Die Wochenvorschau von Rainer Rutz: Ein Hoch auf die Kapitulation!
Berlin landet in bundesweiten Rankings ja gern auf den letzten Plätzen. So auch bei der Zahl der gesetzlichen Feiertage. Während in Bayern etwa alle Nase lang wegen irgendetwas Katholischem blaugemacht werden darf, wodurch man dort auf 13 Feiertage im Jahr kommt, müssen sich die Berliner:innen mit gerade mal 10 Tagen zufrieden geben.
Ein unhaltbarer Zustand fand auch der Senat – und schenkte der Hauptstadt deshalb an diesem Donnerstag anlässlich des 80. Jahrestages der bedingungslosen Kapitulation Nazi-Deutschlands vor der militärischen Überlegenheit der Alliierten einen zusätzlichen freien Tag. Der gilt zwar nur in diesem Jahr, dafür ist er bundesweit einmalig.
Der Senat selbst hat als Begleitmusik dazu gleich noch eine komplette Gedenkwoche ausgerufen, organisiert von der landeseigenen Kulturprojekte Berlin GmbH. Noch bis Sonntag laufen in der ganzen Stadt zahlreiche Veranstaltungen zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa am 8. Mai 1945, darunter Ausstellungen, Diskussionsrunden, Führungen und Konzerte.
Am Mittwoch werden sogar die Mitglieder des Abgeordnetenhauses für eine offizielle Gedenkveranstaltung im Roten Rathaus aus den Parlamentsferien zurückgeholt. Danach kann, wer will, wieder entspannen. Die Pause geht noch bis Mitte Mai.
Die Polizei bereitet sich unterdessen erneut auf einen größeren Einsatz vor, um vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine ein Kapern des Gedenkens im Umfeld der Sowjetischen Ehrenmale Treptow, Tiergarten und Schönholzer Heide durch Putin-Freund:innen und sonstige Quartalsirre zu verhindern. Mit inbegriffen ist hier auch der Freitag. Schließlich feierte man in der Sowjetunion aufgrund der Zeitverschiebung das Inkrafttreten der Nazi-Kapitulation erst am 9. Mai. Nicht zuletzt das Ehrenmal im Treptower Park zieht an diesem Tag traditionellerweise Tausende Menschen an.
Wie in den Vorjahren hat die Polizei dann auch diesmal wieder eine lange Verbotsliste für die besagten Orte herausgegeben. Das Tragen von Uniformen ist demnach ebenso untersagt wie das Abspielen und Singen russischer Marsch- und Militärlieder und „das Zeigen von Fahnen und Flaggen mit russischem Bezug“, die Flagge der untergegangenen Sowjetunion inklusive. „Wir rechnen wieder mit dem Schlimmsten“, erklärte bereits vorab die russlandvernarrte Kleinstpartei DKP.
Wir rechnen auch wieder mit dem Schlimmsten – und verweisen daher lieber auf die sympathische Diskothek About Blank in Friedrichshain. Die lädt am Donnerstag in ihren „Kapitulationsgarten“ ein, um die Niederlage der deutschen Volksgemeinschaft vor 80 Jahren „gebührend zu begießen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen