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Klage gegen EinstufungAfD hofft auf Hän­ge­be­schluss

Das Verwaltungsgericht Köln wird eventuell schon in Kürze die Hochstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ aussetzen – bis zur gerichtlichen Entscheidung.

Die AfD-Parteivorstitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel am Montag im Aufzug des Bundestages Foto: Michael Kappeler/dpa

FREIBURG taz | Die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ könnte schon in einigen Tagen vorläufig ausgesetzt werden – entweder durch eine Zwischenverfügung des Verwaltungsgerichts Köln oder durch eine Stillhaltezusage des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV). Ein entsprechender Antrag der AfD hat gute Erfolgsaussichten.

Vor wenigen Tagen hat das BfV die AfD-Bundespartei vom „Verdachtsfall“ zur „gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“ hochgestuft. Begründet wurde dies mit dem ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff der AfD, der zur Abwertung eingebürgerter Deutscher führe. Außerdem mache die AfD Muslime und Ausländer verächtlich.

Am Montag hat die AfD gegen die Einstufung und ihre Bekanntgabe Klage beim Verwaltungsgericht Köln erhoben. Die Einstufung sei „offensichtlich rechtswidrig“. Der Vorwurf eines verfassungswidrigen Volksbegriffes sei „völlig abwegig“. Auch das Grundgesetz unterscheide zwischen Staatsbürgerschaft und Volkszugehörigkeit, etwa bei Spätaussiedlern. Außerdem habe die AfD schon 2021 erklärt, dass es für sie keine Staatsbürger erster und zweiter Klasse gebe.

Die AfD wehrt sich auch gegen die Annahme, sie sei ausländer- oder islamfeindlich. Kritische Äußerungen gegen kriminelle Ausländer bezögen sich nicht auf alle Migranten, kritische Äußerungen über den Islam beträfen nicht alle Muslime, so der AfD-Schriftsatz. Die Äußerung „Der Islam gehört egal in welcher Form nicht zu Deutschland“ stamme vom neuen Innenminister Alexander Dobrindt (CSU).

Aussetzung wahrscheinlich

Die AfD-Klage umfasst zwar 195 Seiten, befasst sich aber nur mit der dürren Pressemitteilung des Verfassungsschutzes von voriger Woche. Das geheime 1.100-seitige BfV-Gutachten liegt der AfD noch nicht vor. In diesem Gutachten versucht die Behörde, mit vielen radikalen Äußerungen von AfD-Funktionären zu belegen, dass die offiziellen AfD-Positionen nur Fassade sind.

Beim VG Köln hat der Verfassungsschutz die Beweislast für seine Einordnung der AfD. Er muss dort also das Gutachten vorlegen, wenn er seine Einstufung verteidigen will. Dann kann auch die AfD zu jeder aufgelisteten Äußerung Stellung nehmen. In der Folge werden Schriftsätze mit hunderten bis tausenden Seiten gewechselt werden. Bis zu einem ersten Urteil dürfte es ein bis zwei Jahre dauern.

Die AfD hat daher auch einen Eilantrag gestellt, die Einstufung bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen. Im Eilverfahren werden die Vorwürfe nur oberflächlich geprüft. Angesichts des Materialumfangs würde aber auch das mehrere Monate dauern.

Deshalb hat die AfD auch noch eine Zwischenverfügung des Gerichts beantragt, einen sogenannten Hängebeschluss. Wenn das VG dem Antrag folgt, müsste der Verfassungsschutz bis zur Eil-Entscheidung die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ aussetzen. Dafür spricht laut AfD-Antrag, dass der Verfassungsschutz die AfD auch als „Verdachtsfall“ weiter überwachen kann. Dagegen werde die AfD durch die Hochstufung „existenziell“ bedroht, weil ein „massiver“ Mitgliederschwund drohe.

