Klage gegen Einstufung: AfD hofft auf Hängebeschluss
Das Verwaltungsgericht Köln wird eventuell schon in Kürze die Hochstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ aussetzen – bis zur gerichtlichen Entscheidung.

Vor wenigen Tagen hat das BfV die AfD-Bundespartei vom „Verdachtsfall“ zur „gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“ hochgestuft. Begründet wurde dies mit dem ethnisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff der AfD, der zur Abwertung eingebürgerter Deutscher führe. Außerdem mache die AfD Muslime und Ausländer verächtlich.
Am Montag hat die AfD gegen die Einstufung und ihre Bekanntgabe Klage beim Verwaltungsgericht Köln erhoben. Die Einstufung sei „offensichtlich rechtswidrig“. Der Vorwurf eines verfassungswidrigen Volksbegriffes sei „völlig abwegig“. Auch das Grundgesetz unterscheide zwischen Staatsbürgerschaft und Volkszugehörigkeit, etwa bei Spätaussiedlern. Außerdem habe die AfD schon 2021 erklärt, dass es für sie keine Staatsbürger erster und zweiter Klasse gebe.
Die AfD wehrt sich auch gegen die Annahme, sie sei ausländer- oder islamfeindlich. Kritische Äußerungen gegen kriminelle Ausländer bezögen sich nicht auf alle Migranten, kritische Äußerungen über den Islam beträfen nicht alle Muslime, so der AfD-Schriftsatz. Die Äußerung „Der Islam gehört egal in welcher Form nicht zu Deutschland“ stamme vom neuen Innenminister Alexander Dobrindt (CSU).
Aussetzung wahrscheinlich
Die AfD-Klage umfasst zwar 195 Seiten, befasst sich aber nur mit der dürren Pressemitteilung des Verfassungsschutzes von voriger Woche. Das geheime 1.100-seitige BfV-Gutachten liegt der AfD noch nicht vor. In diesem Gutachten versucht die Behörde, mit vielen radikalen Äußerungen von AfD-Funktionären zu belegen, dass die offiziellen AfD-Positionen nur Fassade sind.
Beim VG Köln hat der Verfassungsschutz die Beweislast für seine Einordnung der AfD. Er muss dort also das Gutachten vorlegen, wenn er seine Einstufung verteidigen will. Dann kann auch die AfD zu jeder aufgelisteten Äußerung Stellung nehmen. In der Folge werden Schriftsätze mit hunderten bis tausenden Seiten gewechselt werden. Bis zu einem ersten Urteil dürfte es ein bis zwei Jahre dauern.
Die AfD hat daher auch einen Eilantrag gestellt, die Einstufung bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen. Im Eilverfahren werden die Vorwürfe nur oberflächlich geprüft. Angesichts des Materialumfangs würde aber auch das mehrere Monate dauern.
Deshalb hat die AfD auch noch eine Zwischenverfügung des Gerichts beantragt, einen sogenannten Hängebeschluss. Wenn das VG dem Antrag folgt, müsste der Verfassungsschutz bis zur Eil-Entscheidung die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ aussetzen. Dafür spricht laut AfD-Antrag, dass der Verfassungsschutz die AfD auch als „Verdachtsfall“ weiter überwachen kann. Dagegen werde die AfD durch die Hochstufung „existenziell“ bedroht, weil ein „massiver“ Mitgliederschwund drohe.
Als die AfD 2021 zum „Verdachtsfall“ erklärt wurde, erließ das Verwaltungsgericht Köln einen derartigen Hängebeschluss. Die Einstufung war daraufhin rund ein Jahr lang ausgesetzt, bis sie vom VG gründlich geprüft worden war. Damals wie heute ist Michael Huschens Vorsitzender der zuständigen VG-Kammer.
Das Bundesamt könnte einem Hängebeschluss aber entgehen – indem es freiwillig eine Stillhaltezusage abgibt, das heißt: indem es die Hochstufung der AfD selbst vorläufig zurücknimmt und die entsprechende Meldung von seiner Webseite löscht. Das VG gab dem Bundesamt bis Freitag Zeit, sich zu äußern. Ab diesem Dienstag könnte auch der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt dem Bundesamt entsprechende Weisungen geben.
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