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Klima-Vierjahresprognose der UNErderwärmung entfernt sich weiter vom Pariser Ziel

Das 1,5-Grad-Ziel wird auch für die nahe Zukunft immer unrealistischer. Aktuelle Erhebungen sprechen eher für fortlaufende Rekordtemperaturen.

13. August 2024: Der Deutsche Wetterdienst warnt vor extremer Hitze in einigen Teilen Baden-Württembergs Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Genf afp | Die Welt wird sich laut einem UN-Bericht auch in den kommenden Jahren weiter von der 1,5-Grad-Grenze entfernen, die Kli­ma­wis­sen­schaft­le­r*in­nen zufolge vor vielen Klima-Kipppunkten schützt. Nach dem Rekordjahr 2024 bleiben die globalen Temperaturen bis mindestens 2029 auf Rekordniveau. Laut der Weltwetterorganisation WMO liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Jahr bis 2029 noch heißer wird als 2024, bei 70 Prozent.

„Wir haben gerade schon die zehn wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen erlebt“, so Ko Barrett, Vize-Generalsekretärin der WMO. Der neue Bericht lasse keinen Hinweis auf eine Entspannung erkennen. Die Folgen für Wirtschaft, Alltag, Ökosysteme und den Planeten werden laut WMO zunehmen.

Deutliche Temperaturüberschreitungen erwartet

Laut WMO-Bericht wird die globale Oberflächentemperatur zwischen 2025 und 2029 im Schnitt 1,2 bis 1,9 Grad über dem Niveau von 1850 bis 1900 liegen. In einem der kommenden fünf Jahre könnte der Wert mit 86-prozentiger Wahrscheinlichkeit über 1,5 Grad liegen. Über den gesamten Zeitraum hinweg liegt die Wahrscheinlichkeit dafür bei 70 Prozent.

Die Prognose wurde von der britischen Wetterbehörde MetOffice für die WMO erstellt. Sie stützt sich auf Daten mehrerer Forschungseinrichtungen. Der Bericht zeigt erneut, wie schwierig es ist, das Pariser Abkommen einzuhalten – vor allem wegen der anhaltenden Nutzung fossiler Brennstoffe.

Was das Pariser Abkommen verlangt

Das 2015 verabschiedete Pariser Klimaabkommen verpflichtet fast alle Staaten der Welt, die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts deutlich unter 2 Grad zu halten – idealerweise bei 1,5 Grad. 2024 lag die globale Durchschnittstemperatur erstmals in einem Kalenderjahr mit 1,55 Grad über dem vorindustriellen Niveau.

Auch wenn 2024 die 1,5-Grad-Marke überschritt, gilt das nicht als Bruch des Paris-Abkommens. Entscheidend ist der Durchschnitt über rund 20 Jahre. Dennoch zeigt der Trend, dass die globale Entwicklung nicht mit den Klimazielen vereinbar ist.

Der MetOffice-Experte Adam Scaife bezeichnete die neuen Prognosen als „schockierend“. Jeder zusätzliche Bruchteil eines Grads führe zu schlimmeren Hitzewellen, extremeren Regenfällen und intensiveren Dürren, warnte die WMO.

Druck auf die nächste Klimakonferenz wächst

Der Bericht erhöht den Druck auf die UN-Klimakonferenz COP30 im brasilianischen Belém. Dort sollen im November neue nationale Klimapläne vorgelegt werden – sie gelten als entscheidend für die Umsetzung des Pariser Abkommens.

Die deutsche Klimaforscherin Friederike Otto kritisierte die fortgesetzte Abhängigkeit von fossilen Energien: „Im Jahr 2025 weiterhin auf Öl, Gas und Kohle zu setzen, ist absoluter Wahnsinn.“ Stattdessen sollten Staaten in erneuerbare Energien investieren, um Kosten zu senken und die Luftqualität zu verbessern.

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6 Kommentare

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  • Zitat: "Auch wenn 2024 die 1,5-Grad-Marke überschritt, gilt das nicht als Bruch des Paris-Abkommens. Entscheidend ist der Durchschnitt über rund 20 Jahre."

    Also ist alles in Butter.

