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Milliarden für US-FlugsicherheitAm Himmel über Amerika herrscht Chaos

In Washington starben im Januar 67 Menschen bei einem Absturz. Vor allem veraltete Technik sorgt für eine hohe Unfallgefahr. Dies soll sich nun ändern.

Nicht mehr sicher: das veraltete amerikanische Flugsicherungssystem Foto: Joshua Roberts/reuters

Washington taz | Radarausfälle. Beinahe-Kollisionen und Personalmangel. Die Flugsicherheit in den USA steht in der Kritik. Grund dafür sind vor allem veraltete Technik, mangelnde Investitionen und ein immer stärkeres Flugaufkommen, welches das System an seine Grenzen bringt.

Die Kollision zwischen einem Militärhubschrauber und einem Flugzeug der American Airlines über der US-Hauptstadt Washington Ende Januar war der traurige Höhepunkt einer Problematik, die seit Jahren bekannt ist und von Regierung zu Regierung vor sich hergeschoben wurde.

Doch das soll sich nun ändern. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump will mit der Unterstützung von Demokraten und Republikanern im Kongress das amerikanische Luftfahrtsystem modernisieren und damit die Sicherheit am Himmel erhöhen.

„Ich freue mich sehr, den vollständigen Umbau und die Modernisierung des amerikanischen Flugsicherungssystems bekannt zu geben“, sagte Trump vergangene Woche während einer Pressekonferenz im US-Transportministerium.

Die USA unter Trump

Im November 2024 gewann Donald J. Trump zum zweiten Mal eine Präsidentschaftswahl in den USA und amtiert seit Januar 2025 als 47. Präsident. Er treibt den Umbau öffentlicher Einrichtungen und einen Kurswechsel in der Außenpolitik voran.

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Investitionen in die Infrastruktur

Laut den am Donnerstag präsentierten Plänen, sollen in den kommenden vier Jahren sechs neue Flugraumüberwachungszentren, mehr als ein Dutzend neue Kontrolltürme und mehr als 150 neue Wetterstationen gebaut werden. Hinzu kommen Investitionen in die Telekommunikationsinfrastruktur wie Glasfaserkabel, Flugraumüberwachungssysteme und die Automatisierung von diversen anderen Sicherheitssystemen.

Die Zeiten von Kontrollstreifen auf Papier oder Disketten zur Datensicherung sollen damit der Vergangenheit angehören, sagte Transportminister Sean Duffy.

„Wir verwenden Radargeräte aus den 1970er Jahren – einige stammen aus den 80ern, die meisten jedoch aus den 70ern. Diese Technologie ist also 50 Jahre alt und wird von unseren Fluglotsen verwendet, um den Himmel zu überwachen und die Flugzeuge voneinander fernzuhalten“, sagte Duffy.

Wie viel die geplante Modernisierung der amerikanischen Flugsicherung genau kosten soll, wollte Duffy nicht erörtern. Er erklärte nur, dass die 12,5 Milliarden Dollar, die der US-Kongress bisher für das Thema zur Verfügung gestellt hat, nicht reichen würden. Eine Presseerklärung der amerikanischen Fluglinienvereinigung Airlines for America bezifferte die Kosten auf mindestens 32 Milliarden Dollar.

Tödlichstes Flugzeugunglück seit 2001

Dass das System nicht mehr den Ansprüchen der Zeit genügt, ist lange bekannt. „Der Status quo ist inakzeptabel. Wir müssen handeln, bevor das Undenkbare geschieht“, sagte Paul Rinaldi, der damalige Präsident der US-Fluglotsenvereinigung NATCA, bereits 2016.

Dieses „Undenkbare“ hat sich an jenem 29. Januar 2025 ereignet. Bei dem Absturz verloren insgesamt 67 Menschen ihr Leben. Es war das tödlichste Flugzeugunglück in den USA seit 2001. Der Luftraum in der US-Hauptstadt gehört zu den verkehrsreichsten im gesamten Land, von kommerziellen Flügen über Militärflüge bis hin zu touristischen Sightseeing-Flügen kreist alles am Himmel über Washington.

