Wohnraumverteilung in Deutschland: Eine Seniorin, 100 Quadratmeter
Ältere leben oft in großen Wohnungen, Familien oft in zu kleinen. Die Optionen Untervermietung und Tausch gestalten sich aber heikel.
Es gibt ja Wohnungsangebote, auch preiswerte. Zum Beispiel bieten Angehörige „Wohnen gegen Hilfe für Oma T.“ in Hennef in NRW an. 20 Arbeitsstunden im Monat muss der oder die Untermieter:in für die alte Dame leisten, dafür gibt es ein freies Zimmer im Dachgeschoss. Das Haus ist gut angebunden an den Regionalverkehr nach Köln. Als Miete wird außer der Mithilfe nichts verlangt. Allerdings: Besucherregelung „nach Absprache“ heißt es in dem Inserat.
Das Angebot findet sich auf dem Portal mitwohnen.org, auf dem Leute Zimmer anbieten gegen eine vergünstigte Untermiete und Hilfe im Haushalt. Auf demselben Portal äußern auch Zimmersuchende ihre Wünsche. Ein Industriemechaniker etwa fahndet nach einer Wohnung oder WG im „östlichen Münchner Umland“. Er ist bereit, bis zu 700 Euro Untermiete zu zahlen und im Monat zehn Stunden mitzuhelfen im Haushalt oder Gesellschaft zu leisten, vorzulesen oder kleinere Instandsetzungsarbeiten zu machen.
„Die Nachfrage steigt. Aber es gibt mehr Suchende als Anbieter von Wohnraum“, sagt Georg Beckmann aus Freiburg, Betreiber der Website. Interessent:innen können über die Plattform zueinander finden. Für den Zugang werden 16 Euro fällig. Beckmann selbst vermittelt nicht. Viele der jungen Suchenden wollen ein Zimmer in den Metropolen: in München, Hamburg, Stuttgart. Die Vermieter hingegen bieten ihre preisgünstigen Zimmer in Freising, Dunningen oder Grabfeld an und nur selten in Großstädten.
Man muss sich zudem auch einlassen können auf die alten Menschen. In Konstanz zum Beispiel kann man in ein möbliertes 22-Quadratmeter-Zimmer in guter Wohnlage ziehen, für maximal 200 Euro Kaltmiete, zu einem 83-jährigen Senior. Man teilt sich die Sanitärräume und soll „etwas Gesellschaft“ leisten. Nur: Wie genau sieht das aus? Was, wenn man mit den eigenen Freund:innen in der Wohnung Geburtstag feiern will? Was, wenn „Damenbesuch“ oder „Herrenbesuch“ kommen soll?
Viele ältere Menschen leben allein
Genügend Wohnraum jedenfalls ist da bei den Älteren. Haushalte, in denen die Haupteinkommensbezieher:innen mindestens 65 Jahre alt waren, nutzten im Jahr 2022 durchschnittlich 68,5 Quadratmeter Wohnfläche pro Person, so das Statistische Bundesamt. Haushalte von 25- bis 44-Jährigen hatten mit 44,7 Quadratmeter am wenigsten Wohnfläche pro Person zur Verfügung. 27 Prozent der Alleinlebenden über 65-Jährigen wohnten auf mindestens 100 Quadratmetern.
Die große Zahl der alleinlebenden Alten in großen Wohnungen ist auch der Grund, warum die statistische Wohnfläche pro Kopf im Durchschnitt in Deutschland steigt. Gleichzeitig aber lebt jeder Neunte in einer überbelegten Wohnung, bei Menschen mit Migrationshintergrund fast jede:r Dritte. Als „überbelegt“ gilt eine Wohnung, wenn das Wohnzimmer auch als Schlafraum fungiert, oder sich drei oder mehr Kinder ein Zimmer teilen müssen, oder ein Bruder und eine Schwester, beide im Teenageralter, nur einen gemeinsamen Raum haben, so die Definition des Statistischen Bundesamtes.
Das Naheliegendste bei den Ungleichgewichten wäre der Wohnungstausch, alt gegen jung, groß gegen klein. In Berlin gibt es seit sieben Jahren Wohnungstauschmöglichkeiten im landeseigenen Bestand der Wohnungsunternehmen, mit mäßigem Erfolg. Dabei können die Bedingungen gut sein: Wer tauscht, für den gilt die Miethöhe des Vormieters. Eine Verkleinerung kann daher mit einer geringeren Miethöhe verbunden sein.
Nicht genug altengerechte Wohnungen
Dennoch: Auf ein Angebot, sich zu verkleinern, kommen fünf Mieter, die eine größere Wohnung suchen, berichtet David Eberhart, Sprecher des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Pro Jahr kommen durch den Tausch nur 300 Mietverträge zustande, bei 360.000 Wohnungen im Bestand. Für ältere Menschen hängen an den Wohnungen viele Erinnerungen, sagt Eberhart. „Schon Möbel wegzugeben, die mit Erinnerungen verbunden sind, fällt schwer.“
Allerdings: Es fehlen in Deutschland 2,2 Millionen altengerechte Wohnungen, hat das Pestel-Institut in Hannover festgestellt. Mit mehr bezahlbaren kleinen Wohnungen mit Lift und barrierefreiem Bad, die Senior:innen mieten können, würde man vielleicht mehr alte Menschen zum freiwilligen Auszug aus ihrer großen Bleibe bewegen.
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