Nationale Ozeankonferenz in Berlin: Ab jetzt ohne Meeresbeauftragten
Der erste Ozeangipfel des Bundes fällt mit dem Regierungswechsel zusammen. Wo entschlossenes Handeln gefragt ist, wird ein wichtiger Posten gecancelt.

Bei der ersten Nationalen Meereskonferenz, organisiert vom Bundesumweltministerium, kamen am Dienstag und Mittwoch in Berlin rund 400 Expert*innen von Politik, Verwaltung, Forschung und Verbänden zusammen, um über die Zukunft der Meere zu diskutieren. Der Gipfel diente auch der Vorbereitung des Weltozeangipfels, der im Juni in Nizza beginnt.
„Die Meere sind der Ursprung allen Lebens und Lebensgrundlage für uns Menschen heute“, betonte Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) in der Eröffnungsrede am Dienstag, ihrer letzten Amtshandlung als Ministerin, bevor sie die Geschäfte an Schneider übergab. Die Ozeane seien Lebensraum vieler Arten und trügen zum Klimaschutz bei, so Lemke. Zugleich sicherten sie Milliarden Menschen Nahrung, Einkommen und Erholung: „Die Meere müssen geschützt werden.“
In ihrer Rede hob Lemke einige Fortschritte hervor: Die „Jahrhundertaufgabe“ der Munitionsbergung in Nord- und Ostsee sei endlich angegangen worden, auch sei es gelungen, einen Meeresnaturschutzfonds einzurichten, mit dem zusätzliche Projekte im Meeresschutz dauerhaft finanziert werden.
„Reine Symbolpolitik“
Ein besonderer Moment sei für sie die historische Einigung der Staatengemeinschaft auf das UN-Hochseeschutzabkommen gewesen. „Die künftige Bundesregierung wird sich daran messen lassen müssen, ob es ihr gelingt, an diese Erfolge anzuknüpfen und den Meeresschutz fest in der Bundespolitik zu verankern“, richtete Lemke an ihren Nachfolger.
Die erste Kabinettssitzung spricht nicht dafür: Kaum im Amt, hat die neue Bundesregierung am Mittwoch die Abschaffung mehrerer Posten von Beauftragten beschlossen. Darunter auch der des Meeresbeauftragten.
Ein Unding, findet die Ex-Umweltministerin. Die Streichung durch Union und SPD sei „reine Symbolpolitik“, da der Beauftragte diese Aufgabe „zusätzlich zu seiner normalen Tätigkeit als Unterabteilungsleiter“ wahrnehme und keine Mehrkosten für die Bundesregierung generiere. Unter Lemke wurde das Amt im Umweltministerium erstmals geschaffen.
Der Appell des bis dato Meeresbeauftragten Sebastian Unger auf der Konferenz, „nur mit einer engen Zusammenarbeit aller betroffenen Sektoren können wir unsere Meere wirksam schützen“, verklingt vor diesem Hintergrund wie Wellenrauschen.
WWF fordert Meeresstrategie und maritime Raumordnung
Umweltverbände halten das Treffen dennoch für wichtig. „Die Meereskonferenz kommt genau zum richtigen Zeitpunkt“, freut sich Heike Vesper, Vorständin für Politik und Transformation beim WWF, „um der neuen Regierung vollen Rückenwind zu geben und sie bei der Übernahme von Verantwortung zu unterstützen.“
Deutschlands Weg im Meeresschutz müsse national und international fortgesetzt werden, um zur Erfolgsbilanz der neuen Regierung beizutragen“, sagt Heike Vesper. „Ein Blick in den neuen Koalitionsvertrag zeigt jedoch, dass sich die Bundesregierung kaum mehr für die Wiederherstellung gesunder Meere einsetzen will“, kritisiert sie.
Der WWF fordert eine Meeresstrategie und eine maritime Raumordnung, um den wachsenden Flächenbedarf für Windkraftanlagen und maritime Wirtschaft in Einklang zu bringen. Zudem brauche es effektive Schutzzonen frei von jeder Nutzung, bekräftigt Vesper in einer Podiumsdiskussion. Mindestens die Hälfte der Gebiete sollte ohne menschliche Eingriffe auskommen.
Hochseeabkommen nicht ratifiziert
Baustellen für den neuen Minister Carsten Schneider gibt es auch global genügend. Bereits im Jahr 2023 hat Deutschland das UN-Hochseeabkommen unterzeichnet, das große Seegebiete in internationalen Gewässern unter Schutz stellt. Diesen Vertrag wollte die Bundesregierung vor der Meereskonferenz in Nizza ratifizieren lassen, auch um ein der internationalen Gemeinschaft zu signalisieren, dass Deutschland zu seinen multilateralen Vereinbarungen steht. Aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen ist das bisland nicht passiert.
Unklar ist auch, wie es mit dem Tiefseebergbau weitergeht. Eine vorsorgliche Pause, für die sich Deutschland einsetzen will, schaffte es nur auf Druck der SPD überhaupt in den Koalitionsvertrag. In den USA hat Präsident Trump angekündigt, den Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee künftig zu erlauben.
„Deutschland ist ein wichtiger Player im Meeresschutz“, mahnte der UN-Sondergesandte für die Ozeane, Peter Thomson in Berlin. Es habe internationale Verhandlungen wie das Hochseeschutzabkommen und die Gespräche eines Abkommens gegen Plastikvermüllung entscheidend vorangetrieben.
„Gerade in Zeiten, in denen multilaterale Zusammenarbeit unter Druck gerät, ist das wichtiger denn je. Ich setze darauf, dass sich die neue deutsche Bundesregierung weiter ambitioniert auf internationaler Bühne für wirksamen Meeresschutz einsetzt“, so Thomson.
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