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Wohnungskrise in BerlinVerwaiste Büros bleiben ungenutzt

Nirgendwo stehen mehr Büros leer als in der Hauptstadt. Trotzdem sieht der Senat kaum Handlungsbedarf, zeigt eine Anfrage der Grünen.

Könnten in diesem verwaisten Großraumbüro Wohnungen entstehen? Foto: IMAGO / R. Rebmann

Berlin taz | Immer mehr Büroflächen stehen in Berlin leer. Angesichts der gleichzeitig herrschenden Wohnungsnot ist die Umwandlung von Büros in Wohnungen eine viel diskutierte, aber wenig umgesetzte Forderung. Eine bisher unveröffentlichte Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Mietenpolitikerin Katrin Schmidberger (Grüne) zeigt nun: Es scheitert vor allem an rechtlichen Vorgaben und einer fehlenden Strategie des Senats.

Laut einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Studie des Maklernetzwerks German Property Partners (GPP) stehen 7,9 Prozent der Berliner Büroflächen leer. Das entspricht 1,75 Millionen Quadratmeter. Besonders krass ist der Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr: Mit einer Steigerung von 42 Prozent wächst der Leerstand am schnellsten. Die geringe Auslastung tut dem Bau neuer Büro­häuser allerdings keinen Abbruch: 2025 und 2026 sollen noch 840.000 weitere Quadratmeter fertiggestellt werden.

„Während fast hunderttausend Menschen bezahlbare Wohnungen suchen, entstehen neue Bürogebäude, die keiner braucht“, kritisiert Schmidberger. Anlässlich der drastischen Zahlen fragte die Abgeordnete nach, wie stark ausgeprägt das Problembewusstsein in der Berliner Regierung sei.

Wie die Antwort zeigt, ist es nicht sehr stark: „Für die nächsten Jahre wird ein Wachstum der Bürobeschäftigung prognostiziert“, teilt ein Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen mit. Der Leerstand betreffe vorrangig Büro­häuser in ungünstigen Lagen oder Gebäude, die nicht mehr den heutigen Anforderungen entsprächen. „Es wird weiterhin eine Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Bürostandorten erwartet.“

Senat tut nichts

Grundsätzlich befürwortet der Senat die Idee, Büroleerstand in Wohnraum umzuwandeln, wo es „geplant und sinnvoll“ ist. Allerdings müsse eine Umwandlung nach derzeitiger Rechtslage immer vom Eigentümer ausgehen. Außerdem würden viele Büros den baulichen Anforderungen von Wohngebäuden nicht genügen, zum Beispiel in puncto Deckenhöhe oder Lichteinfall. Auch lägen viele Büros in reinen Gewerbegebieten, in denen eine Wohnnutzung nicht möglich sei, heißt es in der Antwort.

Doch ein echtes Interesse, die Hürden für potenzielle Umnutzungen zu erfassen, hat Berlins Regierung nicht. So erheben weder der Senat noch die Bezirke Daten über bestehende Leerstände. Kooperationen mit wissenschaftlichen Einrichtungen oder Forschungsinstituten gibt es ebenfalls nicht. Auch der geplante Neubau von Wohnprojekten wird nicht systematisch erfasst.

„Die Anfrage belegt, dass der Senat kein Interesse hat, die betreffenden Objekte zu identifizieren und Umbauten voranzubringen“, kritisiert Schmidberger. Stattdessen vertrete der Senat aktiv eine Investorenpolitik, indem er Büroneubauten gegen Widerstände der Bezirke voranbringt, wie etwa im Gleisdreieckpark oder an der Warschauer Straße.

Die Mietenpolitikerin fordert hingegen einen Planungsstopp für neue Büros und ein Förderprogramm für die Umnutzung in sozialen Wohnraum.

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6 Kommentare

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  • Ich verstehe nicht, warum da nicht mehr passiert. In den 1980er Jahren gab es in Westberlin schon mal viel zu wenige Wohnungen.



    Da sind viele WG's in alten Gewerbeetagen gezogen und es wurden Wände eingebaut. Das war geradezu schick und Berlin verlor Gewerbe und die Flächen standen lange leer.

  • Das scheint nicht mit Berlins spezieller Verwaltungsstruktur zu tun zu haben.



