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Brokdorfer Mottenkiste

Die Atomlobby plant „Anschalt-Konferenz“ in Berlin. Neun abgeschaltete AKWs will sie reaktivieren

Von Reimar Paul, Göttingen

Die Atomlobby lässt nicht locker. Für den 22. Mai planen der Verein „Nuklearia“ und die „Radiant Energy Group“ im Berliner Luxushotel de Rome eine „Anschalt-Konferenz“ mit internationaler Beteiligung. „Kernkraft für Deutschland – jetzt!“, ist die Einladung überschrieben, und weiter heißt es: „9 Kernkraftwerke reaktivieren. Wirtschaft retten. Klimaziele erreichen.“

Die Energiewende mit dem Ziel „100 % Erneuerbare“ habe Deutschland an den Rand des wirtschaftlichen Abgrunds geführt, behaupten die Veranstalter. Unter den angekündigten Red­ne­r:in­nen sind Ex-Familienministerin Kristina Schröder (CDU), die Technik-Historikerin Anna Veronika Wendland, der Geschäftsführer der Deutschen Kernreaktor-Versicherungsgemeinschaft, Achim Jansen-Terstegen und der italienische Atomanwalt („Avvocato dell’Atomo“) und Publizist Luca Roma, der in seinem Heimatland über etliche Social-Media-Kanäle kräftig Stimmung für Atomkraft macht.

Konkret die Kraftwerke Brokdorf, Emsland und Grohnde könnten schon innerhalb von ein bzw. drei bis vier Jahren wieder Strom liefern, behaupten die Veranstalter. Sechs weitere Anlagen wären innerhalb von sechs bis acht Jahren wieder betriebsbereit: „Das ist technisch möglich, dabei preiswerter und schneller als ein Neubau.“

Tatsächlich befinden sich alle stillgelegten AKWs längst im Rückbau. Zudem haben die deutschen AKW-Betreiber abgewinkt, sie sind vor allem aus wirtschaftlichen Gründen an einer Wiederbelebung der Reaktoren nicht interessiert. Dass ausgerechnet Brokdorf als Kandidat für eine Wiederinbetriebnahme genannt wird, ist durchaus als politische Provokation der Umwelt- und Anti-AKW-Bewegung zu verstehen. Das AKW an der Unterelbe stand wie kein zweites für den durch den Ausstieg leidlich befriedeten Großkonflikt um die Atomkraftnutzung. Ende 2021 wurde Brokdorf endgültig stillgelegt. Betreiber Vattenfall prüft am Standort derzeit die Errichtung eines leistungsfähigen Batteriespeichers.

Anders als vor der Wahl von der Union lautstark gefordert, will die neue Bundesregierung bis auf Weiteres keine Rückkehr Deutschlands zur Nutzung von Atomenergie prüfen. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD finden sich keine Regelungen zum Thema Atomausstieg. Die letzten drei Atomkraftwerke sind vor zwei Jahren vom Netz gegangen.

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