Spekulationen um Nachfolge im Vatikan: Wer der nächste Papst werden könnte
Ab heute ist der verstorbene Papst Franziskus im Petersdom aufgebahrt. Vor Trauerfeier und Konklave werden schon Namen möglicher Nachfolger gehandelt.

Am Samstag steht die Trauerfeier auf dem Petersplatz an. US-Präsident Donald Trump, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, UN-Generalsekretär António Guterres und der geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz haben sich schon angekündigt. Im Anschluss soll der Papst dann in der Basilika Santa Maria Maggiore außerhalb des Vatikans beigesetzt werden. Zuvor aber wollen zehntausende Menschen dem am Ostermontag im Alter von 88 Jahren gestorbenen Franziskus die letzte Ehre erweisen.
Nach der Beisetzung von Franziskus kommen alle Kardinäle, die zum Zeitpunkt seines Todes noch keine 80 Jahre alt waren, zusammen, um einen neuen Papst zu wählen. Mehr als 100 Kardinäle sind wegen Überschreitens der Altersgrenze außen vor.
Noch nie waren so viele Kirchenmänner aus unterschiedlichen Ländern und Regionen beim Konklave in der Sixtinischen Kapelle dabei: Die insgesamt 135 wahlberechtigten Kardinäle kommen aus 65 unterschiedlichen Ländern.
Die Wahl war noch nie so offen
Vinko Puljić aus Bosnien-Herzegowina und der Spanier Antonio Cañizares aus gesundheitlichen Gründe sagten ihre Reisen nach Rom ab – deshalb dürften nur noch 133 Kardinäle an der Wahl teilnehmen. Damit vertreten auch nur noch 51 Kardinäle den alten Kontinent Europa. Aus Afrika reisen 18 Kardinäle zum Konklave, aus Asien 23 und aus Ozeanien vier. 16 kommen aus Nord-, 4 aus Mittel- und 17 aus Südamerika.
Als „papabile“ – also Leute, die das Format haben, Papst zu werden – sind etwa zwei Dutzend Männer im Gespräch. Weil Franziskus viele neue Kardinäle aus weit entfernten Ländern berufen hat, die sich nicht besonders gut kennen, ist die Wahl dieses Mal wohl noch offener als bei früheren Konklaven.
Und grundsätzlich gilt der alte Spruch: „Chi entra papa ner conclave, ne risorte cardinale“ („Wer als Papst ins Konklave hineingeht, kommt als Kardinal heraus“). Es kann also durchaus Überraschungen geben. Das aber sind die Favoriten:
Pietro Parolin
Der 70 Jahre alte Norditaliener aus der Nähe von Venedig ist seit mehr als einem Jahrzehnt die Nummer zwei im Vatikan. Franziskus erhob den studierten Diplomaten und Doktor des Kirchenrechts schon kurz nach seiner Wahl zum Kardinalstaatssekretär. Seither führte Parolin an seiner Seite die Geschäfte. Er vertrat ihn auch, als Franziskus im Krankenhaus lag. An seiner Loyalität ließ Parolin nie Zweifel aufkommen.
Der Italiener gilt als sehr machtbewusst – anders kommt man in der Kurie nicht weit. Beim Konklave wird er jetzt so oder so eine herausragende Rolle spielen: Normalerweise wird die Wahlversammlung in der Sixtinischen Kapelle vom Dekan der Kardinäle geleitet. Der aktuelle Dekan und auch dessen Vize sind aber schon über 80 und damit zu alt. Deshalb ist der ranghöchste Kardinal an der Reihe: Parolin.
Pierbattista Pizzaballa
Als Patriarch von Jerusalem und somit höchster Vertreter der katholischen Kirche im Heiligen Land leitet der Italiener eine der schwierigsten Diözesen der Welt. Im Geburtsland von Jesus Christus stehen die Christen oft zwischen den Fronten. Pizzaballa sieht sich im Nahost-Konflikt als Brückenbauer, allen Schwierigkeiten zum Trotz.
Pizzaballa kommt aus der Ordensgemeinschaft der Franziskaner. Mit seinen 60 Jahren ist der Geistliche, der in Italiens Norden in der Nähe von Bergamo geboren wurde, im Kreis der genannten Kandidaten einer der Jüngsten. Das kann für ihn sprechen – aber auch gegen ihn.
Matteo Zuppi
Als Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz ist der 69-Jährige eine der zentralen Figuren im Vatikan. Der Bischof aus Bologna gilt als bestens vernetzt und sehr einflussreich. Zudem hat er aktuell einen der anspruchsvollsten Posten, die zu vergeben sind: Als Sondergesandter kümmert er sich seit bald drei Jahren darum, im Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln – bislang ohne große Erfolge.
Mehr als einmal war in jüngerer Zeit sein diplomatisches Geschick gefragt, wenn Franziskus wieder einmal für Schlagzeilen sorgte, etwa mit Äußerungen zum Krieg in der Ukraine. Zuppi ist auch eng mit der Comunità Sant'Egidio verbunden, die für den Vatikan schon wiederholt in Vermittlerfunktionen tätig war.