    In Düsseldorf besteht das Problem genauso. Jahrelang stehen Bürogebäude leer - viele davon NICHT in reinen Gewerbegebieten, übrigens! Wohnraum ist knapp, aber gebaut werden neue Bürotürme. Allerhöchstens noch Bürotürme mit Luxuswohnungen drin.



    Verrückterweise scheinen Investoren für Umbau solche Büroräume zu bevorzugen, die noch vermietet sind. Zweimal beobachtet:



    Eigentümer eines Bürogebäudes wechselt, der Klotz wird gleich darauf entmietet, Außentreppe aus Brandschutzgründen drangetackert, als "Flüchtlingsunterkunft" deklariert. Gab wohl schnelles Geld von der Stadt. Mittlerweile ist allerdings der ganze Klotz abgerissen.



    Kurz darauf nochmal woanders: Eigentümer eines Bürogebäudes wechselt, der Klotz wird gleich darauf entmietet, auch die Gastronomie muss raus. Gebäude wird vollständig entkernt und ein Studentenwohnheim draus gemacht (wenig Platz für viel Geld).



    Im selben Stadtteil stehen immer noch Bürogebäude leer, die das auch vorher schon waren. Aber anscheinend haben deren Eigentümer kein Interesse an Vermietung/Umbau/Verkauf. Potential gäbe es reichlich!

    • @Tetra Mint:

      Auf den ersten Blick gibt es reichlich Potential. Aber zum einen lohnt sich ein Umbau bei älteren Gebäuden nicht, wie Sandra Becker bereits richtig anmerkte. Zum anderen ist das halt immer noch die alleinige Entscheidung des Besitzers. Wenn das Gebäude an ein Betriebsgelände angrenzt, sind ja noch viel mehr Vorschriften bezüglich Lärmschutz, Geruchsbelästigung oder Brandschutz zu beachten. Und wenn ein solches Gebäude auf dem Betriebsgelände steht, greifen noch Unfallverhütungsvorschriften. Denn so einfach über das Werksgelände latschen um zu seiner Wohnung zu gelangen, ist halt nicht. In unserem Stadtteil ist auch so ein Gebäude. In manchen Büros arbeitet zur Zeit noch eine Person, eventuell zwei. Die (Großraum-)Büros werden aber nicht abgegeben, da einige Firmen bereits planen, das Recht auf Homeoffice wieder einzuschränken und die Leute zurück ins Büro zu holen.

  • Sofort wirksam erster Schritt zur Lösung der Umwidmung von Büroleerstand in Wohnraum, wie Leerstandes von Häusern, Wohnungen ist Stopp deren mietpreistreibend steuerliche Subventionierung, indem die Leerstände steuermindern als Betriebskosten veranlagt werden können, statt diese mietpreissenkend in Mietenspiegel einzupreisen, zweiter Schritt, bundesweites Register über Leerstand aller Arten, dritter Schritt ein Register Wohnungsloser für Planungssicherheit, dreien Schritten voran, Unterzeichnung meiner Petition „Mietwohnwende“ change.org., das und noch mehr voranzutreiben

    www.change.org/p/f...l-zur%C3%BCckgeben

  • Soweit dem Senat vorgeworfen wird, dass er keine Leerstandsquoten im Gewerbebereich erfasst. Hierzu müsste jedoch erst einmal geklärt werden, auf welcher rechtlichen Grundlage eine solche Erfassung erfolgen sollte.

    Auch was die "die Hürden für potenzielle Umnutzungen" angeht, ist die Forderung bzw. Ausage fragwürdig, da dies ja in der Regel eine Eigentümerentscheidung ist.

    Frau Schmidberger sieht mal wieder Skalndale über Skandale, wo keine Skandale sind.

  • Letzt gab es einen Bericht über die Umwandlung von Büros in Wohnraum im TV - Fazit: das ist sehr teuer, da es in Büros an allem fehlt. Keine Installationen für Bäder und Küchen da (oder würde man Toiletten auf dem Gang akzeptieren?), Doppelböden müssen raus, in den Wohnungen müssen Räume ohne Fenster geplant werden, da Bürogebäude oft sehr breit sind, usw....



    Fragt sich, wer dann so wohnen will.....