Als die AfD 2021 zum „Verdachtsfall“ erklärt wurde, erließ das Verwaltungsgericht Köln einen derartigen Hängebeschluss. Die Einstufung war daraufhin rund ein Jahr lang ausgesetzt, bis sie vom VG gründlich geprüft worden war. Damals wie heute ist Michael Huschens Vorsitzender der zuständigen VG-Kammer.

Das Bundesamt könnte einem Hängebeschluss aber entgehen – indem es freiwillig eine Stillhaltezusage abgibt, das heißt: indem es die Hochstufung der AfD selbst vorläufig zurücknimmt und die entsprechende Meldung von seiner Webseite löscht. Das VG gab dem Bundesamt bis Freitag Zeit, sich zu äußern. Ab diesem Dienstag könnte auch der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt dem Bundesamt entsprechende Weisungen geben.

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13 Kommentare

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  • Hi Folks - wenn‘. Altgeselle zu sojet was hustet /,hat das Hand&Fuß



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    • @Lowandorder:

      ...& dann geschlossen ausweisen den Club ?

  • Wozu dann die Hochstufung? Wozu jetzt, als letzte "große Tat" als Innenministerin, wenn das nur zwei Tage hält? Man könnte als Nichtjurist verzweifeln. Wie geht es den Juristen dabei?

    • @Ansu:

      Ich habe heute mit Kollegen gesprochen, alle sind - egal welcher Partei sie nahestehen - der gleichen Meinung. Es war eine Unverschämtheit, kurz vor dem Verlassen des Ministeriums diese Studie - nur im Ergebnis - zu veröffentlichen und dem Nachfolger damit alles zu überlassen, was das an Problemen aufwirft - siehe dieser Artikel.

  • Danke, sehr interessante Darstellung....

  • Die AfD argumentiert also vor Gericht, dass durch die Einstufung ein massiver Mitgliederschwund drohe, während sie gleichzeitig auf allen anderen Kanälen verlauten lässt, dass gerade mehr Mitgliedsanträge eingehen als je zuvor.



    Ich hoffe das Gericht wird bei seiner Eilentscheidung solche Widersprüche mit einbeziehen.



    An ehrlichen Auseinandersetzungen ist der Partei ja offensichtlich gar nicht mehr gelegen.

    • @Herma Huhn:

      Hab zu - was zählt - schon floristiert!



      Sorry Wird im netti⛓️🗄️ noch bebrütet! Gelle

      • @Lowandorder:

        ...is ja echt auch für einen konservativen Wunderer schwer seinem 🐕 zu erklären... 😉

  • Mit den Mitteln der Demokratie die Demokratie von innen heraus zu zerstören. Oberstes Ziel der AfD und die deutsche Bürokratie ist ihnen nur zu gerne dabei behilflich.

  • Wenn die selbe Kammer unter demselben Vorsitzenden denselben Fall nun eine Weile später wieder zu prüfen hat, git es schon ein paar gerichtsekannte Tatsachen, auf die zurückgegriffen werden könnten. Der Vorsitzende und seine Beisitzer brauchen also nicht wieder beim Urschleim anfangen. An den Vorgängen aus der Vergangenheit hat sich ja nichts geändert. Und ob man die jetzt, unter dem Eindruck von Weidels letzten Auftritten, unbedingt zugunsten der Partei neu bewerten müßte ...

    • @dtx:

      May be. But.

      Dürfte das - selbsf wenn - die hier anstehende Fragestellung -



      Hängebeschluß bzw entsprechende Absprache - Ja oder Nein - unberührt lassen.



      Christian Rath‘s Einschätzung teile ich.

      • @Lowandorder:

        ...& da schleicht sie langsam dahin, die kleine Hoffnung der Demokraten 😥

  • Das Zentrum wurde von den Nazis ebenso zertrümmert wie der Rest des Parteiensystems. Sollten sich die Schlaumeier von der Union einmal klarmachen. Kommt die AfD wirklich an die Macht haben auch CDU/CSU keine Schonung zu erwarten.