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Einer bremst beim AfD-Verbot

Die Bremer Bürgerschaft fordert erneut vom Senat, ein AfD-Verbotsverfahren voranzutreiben. Doch der SPD-Innensenator gibt sich äußerst skeptisch

Gar nicht so schwer mitzutragen: Forderung nach einem AfD-Verbot Foto: Carsten Koall/dpa

Von Lotta Drügemöller

Ding! Und dreißig Sekunden später erneut: ding! Immer wieder erinnert Bremens Bürgerschaftspräsidentin Antje ­Grotheer den Redner mit ­ihrer Glocke an die vorgegebene ­Redezeit, aber der ist kein einfacher Abgeordneter, sondern Senator und lässt sich nicht so leicht beeindrucken: Ulli Mäurer spricht weiter. Der Bremer SPD-Innensenator hat einigermaßen viel zu sagen, und wie er es sagt, ist einigermaßen überraschend.

„Eigentlich hatten wir uns darauf vorbereitet, das Pokalfinale der Werder-Frauen zu feiern“, erzählt er; der Rathaus-Empfang für die geschlagenen Finalistinnen war für letzten Freitag angesetzt. „Aber, dass, was da passiert ist, hat uns die Stimmung ziemlich vermasselt.“ Damit meint Mäurer nicht Werders Niederlage, sondern die Veröffentlichung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Das hatte am Freitag nach jahrelanger Prüfung erklärt: Die AfD ist gesichert rechtsextrem.

Dass es eine SPD-Innenministerin war, unter deren Regie die Einschätzung des Verfassungsschutzes veröffentlicht wurde, mag man kaum glauben, wenn man dem Sozialdemokraten Mäurer so zuhört. Er ist irritiert, oder, in seinen eigenen Worten: „Alle sind irritiert“. Irritiert über den Zeitpunkt, „eine so weitreichende Entscheidung ohne Vorabstimmung herauszuhauen“, sagt Mäurer.

„Sehr merkwürdig“ für sein rechtsstaatliches Verständnis sei, dass das Gutachten nicht publiziert worden sei. Jetzt herrsche „mediales Chaos“, jedes Land fordere andere Konsequenzen. Ding! Für die Länder sei die Veröffentlichung ärgerlich, die eigenen Prüfaufträge würden so auf Anfang zurückgesetzt. Ding! Bremen zum Beispiel sei gar keine Hochburg der AfD, trotz der 15 Prozent, die die Partei hier bei den Bundestagswahlen bekommen hat.

Mäurers Rede folgt auf eine Bürgerschaftsdebatte, die bis dahin von erstaunlich viel Einigkeit geprägt ist. Der Senat, so der Antrag der Regierungsfraktionen aus SPD, Grünen und Linken, solle sich auf Bundesebene für ein AfD-Verbot einsetzen. Es ist ein Dringlichkeitsantrag der rot-grün-roten Regierungsfraktion, und dringlich ist er, weil er nicht der erste seiner Art ist: Eigentlich hatten die Koalitionsfraktionen schon im März 2024 ihrer Landesregierung den Auftrag erteilt, ein Verbotsverfahren voranzutreiben.

Gefordert wurde 2024 unter anderem, dass der Senat sich auf Bundesebene für eine Materialsammlung des Bundesamtes für Verfassungsschutz einsetzen soll, und auf dessen Grundlage einen Verbotsantrag zu prüfen. Die Materialsammlung liegt nun vor; mit einem bisschen guten Willen müsste man der eigenen Regierung also noch gar keine Untätigkeit vorwerfen. Es ist wohl Zeichen dafür, dass zwischen Innensenator und Parlament schon länger ein Dissens in der Frage besteht.

Die Debatte unter den Parlamentariern ist dagegen erstaunlich einig: Opposition und Regierungsfraktionen danken sich gegenseitig für ihre Redebeiträge. Das ist überraschend, wenn man bedenkt, wie in den Monaten vor der Bundestagswahl rhetorisch aufgerüstet worden war. In einer persönlichen Rede warnt SPD-Fraktionsvorsitzender Mustafa Güngor vor einer Partei, die ihm und vielen anderen abspreche, Deutsche zu sein. „Nie wieder ist jetzt“, begründet er seine Aufforderung, die AfD mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen. Sofia Leonidakis, die Fraktionssprecherin der Linken, nennt die Einstufung des Verfassungsschutzes den „vielleicht letzten Weckruf, um zu verhindern, dass die AfD irgendwann mitregiert“.

Allein geht es nicht

Die FDP moniert nur, dass das Gutachten nicht öffentlich sei, man bisher wenig darüber wisse, welche Erkenntnisse hinter der Einstufung des Verfassungsschutzes stecke; und die CDU fordert zwar weitere Prüfungen: Man müsse sich schon sehr sicher sein, dass der Schlag auch sitze, bevor man das scharfe Schwert eines Parteiverbots anwende, warnt Wiebke Winter in der Bürgerschaftsdebatte. Aber sie spricht auch von einem Auftrag der „Mütter und Väter des Grundgesetzes“ gegen Feinde der Demokratie vorzugehen.

Wie auch die FDP stellt die CDU ihren Abgeordneten die Abstimmung frei. 16 CDUler stimmen am Ende für den Regierungsantrag, die anderen sieben enthalten sich.

Wenn schon nicht mit der Bremer Bürgerschaft, so weiß sich Mäurer in seiner abwartenden Haltung doch immerhin mit den anderen In­nen­mi­nis­te­r*in­nen einig. „Ich kenne keinen einzigen Kollegen, der will, dass in Bremerhaven Verbotsverfahren eröffnet wird“, sagt er mit Blick auf die Innenministerkonferenz im Juni, die unter Bremer Vorsitz in der Seestadt stattfinden wird.

Die faktischen Möglichkeiten einer Landesregierung sind beschränkt. Allein kann Bremen wohl nicht viel reißen. „Der Senat“, heißt es im Antrag, „möge zum einen dazu in Gespräche mit der neuen Bundesregierung eintreten und dabei auf ein solches Verbotsverfahren hinwirken“. Stärker wirkt das „zum anderen“, zum anderen nämlich möge der Senat eine „Bundesratsinitiative initiieren“. Für einen erfolgreichen Antrag braucht es eine Mehrheit in der Länderkammer.

Leicht wird das nicht. Ulli Mäurer weist in seinem Redebeitrag darauf hin, dass sich die Länder in dieser Frage im Bundesrat bisher nicht nach „A“- und „B“-Ländern aufteilen, nach solchen mit SPD, beziehungsweise CDU-Regierungsbeteiligung also, sondern dass die Positionen wild durcheinandergehen. Tatsächlich hat sich Schleswig-Holsteins CDU-Landesvater Daniel Günther schon für ein Verbotsverfahren ausgesprochen, während Niedersachsens Noch-Ministerpräsident Stephan Weil eher zur Vorsicht mahnt.

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