisen das die AfD mittlerweile bei 24% steht, die Glaubwürdigkeit Deutschlands nach außen dahin ist und nach innen die Rechtsstaatlichkeit mit Füßen getreten und beschädigt wurde. Das in einer so kurzen Zeit hinzubekommen ist auch schon eine Leistung.

  • Das sind gute Nachrichten!



    Es widerspricht auch jedem Rechtsverständnis, wenn derartige Verträge einfach aufgekündigt würden.



    Die Linie der Union ist nicht nur inhuman, sie würde ganz Deutschland in Verruf bringen.



    Gut finde ich an dem Artikel auch, dass die unterschiedlichen Positionen innerhalb der Koalition benannt werden.



    Wie in einem Zitat enthalten, wird häufig von "der Regierung" gesprochen. Die SPD hat in diesem Zusammenhang allerdings einen dezidiert anderen Standpunkt als die Union.



    In der Ampelzeit wurden die unterschiedlichen Positionen der beteiligten Parteien auch herausgearbeitet.



    Guter Journalismus macht sich diese Mühe weiterhin.



    Die Anderen landen hingegen bei " die da oben" Argumentationen.