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Alles neu, ARD?

Thilo Mischke sollte Moderator bei „ttt“ werden – nach Sexismusvorwürfen kam das Aus. Jetzt übergibt die ARD das Magazin an den MDR. Bringt das Vertrauen zurück?

Logo von des wohl wichtigsten Kulturmagazins der Öffentlich-Rechtlichen Foto: ARD

Von Ann-Kathrin Leclère

Der Fall Thilo Mischke hat die ARD aufgemischt wie sonst kein anderes Thema. Nach der öffentlichkeitswirksamen Kritik am Kulturmagazin „Titel, Thesen Temperamente“ („ttt“), insbesondere im Zusammenhang mit der Kritik an Mischke, der zunächst Moderator der Sendung werden sollte und wieder abgesetzt wurde, zieht die ARD jetzt Konsequenzen.

Künftig soll der MDR die Federführung für das traditionsreiche Magazin übernehmen, teilte eine Sprecherin der ARD am Montag mit. Damit soll nicht nur die redaktionelle Verantwortung klarer verortet, sondern auch die Qualitätssicherung im Format verbessert werden.

Der MDR wird zur zentralen redaktionellen Instanz für „ttt“ und übernimmt somit eine koordinierende Rolle innerhalb des bislang dezentral organisierten ARD-Formats. Ziel sei es, laut ARD, die redaktionellen und produktionellen Abläufe zu straffen und zugleich eine einheitlichere redaktionelle Linie zu kreieren.

Wie hat der Fall Thilo Mischke diese Veränderungen angestoßen? Sowohl der Sendung „ttt“ als auch der ARD waren Ende 2024 und zu Beginn des Jahres 2025 journalistische Versäumnisse vorgeworfen worden. Grund war die Kritik von Jour­na­lis­t:in­nen und Ak­ti­vis­t:in­nen an früheren sexistischen und rassistischen Aussagen Mischkes und seinem 2010 erschienenen Buch „In 80 Frauen um die Welt“. Nach Meinung der Kri­ti­ke­r:in­nen hatte er sich davon nicht ausreichend distanziert. Auch nachdem sich die ARD entschieden hatte, Mischke doch nicht zu verpflichten, verstummte die durch ihn ausgelöste Debatte über Diversität und Reflexion bei den Öffentlich-Rechtlichen nicht.

Insbesondere wurde kritisiert, dass die Verantwortlichkeiten im bisherigen Konstrukt – sechs Landesrundfunkanstalten wechseln sich in der Produktion der Sendung ab – nicht klar geregelt gewesen seien. Das erschwerte eine einheitliche Qualitätskontrolle der Inhalte.

Auch Thilo Mischke selbst hatte in einem Interview für die Zeit kürzlich ausführlich Kritik an der ARD geübt. Die unklare Verantwortungslage habe wie ein Brandbeschleuniger gewirkt. Das habe zu einem Versagen der ARD geführt.

Die ARD schrieb in einer Pressemitteilung: „Die über Jahre bewährte Zusammenarbeit verschiedener ARD-Häuser bei „ttt“ hat 2024 einen kritischen Punkt erreicht, den wir sehr bedauern.“

Der MDR wird für das lineare Fernsehprogramm sowie für die Social-Media-Angebote der Marke „ttt“ zuständig sein, teilte ein Sprecher des MDR mit. Zu der konkreten Ausgestaltung wollte sich der MDR auf Anfrage nicht äußern, da „die Federführung […] gerade intern erarbeitet und mit den beteiligten ARD-Redaktionen abgestimmt“ werde. Das Prinzip habe sich auch bei anderen Kooperationsprojekten bei der ARD bewährt, so der Sprecher.

Zur Ausgestaltung der Fehlerkultur und Prozesse äußerte sich die ARD nicht

Nach außen betont die ARD nun nach Monaten der Sprachlosigkeit, dass aus der „sorgfältigen und selbstkritischen Aufarbeitung“ nun „klare Konsequenzen“ folgen sollen. Diese beinhalten etwa, bestehende Standards der ARD zu überprüfen und weiterzuentwickeln.

Auch sollen „neue und verbindliche Kriterien für Casting-Prozesse“ definiert werden. Die ARD sei bereit, aus Fehlern zu lernen und unsere Strukturen konsequent zu verbessern“, so die Pressemitteilung.

Zur Ausgestaltung der Fehlerkultur und neuen Prozesse äußerte sich die ARD nicht. Ob und wie die Neuordnung zu einer echten Stärkung des wohl wichtigsten Kulturmagazins der Öffentlich-Rechtlichen führt, wird sich zeigen. Die Debatte über journalistische Verantwortung und Qualität bleibt aktuell – nicht nur in der ARD.

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