Proteste gegen Polizeigewalt: Jagdszenen in Kenia
Nach dem Tod des Aktivisten Albert Ojwang im Polizeigewahrsam gibt es Proteste in Nairobi. Kenias Staat reagiert mit Schlägertrupps und Schüssen.

Knapp ein Jahr nach den landesweiten Massendemonstrationen der „Generation Z“ in Kenia geht die Jugend nun erneut auf die Straßen. Dieses Mal demonstrieren sie nicht gegen das neue Finanzgesetz und die daraus folgenden Steuererhöhungen, das derzeit erneut im Parlament debattiert wird, sondern gegen die zunehmende Polizeigewalt.
Denn auf Grundlage des sogenannten Computermissbrauch- und-Cybercrime-Gesetzes aus dem Jahr 2018 wurden im vergangenen Jahr zahlreiche Onlineaktivisten, Blogger und IT-Spezialisten, die vor einem Jahr die Proteste online befeuert hatten, verhaftet – oder sind gar spurlos verschwunden.
Der jüngste Vorfall: Vor mehr als einer Woche kam Albert Omondi Ojwang im Polizeigewahrsam ums Leben. Der 31-jährige Lehrer war verhaftet worden, weil er online auf X Kritik an Vizepolizeichef Eliud Lagat geübt haben soll. Er überlebte seine Verhaftung nicht. In den anschließenden internen Ermittlungen gab der Vizepolizeichef letztlich zu, dass er seine Beamten mit Alkohol bezahlt habe, um Ojwang in der Zelle zu Tode zu prügeln. Lagat trat daraufhin freiwillig von seinem Job zurück.
Der Präsident entschuldigte sich persönlich
Kenias Präsident William Ruto entschuldigte sich höchstpersönlich telefonisch bei Ojwangs Familie, sprach ihnen sein Beileid aus und spendierte umgerechnet 20.000 Euro als Kompensation und zur Begleichung der Beerdigungskosten.
Doch damit war das Thema für die Generation Z nicht vom Tisch. Am Dienstag starteten die Jugendlichen erneut in Kenias großen Städten mit organisierten Protesten, unterstützt und befeuert von einer breit gestreuten Medienkampagne auf den sozialen Netzwerken. Dafür haben sie auch Videos produziert. „Keiner von uns wird mehr in Stille sterben!“, heißt es in einer Videobotschaft: „Wenn sie einen von uns töten – dann müssen sie uns alle umbringen – doch wir sind Millionen!“
Protestparole in Nairobi
Nairobis Gouverneur, Johnson Sakaja, kündigte seinerseits Maßnahmen an, um Demonstranten von den Straßen fernzuhalten. „Dieses Land muss ein Rechtsstaat sein. Lasst sie es nicht noch einmal versuchen – sie werden mich in der Stadt finden!“, erklärte Sakaja.
Als die Proteste dann am Dienstag Früh losgingen, stürmten zunächst Hunderte Gangmitglieder auf Motorrädern mit Schlagstöcken Nairobis Innenstadt, offenbar mit dem Ziel, die Demonstranten von den Straßen zu jagen. Sie brüllten „No Protests!“
Die Straßengangs, die sonst Nairobis Armenviertel regieren, waren offenbar von der Polizei bezahlt worden, um die Proteste der Generation Z zu verhindern. Die Polizei war zunächst nirgendwo zu sehen. Demonstranten zerrten die Männer von ihren Motorrädern und zündeten diese an.
Polizei in Erklärungsnot
Als die Polizeieinheiten letztlich eintrafen, feuerten sie Tränengas und Gummigeschosse auf die Demonstranten. Dabei wurde auch der Mann niedergeprügelt und in den Rücken geschossen, dessen Video viral ging – es stellte sich heraus, dass er gar nicht zu den Demonstranten gehörte, er war Straßenverkäufer.
Polizeisprecher Muchiri Nyaga gab am Mittwoch bekannt, der Beamte, der geschossen hatte, sei festgenommen worden. „Nach diesem Vorfall ordnete der Generalinspekteur des nationalen Polizeidienstes die sofortige Festnahme und Anklage des beteiligten Beamten an“, so Nyaga in einer Erklärung. Der schwerverletzte Mann sei direkt ins Krankenhaus gebracht worden, wo er starb.
Die staatlich finanzierte Kommission für Menschenrechte erklärte, sie habe 21 weitere verletzte Demonstranten registriert. „Genug ist genug“ – so lautet die Reaktion der Generation Z in ihren Videos.
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