Das veraltete System zur Luftfahrtüberwachung macht es den Fluglotsen schwer, die Kontrolle und Sicherheit im Luftraum zu gewährleisten. Die genaue Ursache für den Unfall ist noch immer nicht geklärt, doch die Leiterin der Untersuchungsbehörde NTSB, Jennifer Homendy, erklärte im März, dass die Flugbewegungen in der Nähe des Hauptstadtflughafens „ein nicht hinnehmbares Risiko“ darstellen würden.

Eine Untersuchung der NTSB ergab, dass es zwischen 2011 und 2024 im Schnitt einmal pro Monat zu einer gefährlichen Situation kam, bei dem der vorgeschriebene Mindestabstand zwischen einem Flugzeug und einen Helikopter nicht eingehalten wurde. Obwohl es im Luftraum um den Flughafen seit dem Absturz Restriktionen für Hubschrauber gibt, kam es in den vergangenen Monaten zu weiteren Beinahe-Kollisionen.

Mehrere Beinahe-Zusammenstöße pro Woche

Und Washington ist nur ein Beispiel. Berichte über Beinahe-Zusammenstöße gibt es auch aus Austin, Chicago oder New York. Eine Untersuchung der New York Times im Jahr 2023 zeigte, dass Beinahe-Zusammenstöße im amerikanischen Luftraum im Schnitt mehrere Male pro Woche vorkommen.

Doch nicht nur die Beinahe-Unfälle sind ein Indikator dafür, dass sich etwas ändern muss. In den vergangenen Wochen kam es auch zu mehreren technischen Problemen. Die überholte und veraltete Technologie sorgte unter anderem dafür, dass Radarmonitore ausfielen und Fluglotsen für bis zu 90 Sekunden die Kommunikation zu allen Flugzeugen verloren hatten.

Einer dieser Vorfälle ereignete sich am 28. April und beeinträchtigte die Operation an einem der drei großen New Yorker Flughäfen aus, Newark International Airport in New Jersey. Bis die technischen Probleme behoben sind, werden die Anzahl der täglichen Flüge aus und nach Newark reduziert werden müssen, sagte Transportminister Duffy am Sonntag gegenüber NBC News.

Neben der Technik kämpft die Regierung auch mit einem Personalmangel. Laut Duffy fehlen mindestens 3.000 Fluglotsen. Da die Fluggastzahlen in den kommenden Jahren weiter steigen sollen und damit auch die Anzahl der Flüge, kann die Modernisierung der amerikanischen Flugsicherheit nicht früh genug kommen, um eine weitere Katastrophe am Himmel zu vermeiden.

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4 Kommentare

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  • Als erste Sofortmassnahme hat Trump schon mal ein paar Tausend Angestellte der FAA entlassen und das Budget der Wetterdienste zusammengestrichen.

  • Eine Lösung wäre, in den USA und anderswo die Menge der Flugbewegungen an die ökologische Tragfähigkeit anzupassen, also massiv nach unten.



    Das sollte einiges andere gleich mit vereinfachen.

  • Anders als es der Arikel suggeriert, wuerde ich den Arbeitskraeftemangl und die katastrophalen Arbeitsbedingungen von Fluglotz:innen in den USA als die Hauptursache sehen.



    .



    Der Unfall war ja nicht das Resultat technischen, sondern menschliches Versagens.



    .



    Und dieses Problem gibt es schon seit vielen Jahrzehnten noch vor Reagan, da war die Technik noch brand neu.

    • @sociajizzm:

      Reagan hat damals um die 10.000 Fluglotsen rausgeschmissen, weil sie als öffentlich Bedienstete nicht hätten streiken dürfen.



      In Deutschland gab es mal einen Slow-Go bzw. Dienst nach Vorschrift, als die Fluglotsen noch Beamte waren. Als Ergebnis daraus, wurde die Behörde aufgelöst und privatisiert. Hat allerdings noch fast 20 Jahre gedauert. Top Gehälter, sehr gute Arbeitsbedingungen und seit der Privatisierung kein Streik.