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„Eine Win-win-Situation“

Die He­do­nis­t:in­nen von MyGruni setzen bei ihrer diesjährigen 1.-Mai-Intervention im Villenkiez Grunewald auf eine neue Strategie: Sie wollen Superreiche ins All schießen

Zurück zu alten Traditionen: Dieses Jahr soll ein Block bei der 18-Uhr-Demo wieder klassisch ganz in Schwarz kommen Foto: Christian Mang/imago

Interview Timm Kühn

taz: Frau Frauke Geldher, der Weltraum mit seinen unendlichen Weiten war früher ein Sehnsuchtsort für Zukunftsutopien, heute ist er eine Spielwiese für den Größenwahn einiger Superreicher. Was will die Grunewald Space Agency dem entgegensetzen?

Frauke Geldher: Das Weltall ist immer noch ein Sehnsuchtsort – nur sind die Sehnsüchte sehr unterschiedlich. Gerade sehen wir, wie reiche Oligarchen den Planeten mit seinen Be­woh­ne­r:in­nen kaputt machen, wie sie in ihren Zielen total abgehoben sind. Sie wollen kein funktionierendes Gesundheitssystem mehr, sondern individuelle Unsterblichkeit, keinen Wohnraum für alle, sondern Luxusbunker. Und da sagen wir: Dann lasst uns doch trennen. Ihr bekommt das unsterbliche, künstliche Leben auf dem Mars, wir die Ressourcen, unsere terrestrischen Probleme zu lösen – eine klare Win-win-Situation.

taz: Wird es für die Superreichen die Möglichkeit geben, zur Erde zurückzukommen?

Geldher: Wir bieten One-Way-Tickets an. Wir gehen davon aus, dass sie sich da oben sehr wohlfühlen werden. An mehr haben wir ehrlicherweise auch nicht gedacht. Aber das sind ja alles innovative Köpfe, wir sind sicher, die werden sich was einfallen lassen, falls sie zurückwollen.

taz: Dürfen auch Po­li­ti­ke­r:in­nen auf den Mars umsiedeln?

Geldher: Also zunächst wollen wir Mil­li­ar­dä­r:in­nen den Weg ebnen. Aber wir alle wissen: Ökonomische Macht geht mit politischem Einfluss einher. Wir gehen davon aus, dass es da einen Pullfaktor geben wird – und manche Po­li­ti­ke­r:in­nen mitfliegen. Wir sagen: Musk, Milei und Merz first!

taz: Ihr Raumschiff ist das „Antinationale Space Shuttle MyAss“. Klingt, als haben Sie es nicht so mit Grenzen. Ist Superreiche ins All zu schießen aber nicht auch eine Form der Abschiebung?

Geldher: Nein, das basiert ja alles auf Freiwilligkeit. Wir sehen klare Anzeichen, dass die Superreichen dieser Menschheit und ihrer Probleme überdrüssig sind. Also gehen wir davon aus, dass sie dieses Angebot mit Freuden annehmen werden.

Frauke Geldher (Name ist Programm) ist 42 Jahre alt und Pressesprecherin der „Grunewald Space Agency“ vom Quartiersmanagement Grunewald

Die Demo MyGruni betreut den Problemkiez Grunewald nun schon seit 2018. Jedes Jahr am 1. Mai machen Sie auf die vielen Missstände vor Ort aufmerksam, zum Beispiel auf die verbreitete Steuerkriminalität. Ist Ihr neuer Ansatz nicht auch eine Form der Resignation? Man schießt die Reichen ins All – statt langfristig Sozialarbeit zu leisten?

Geldher: Ja, das ist natürlich auch eine Reaktion auf die Sparpolitik in Berlin und überall. Wer hat schon noch Geld für langjährige Sozialarbeit? Wir haben einfach nicht mehr die Mittel, die Reichen zu betreuen, deshalb jetzt dieses Angebot.

taz: Wir interessieren uns natürlich auch für die Umweltfolgen Ihres Vorhabens. Ist denn damit zu rechnen, dass die Villengegend im Grunewald Schaden nimmt?

„Wir haben keine Mittel mehr, die Reichen zu betreuen, daher das Angebot“

Geldher: Es wird zu keinen Umweltschäden kommen. Unsere Autonomen Space Worker sind seit Jahren in der Gegend aktiv, uns liegt das dortige Ökosystem aus Zuchtorchideen und Rassehunden am Herzen. Unser Space Shuttle ist natürlich nicht emissionsfrei – aber da extremer Reichtum die größte Klimasauerei überhaupt ist, sind wir zuversichtlich, dass die CO₂-Bilanz unseres Vorhabens schon jetzt positiv ist.

taz: Was planen Sie am 1. Mai konkret?

Geldher: Das Areal rund um den ehemaligen Johannaplatz wird ab 13 Uhr zum Cape Gruneval umgestaltet. Um diesen zentralen Raumfahrtcampus gibt es fünf verschiedene Kundgebungen, die durch eine Orbiterdemo ab 12 Uhr beständig verknüpft werden, sodass wir diesen gesamten Bereich als autonome Space Force fluten können. Auf jeder dieser Kundgebungen können sich Interessierte über verschiedene Aspekte des „MilliardeXit“, wie wir unser Raumfahrtprogramm nennen, informieren.

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