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Tag der ArbeitVerdi warnt vor Ende des Acht-Stunden-Tags

In Deutschland gilt der Acht-Stunden-Tag – Schwarz-Rot will ihn aber abschaffen. Zum Tag der Arbeit warnt ein Spitzengewerkschafter vor Mehrbelastung.

Wieviele Überstunden er wohl macht? Frank Wernecke, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi

Berlin dpa Verdi-Chef Frank Werneke macht zum Tag der Arbeit Front gegen die Reformpläne von Union und SPD für die Arbeitszeit von Beschäftigten in Deutschland. „Damit werden 13 Stunden Arbeit am Stück möglich und rechtlich zulässig“, erklärte Werneke laut einer Mitteilung. „Abertausende Beschäftigte im Handel, in der Paketzustellung, der Logistik, der Pflege und in vielen anderen Bereichen werden massiv unter Druck gesetzt“, so der Gewerkschaftsvorsitzende. „Die Belastung wird unerträglich.“

Schwarz-Rot will laut Koalitionsvertrag die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit schaffen. Standards im Arbeitsschutz und die geltenden Ruhezeitregelungen sollen beibehalten werden.

Verdi: Beschäftigte haben 600 Millionen Überstunden

Der Acht-Stunden-Tag gilt seit 1918 in Deutschland. Im Arbeitszeitgesetz heißt es heute: „Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten.“ Nur in Ausnahmen sind zehn Stunden pro Tag möglich.

Werneke warnte, dass „unter dem Deckmantel angeblichen Bürokratieabbaus“ der Sozialstaat und Schutzrechte angegriffen würden. Dies sei etwa beim Arbeitszeitgesetz der Fall. In Deutschland werde nicht zu wenig gearbeitet. „Die Beschäftigten schieben 600 Millionen Überstunden vor sich her und können sie wegen der Arbeitsbelastung nicht abbauen“, so Werneke.

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10 Kommentare

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  • Aktuell werden viel mehr Arbeitskräfte gesucht, als auf dem Markt sind. Wer sich umsieht, findet meist schnell etwas Neues.



    Arbeitnehmern ein Arbeitszeitmodell aufzuzwingen, das sie nicht wollen, wird in den allermeisten Fällen gar nicht gehen, weil die Betriebe dann die dringend benötigten (und bereits erfahrenen) Arbeitskräfte verlören.

    Übrigens ist das Arbeitszeitmodell mitbestimmt. Es steht Betriebsräten und Gewerkschaften frei, für ihren Zuständigkeitsbereich eine tägliche Obergrenze von 8 (oder 6) Stunden zu verhandeln.

    Mein Tipp: Das wird nicht passieren.



    Dafür werden zu viele Arbeitnehmer diese Möglichkeiten schätzen.

  • Es geht um eine Wochenarbeitszeit. Jetzt kann man auch in manchen Firmen nur 4 Tage arbeiten. Pro Tag 8,25 - 10 Stunden je nach vereinbarter Wochenarbeitszeit von 35-40 Stunden. Wer will natürlich, es ist kein Zwang.

  • Vielleicht sollte man das ganze differenzierter betrachten?



    Ich bin im Aussendienst tätig. Fahre ich um 7:30 Uhr mit dem Auto nach Ulm, um dort von 9-17:00 Uhr tätig zu sein, darf ich nicht mehr am gleichen Tag nach Hause fahren, da ich dann die 10 Stunden überschreite und MUSS vor Ort übernachten - obwohl ICH das sicher nicht will. Lenkzeit ist Arbeitszeit.



    Die Arbeitszeit bekomme ich aber gutgeschrieben und arbeite dann am Freitag weniger.

  • Menschen verfeuern, bis sie "ganz plötzlich" wegen Burnout etc. ausfallen. Kann man ja nicht kommen sehen

  • Was Verdi anbetrifft: Die 35-Stunden-Woche? Wo ist sie geblihieben?

    Die Antwort, mein Freund, bläst der Wind. The wind of unchange :-(

  • Mein Großvater war Bergmann in leitender Stellung. Er war immer stolz, dass Bergleute einen 8-Stunden-Vertrag hatten, in dem auch die langen Wege vom Schachtzugang zum Erreichen des Untertageaarbeitsplatzes als Arbeitszeit gerechnet wurden!

    Aber das Scholz-/Merz-Arbeitsregime verlangt ja mittlerweile schon längere Wege zur Arbeit als bisher für zumutbar - unbezahlt! Was laut Bericht hier auch noch als Höchstarbeitszeit zulässig sein soll ist der krasse Rückweg ins 19. Jahrhundert. Aufstand!

  • Sollte sich die "Arbeiterpartei" SPD erwischen lassen, dieses Vorhaben nicht zu verhindern, dann wird die Parteiführung bald darauf mit Lindner Golf spielen oder spazieren gehen. Die Parteibasis geht zur AfD und fällt auf deren hohle Versprechungen rein....

    • @Perkele:

      Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Ich bin sozusagen sprachlos.



      Wenn der Alt-Apparatschik und (ehemalige?) Betonkopf Gregor Gysi sich auf einmal vernünftiger anhört als der ganze Rest der ganzen Politikerbande, ist man als ehemaliger Juso und ehemaliges SPD-Mitglied angesichts des moralischen Verfalls der Partei seit Schröder ziemlich paralysiert.



      (Zum historischen Hintergrund: für uns Sozis des geteilten Deutschlands war und ist jede SED-Nähe ein absolutes No-Go.)



      Zur Linken möchte man nicht, sollte aber.



      Die SPD hat sich selbst disqualifiziert und demoralisiert.



      Bei den Grünen muss man personell und programmatisch "Rosinen picken".



      Die AgD kommt selbstredend nicht in Frage- die Hanswurste von der Union auch nicht.



      Tatsächlich bin ich bei jeder Wahl (außer Kommunal, da kennt man gottseidank seine Pappenheimer, und wenn sie vielleicht auch bei der CDU sind), ziemlich ratlos und mache meine Kreuze mechanisch.



      Kann mal jemand einen pragmatischen Rat geben oder eine echte Vernunftpartei gründen?

      • @The Calif:

        Es geht vielen so.....

      • @The Calif:

        Fällt mir gerade auf, das Bewunderungsbündnis habe ich vergessen, aber das kann man auch vergessen.