Die Wahrheit: Andere Sicherheiten
All diese Machtmänner allüberall. Ihnen fehlt die Demut, die der zum Aufstieg mehr als berechtigte HSV in langen Zweitligajahren gelernt hat.
H oppla, kaum haben wir ein halbes Jahr lang doofe Temperaturen und noch doofere Debatten ertragen, grünt auch schon wieder ein perfekter Mai. Der neue Kanzler ist gleich noch mit aus der Erde geschossen und freut sich für die nächsten vier Jahre einen Keks über sich. Außerdem, man glaubt es kaum, kehrt der HSV zurück in die erste Liga! Habemus Fußballus!
Mit dem Papst war auch gerade irgendwas; ich verstehe nicht, warum die sich da alle so aufregen – die Kiste läuft nun schon seit 2.000 Jahren und wird nicht besser. Und wird es auch in den nächsten 20 Jahren nicht werden, oder wie lange es eben dauert, bis der nächste faschistoide amerikanische Vizepräsident in den Vatikan läuft und einen armen alten Mann zu Tode erschreckt.
Auf jeden Fall war mir früh klar, dass es wieder keine Frau wird da in Rom. Prognostische Fähigkeiten sind nämlich meine heimliche Superkraft. Der neue Chef hat sich erst einmal sein Gewand mit Gold besticken lassen; dann aber gleich losgepredigt: „Auch heute wird der christliche Glaube in nicht wenigen Fällen als etwas Absurdes angesehen, als etwas für schwache und wenig intelligente Menschen; vielfach werden andere Sicherheiten wie Technologie, Geld, Erfolg, Macht und Vergnügen bevorzugt.“
Sicherheiten? Technologie ist unbestreitbar wichtig, aber gar keine Sicherheit für nichts, wie jeder weiß, der sich botgesteuerte politische Meinungsbildung oder die Reservierungsanzeigen im ICE der Deutschen Bahn anschaut. Geld auch nicht, solange jeder Staatschef mit durchgeknalltem Ego per Krieg, Zoll oder Insiderhandel die Weltwirtschaft zum Tanzen bringen kann. Dass Erfolg in Wirklichkeit nichts taugt, predigen Erfolgreiche der Konkurrenz sowieso schon seit Jahren. Und jemand, der Macht für Scheiße hält, sollte auf gar keinen Fall Papst werden.
Einzig das mit dem Vergnügen regt zum Nachdenken an, wie wir Christen gern sagen, zum Nachdenken auf Augenhöhe. Wahrscheinlich ist es ein Gleichnis, wie wir Christen auch liebend gern sagen, wenn sich mal wieder jemand mit Wissenschaftshintergrund über die Jungfrauengeburt und die statistische Wahrscheinlichkeit einer Auferstehung auslässt.
Die Sicherheit im Vergnügen werde ich in den nächsten Jahren suchen, weil mir alle diese Machtmänner so was von auf die Nerven fallen. Aber was meint der Papst damit? Einen Rummelplatzbesuch, ein Netflix-Abo oder doch eher Komasaufen?
Oder etwa gar Sex? Bei diesem Vergnügen haben einige seiner Hirten in der Vergangenheit mit großer Sicherheit daneben gegriffen. Die hätten schon lieber glauben sollen; da sind der Papst und ich uns einig.
Vielleicht trete ich wieder in irgendeine Kirche ein, weil mir das mit dem Leidensweg und der christlichen Demut heimlich einleuchtet. Schließlich will ich für die HSV-Saison in der ersten Bundesliga gewappnet sein. Und am Ende warten bestimmt 70 Jungfrauen auf mich.
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