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Cannabis-Messe Mary Jane in BerlinHanfsamen vom Glücksrad

Auf der Kiffer-Messe Mary Jane boomt das Thema Selbstanbau – auch, weil die Politik die Anbau-Clubs bisher im Regen stehen lässt.

Mit Cannabis lässt sich gut verdienen: Mike Tyson (Bildmitte), Boxer und Unternehmer, raucht auf der Mary Jane einen Joint Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Berlin taz | Jetzt noch größer und noch länger – die Hanf-Messe „Mary Jane“, am Sonntag zu Ende gegangen, stellte auch in ihrer neunten Ausgabe wieder Rekorde auf. Sie fand an vier anstatt wie bisher drei Tagen statt, über 500 Aussteller waren zugegen, und so priesen die Veranstalter sie nun als „weltgrößtes Cannabis-Event“ an.

Dass die von der Ampelregierung im letzten Jahr beschlossene Teillegalisierung von Cannabis auf die „Mary Jane“ wie ein Booster wirken würde, hatten deren Initiatoren schon bei der letzten Veranstaltung erkannt. Anstatt wie bisher in der Arena in Treptow fand sie erstmalig in der weit geräumigeren Messe Berlin statt. Der Ansturm war dann aber immer noch so enorm, dass danach viele Besucher klagten, sie hätten stundenlang am Eingang warten müssen und seien zum Teil wegen Überfüllung gar nicht mehr eingelassen worden.

Beim Besuch am Samstagnachmittag schienen derartige Probleme im Griff zu sein. Es gab kein Gedrängel am Einlass, die Messehallen und ein riesiges Freigelände mit einer gesamten Ausstellungsfläche von über 20.000 Quadratmetern waren dennoch bestens besucht. Nachdem im letzten Jahr zig Mal die Polizei und Krankenwagen vorbeikommen mussten, weil Besucher und Besucherinnen ihre Grenzen beim Drogenkonsum nicht richtig eingeschätzt hatten, wurde erstmalig auch ein Awareness-Team als Ansprechpartner gestellt.

Die Ampelregierung löste den Cannabis-Boom aus, und er ist ungebrochen, auch wenn die neue Bundesregierung längst nicht mehr so hinter der Teillegalisierung steht wie die alte. Die CDU macht kein Geheimnis daraus, dass sie den Kiffern möglichst schnell wieder das Leben schwerer machen möchte, allerdings will die SPD als Koalitionspartner aktuell noch am Status quo festhalten. Es sind also eigentlich wieder unsichere Zeiten für die Cannabis-Branche, die aber sichtbar optimistisch bleibt.

Statt den „Clubs“ beherrscht Telemedizin das Geschäft

Überall wurde richtig groß aufgefahren auf der Messe: Gefühlt an jedem zweiten Stand gab es ein Glücksrad, wo man etwa Samen für Hanfpflanzen gewinnen konnte. Es fanden zig Podiumsdiskussionen und Konzerte statt, etwa von dem Hamburger Rapper und Dauerkiffer Samy Deluxe.

Der US-Rapper Snoop Dogg, schon lange eine Ikone der Cannabis-Szene, präsentierte als Testimonial seine eigenen Blättchen für das Drehen von Joints und der Ex-Boxer Mike Tyson, in den USA inzwischen erfolgreicher Cannabis-Geschäftsmann, kam am Freitag vorbei. Mit Cannabis lässt sich richtig Geld verdienen: Wie schmeckt wohl dieser Honig von „Captain Weedy“, fragte man sich auf der Messe und am nächsten Stand lockte „Das große Cannabis Kochbuch“ mit dem Motto: „Kiffen war gestern, heute wird gekocht.“

Im letzten Jahr war auf der Mary Jane das bestimmende Thema die Anbauvereinigungen, die gemäß der derzeitigen Gesetzgebung dafür sorgen sollen, die Cannabis-Konsumenten mit qualitativ hochwertigem Gras zu versorgen. Da die Sache mit den Clubs jedoch weiterhin aufgrund diverser bürokratischer Hürden nur sehr schleppend voran kommt, boomen derzeit der Selbstanbau von Hanfpflanzen und vor allem medizinisches Cannabis.

Über Online-Plattformen kann man sich ohne Probleme zum Cannabis-Patienten erklären lassen und bekommt sein Gras dann von einer Apotheke geliefert. Der Inhaber einer solchen Cannabis-Apotheke im hessischen Langen, der auf der Messe mit einem Stand vertreten war, sagte dann auch: „Die Clubs haben sich verabschiedet“. Die sogenannte Telemedizin beherrsche stattdessen nun das Geschäft.

Die CDU will den Zugang wieder erschweren

Da aber längst klar ist, dass nicht jeder Cannabis-Patient wirklich an Schlafstörung oder Depression leidet und in Wahrheit einfach nur gutes Gras von den Apotheken haben möchte, gibt es derzeit Signale von der CDU, diesen Bereich, der auch von so manchen undurchsichtigen Geschäftemachern durchdrungen wird, wieder besser zu regulieren, sprich: den inzwischen recht einfach Zugang zu Cannabis über die medizinischen Online-Plattformen wieder zu erschweren.

Ein Mitarbeiter am Stand von Demecan, einer Firma, die medizinisches Cannabis herstellt und vertreibt, gab sich dennoch völlig gelassen – und er wirkte dabei noch nicht einmal bekifft. „Wir hören, dass alles weitgehend so bleiben soll wie bisher und dass die CDU eigentlich auch andere Probleme hat“, sagte er. Außerdem gäbe es Dank der Telemedizin inzwischen ordentlich Steuereinnahmen, auf die vielleicht auch die Politiker und Politikerinnen der CDU nicht verzichten möchten.

Interessant wäre da gewesen, beim „politischen Gipfeltreffen der drogenpolitischen Sprecher im Bundestag“ am Samstag auf der Mary Jane von der angekündigten Vertreterin der CDU mehr dazu zu erfahren. Doch auf diesem saßen dann bloß die Sprecher von den Grünen und der Linken. Wahrscheinlich weil die CDUlerin nichts zu sagen gehabt hätte, was die Besucher und Besucherinnen der Mary Jane gerne hören wollten.

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