Politikwissenschaftler Heinze über Trump: „Trump ist hilfreich, aber nicht das Ende“
Der Politologe Rüdiger Heinze sieht den US-Präsidenten Trump nur als Figur eines Langzeitprojekts. Es wird von rechtskonservativen Kräften gesteuert.

taz: Herr Heinze, Sie vertreten die These, dass Donald Trump Amerika gegenwärtig „small again“ mache, also den USA vor allem schade. Man gewinnt doch vielmehr den Eindruck, dass er mit seiner Politik durchkommt.
Rüdiger Heinze: Ja, mit einigem kommt er durch. Aber er bewegt sich natürlich trotzdem noch in einer echten Welt, auch wenn es nicht immer den Anschein macht. Seine Wirtschaftspolitik, die versucht, alte Industrien wiederzubeleben, wird eine Weile klappen. Aber perspektivisch ist das wirtschaftlich gesehen ein Albtraum. Auch die Zölle sind eine Katastrophe. Die Preise und Inflation sind schon jetzt gestiegen. Auf Dauer macht das keinen Sinn und schränkt das Wirtschaftswachstum ein.
taz: Sie gehen also nicht davon aus, dass Trump einen langfristigen Plan verfolgt?
Heinze: Trump handelt erratisch. Das ist auch Teil des Programms: Seine Unberechenbarkeit führt zu einer gezielten Verunsicherung der Partner, sodass niemand weiß, woran man ist. Das kann in einigen Bereichen strategisch sinnvoll sein. Insofern glaube ich nicht, dass das kurzfristig gedacht ist. Wenn man in das Dokument „Project 2025“ schaut, dann geht es erst mal um Amerika. Alle anderen sind zweitrangig.
Vortrag „Making America Small Again: ‚Project 2025‘ & die Zukunft der USA“, 16. 6., 18.30 Uhr, 381 event space, Braunschweig
taz: In diesem rechtskonservativen Handbuch zur Umgestaltung der US-Regierung werden unter anderem starke Einschnitte in die Wissenschaft und das Bildungssystem festgeschrieben. Trump hat kürzlich der Harvard-Universität gedroht, Forschungsgelder zu streichen und ihr zu verbieten, ausländische Studenten aufzunehmen. Hat sich das Dokument als Blaupause für die Trump-Regierung erwiesen?
Heinze: Überwiegend ja. Viele von den Leuten, die daran mitgearbeitet haben, waren schon mal in der Regierung – nicht allzu viele in führenden Positionen, aber hinter den Kulissen. Einige sind es noch. Das sind keine Idioten. Das sind Leute, die sich auskennen und Einfluss haben oder in entsprechenden Thinktanks sitzen, die ebenfalls Einfluss und Kontakte haben. Diese planen weit in die Zukunft voraus. Das ist seit den Achtzigern eine konservative Prämisse, auf die es ankommt. Trump ist hilfreich, aber nicht das Ende. Vieles davon sehen wir bereits: den gezielten Abbau von Ministerien, die „Ermächtigung“ der Bundesstaaten – in der Hoffnung, dass diese dann republikanische sind. Sehr wichtig ist der Artikel zur Wirtschaftspolitik in diesem Manifest. Dieser spricht sich explizit gegen Zölle aus, weshalb einige Beteiligte schon jetzt Trump kritisieren.
taz: Wo könnte Trump an seine Grenzen stoßen?
Heinze: Man sieht ja schon, wo er an Grenzen stößt. Die Frage ist, wie er weitermacht. Die Staatsverschuldung der USA ist gigantisch. Globalisierte Wirtschaftsstrukturen und Unternehmen verschwinden ja nicht plötzlich. Als Trump angekündigt hat, die Ukraine-Hilfe einzufrieren, gab es republikanische Abgeordnete, die gesagt haben: „Moment mal, die Industrie, an die das Geld geht, ist nicht die ukrainische. Die sitzt bei uns.“ Es gibt auch Widerstand bei Trumps neuem Steuer- und Ausgabengesetz „Big Beautiful Bill“. Das kann er bis zu einem gewissen Grad ignorieren. Aber nächstes Jahr sind Midterms. Wenn er die Mehrheiten verliert, dann hat er ein Problem. Er kann sich natürlich weiter mit Dekreten darüber hinwegsetzen. Dann haben wir tatsächlich eine Verfassungskrise.
taz: Glauben Sie, dass der Kulturkampf in einem Systemwechsel enden könnte?
Heinze: Ich bin nicht sicher. Eine Systemkrise haben wir im Grunde genommen schon. Auch eine Verfassungskrise haben wir im gewissen Sinne, weil Trump sich offensichtlich nicht an gerichtliche Urteile hält und sich gegen die Verfassung stellt. Im Augenblick passiert nichts, weil die Republikaner ihm Folge leisten. Wenn einige ihre Sitze verlieren, ist die Frage, wie lange sie mitspielen. Spannend wird es auch, wenn Trump versucht, tatsächlich ein drittes Mal anzutreten.
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