Péter Erdö
Der Primas von Ungarn, Erzbischof von Esztergom-Budapest, gilt unter den als „papabile“ gehandelten Kardinälen als konservativer Kirchenmann. Der 72-Jährige ist insbesondere für seine traditionelle Haltung in vielen Kirchenfragen bekannt und hatte zu Franziskus' Vorgänger Benedikt XVI. eine gute Beziehung. Franziskus' Reformbemühungen beobachtete Erdö hingegen teils kritisch. Unter den Konservativen im Kardinalskollegium wird eine Abkehr von Franziskus' eher progressiven Kurs erwartet. Sie setzen unter anderem auf den Ungarn.
Erdö wurde im Jahr 2000 Weihbischof in Székesfehérvár, 2002 ernannte Papst Johannes Paul II. ihn zum Erzbischof von Esztergom-Budapest, 2003 nahm er ihn ins Kardinalskollegium auf. Er stammt aus einer sehr gläubigen Familie. Erdö erklärte einmal, er habe von seiner Familie gelernt, dass der Glaube das Wichtigste im Leben sei. Seine Eltern konnten unter dem kommunistischen Regime in Ungarn ihre Berufe als Jurist und Lehrerin nicht ausüben.
Luis Antonio Tagle
Der frühere Erzbischof von Manila lebt nun schon seit einigen Jahren in Rom. Der 67 Jahre alte Geistliche aus der katholischen Vorzeigenation in Asien, den Philippinen, wurde 2019 von Franziskus Kardinalpräfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker. Inzwischen ist er Pro-Präfekt des daraus hervorgegangenen Dikasteriums für die Evangelisierung – einer der wichtigsten Posten der Kurie. Als Dikasterien werden die Zentralbehörden der vatikanischen Kurie bezeichnet, sie sind vergleichbar mit Ministerien.
Tagle wird immer wieder als aussichtsreichster Kandidat genannt, falls die Wahl im Konklave erstmals auf einen Asiaten fallen sollte. Er hat auch chinesische Wurzeln. Wie Papst Franziskus setzt er sich für eine Kirche ein, die an der Seite der Armen steht. Und ebenso wie der Argentinier ist er strikt gegen Abtreibung und Empfängnisverhütung.
Fridolin Ambongo Besungu
Bereits seit geraumer Zeit wird spekuliert, dass bald einmal ein Papst aus Afrika kommen könnte: ein „schwarzer Papst“ also. Am häufigsten hört man inzwischen den Namen des Erzbischofs von Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo: Fridolin Ambongo Besungu. Der 65-Jährige gilt im Vergleich zu seinen Kardinalskollegen aus Europa und Nordamerika als recht konservativ. Er gehört außerdem zu den wichtigsten Kirchenvertretern Afrikas.
Die Öffnung für die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren sah er – wie viele Katholiken in Afrika – sehr kritisch. „Der afrikanische Kontinent erlebte das als kulturelle Kolonialisierung des Westens“, kommentierte Besungu den überraschenden Schritt von Papst Franziskus.
Raymond Burke
Der 76 Jahre alte Kardinalpriester aus den USA, ehemaliger Erzbischof von St. Louis, galt als einer der härtesten Gegner des verstorbenen Papstes. Der konservative Hardliner kritisierte selbst vorsichtige Reformversuche wie Segnungen für homosexuelle Paare. Größere Änderungen wie Abschaffung des Zölibats oder Frauen als Priester sind für ihn schon gar nicht zu machen.
Nachdem er Franziskus auch öffentlich kritisiert hatte, strich ihm der Vatikan das Gehalt. Auch auf seine 400-Quadratmeter-Wohnung in Rom musste er verzichten. Der Posten als Kardinalpatron des Malteserordens war ihm zuvor schon entzogen worden. Burke gilt als jemand, den das Weiße Haus gern als Papst sehen würde. Allerdings werden seine Chancen als eher gering beurteilt.
Jean-Marc Aveline
Der Erzbischof von Marseille kam an Weihnachten 1958 in Algerien zur Welt, das damals noch zu Frankreich gehörte. Aufgewachsen ist er in den Vororten von Marseille. Heute ist er Erzbischof der großen Hafenstadt im Süden des Landes. Aveline gilt als volksnah – einer der Charakterzüge, die er mit dem verstorbenen Papst teilt. Auch sonst gilt der Südfranzose als jemand, den in Auftreten und Politik viel mit dem Argentinier Jorge Mario Bergoglio einte. Manche nennen ihn gar einen „Super-Bergoglianer“.
Aveline stünde also dafür, dass das Vermächtnis des toten Pontifex fortgesetzt würde. Das spricht aus Sicht mancher gegen ihn. Dass nacheinander zwei ähnliche Päpste gewählt werden, ist in der katholischen Kirchengeschichte eher selten. Aber wenn es doch so käme, hätte der Franzose gewiss schon einen Namen parat: Franziskus II.
Jean-Claude Hollerich
Der Erzbischof von Luxemburg ist einer der einflussreichsten Männer im Vatikan. Der Jesuit sitzt in mehreren wichtigen Dekasterien. Zudem leitet der 66-Jährige, mehrsprachig wie viele in seiner Heimat, die Kommission der Bischofskonferenzen aller EU-Staaten. Bei der jüngsten Weltsynode war der Vertraute des gestorbenen Papstes Franziskus als „Generalrelator“ – eine Art Vermittler, wenn es Meinungsverschiedenheiten gab – eine der zentralen Gestalten.
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