    Fragen bleiben trotzdem: Für wen oder was ist da was entscheidend? Für das Überschreiten der Kippunkte? Oder für des Selbstverständnis der Herrschaften, die nichts anderes ausgehandelt bekamen? Leisten wir uns jetzt solange jedes Jahr drei, vier Grad mehr, bis seit 2005 ... 2010 rechnerisch 1,51 Grad rauskommen? Oder warten wir bis 2045 um zu erfahren, ob es noch mal ein Jahr gab, in dem der Zuwachs unter 1,5 Grad lag? Und auf welcher Basis definiert sich der dann? Gegenüber 1900 oder dem jeweiligen Vorjahr?

  • Ich bin ein optimistisch durch das Leben laufender Mensch. Aber verschliesse meine Augen nicht vor der Realität.



    Wer glaubt wirklich, das die Wirtschaftsbosse, die durch sie lobbysierten Politiker oder auch nur der durchschnittliche Endverbraucher bereit sind, irgend einen persönlich, noch so kleinen Vorteil aufzugeben?



    Was für eine Illusion.

    Warum ich das denke?

    - CO2 Verschmutzung wird einfach verkauft.



    - Kleidung wird produziert und zum Grossteil nie verkauft sondern geschreddert.



    - in den Haushalten liegen millionen Produkte die nie benutzt werden



    - Autos werden im grösser statt ökologischer

    die Liste ist schier endlos, und niemand ändert etwas daran

  • Also wenn doch vergangenes Jahr bereits das 1,5°-Ziel überschritten wurde, kann realistisches Ziel ja nur noch die Verhinderung der Verdopplung dieser Temperaturerhöhung sein.

    www.quarks.de/umwe...del/1-5-grad-ziel/

    Wenn es keine Eindämmung der Erwärmung gäbe:

    Der Ökostrom ginge dann für den Betrieb von Klimaanlagen flöten und würde nicht mehr zum Autobatterieaufladen zur Verfügung stehen. Eine neuartige Sonnencreme mit Kühleffekt wird ein ganzes Discounterregal füllen. Damit die Leute wenigstens noch Fahrradfahren können. Sonst stürbe ja der Individualverkehr. Es wird heiß, Leute. Schnee wird dann für immer von gestern sein. Ca. 111 Jahre später lebt dann der letzte Mensch, dann etwa 118 Jahre alt, der sich noch an Schnee erinnern kann. Bei noch älteren im Höchstbetagtenheim, etwa der mit 133 Jahren ältesten jemals beurkundeten Person, wird anderes in Erinnerung bleiben und der Schnee von gestern selbst im Unterbewusstsein kaum noch eine Rolle spielen ...

  • 1,5 Grad sind durch, wir können nur noch das Erreichen feststellen. Wenn man sich die Entwicklung des weltweiten Primärenergieverbrauchs anschaut (kleiner Tipp: der Verbrauch an fossilen Brennstoffen geht bisher keinesfalls zurück), dann wird einem auch schnell klar, weshalb immer mehr Klimaforscher auch die 2 Grad als effektiv bereits gerissen ansehen - und dabei teilweise nicht mehr von 2100 sonder von 2050 sprechen. Das wird von des Auswirkungen her apokalyptisch, und es wäre so langsam an der Zeit für die Presse, das auch zu reflektieren.

  • "Auch wenn 2024 die 1,5-Grad-Marke überschritt, gilt das nicht als Bruch des Paris-Abkommens."



    Gesundbeter überall, auch im TAZ Artikel zu lesen. Ohne Zwang geht nix. An Freiwilligkeit appellieren bringt nix. Konsumentscheidungen glauben zu beeinflussen ist Schwachsinn und nicht mal ein Tröpfchen im Lavastrom der Ignoranz.



    Ziele definieren, die in 20 Jahren einzuhalten sind, sind gleichermaßen ignorant.



    Besser Mathematik anwenden: In 20 Jahren Minus 100% CO2(egal wie wir das in t/a definieren) ergibt 5% Minus jedes Jahr. Bitte entsprechend umsetzen.... jetzt!

  • Na dann:



    "Steigt die globale Durchschnittstemperatur um 1,5 Grad, sind die Eisschilde an den Polen nicht zu retten. Die Auswirkungen wären dramatisch."



    taz.de/Grosses-Sch...6982&s=Apokalypse/