: Warum läuft’s mit der Banane krumm?
Der Markt für die kanarische Banane ist übersättigt. Das liegt an billigen Bananen aus Lateinamerika – und an heimischer Überproduktion. Über ein gigantisches Wegwerfgeschäft, das mit EU-Geldern subventioniert wird
Aus Bañaderos (Gran Canaria) Augustin Campos und Stefanie Ludwig (Text und Fotos)
Antonio Hernandez Guerra hat es eilig. Gerade noch hat der Unternehmer seinen Landrover durch enge, von Bananenplantagen gesäumte Straßen manövriert, da kommt er schon wieder zum Stehen. Schwere Tore öffnen sich, als er auf den Hof seines Betriebs fährt. Seine Bananenplantage ist eine der größten hier in der Kommune Bañaderos im Norden von Gran Canaria. 30 Arbeiter beschäftigt der Geschäftsmann, er selbst bezeichnet sich als Landwirt.
Die Gegend ist vor allem für ihre kleinen Produzenten bekannt. „Ich bin ein bisschen ein besonderer Fall“, sagt Hernandez stolz, während er sich, kaum angekommen, in weißem Hemd und cremefarbenem Pullunder an einer der meterhohen Bananenstauden zu schaffen macht. Vom Hof aus schweift der Blick über Stauden, soweit das Auge reicht.
Mit seinen 22,5 Hektar Land gehört der 70-jährige Spanier, der gleichzeitig Anwalt für Steuerrecht, Versicherungsmathematiker und Chef einer Immobilienagentur ist, zu den Großunternehmern auf Gran Canaria. Nur einige wenige Giganten in der Branche bringen es auf diesem Stückchen Spanien, im Atlantik unweit der marokkanischen Küste, auf über 100 Hektar Fläche. „Gestern haben wir 19 Lastwagen mit 1.520 Bananenbüscheln gefüllt“, erzählt der Betriebsleiter Miguel Marrero, während er durch die Bananenblätter stapft, die am Vortag mit der Machete abgeschnitten und zerkleinert wurden. „15 Arbeiter hat es dafür gebraucht. Es ist wirklich hart, 50 Kilo trägt eine Person durchschnittlich auf dem Rücken“, erklärt er. Bis zur Wirtschaftskrise 2008 war Marrero Maurer. Weil es den Bausektor damals besonders hart erwischte, wechselte er wie viele als Arbeiter auf eine Bananenplantage.
18.000 Menschen arbeiten auf den Kanarischen Inseln heute direkt oder indirekt in der Branche. Der Bananensektor ist der größte landwirtschaftliche Sektor auf der Inselgruppe. Nicht nur wegen der Jobs betrachten viele Einwohner die gelbe Frucht als unverzichtbar. Sie prägt hier auch das Landschaftsbild, seit im 16. Jahrhundert portugiesische Siedler das Obst aus Zentralafrika mit auf die Inseln brachten. Die Frucht ist die wichtigste Monokultur der Inselgruppe, auf Teneriffa findet man kilometerweite Flächen voller Bananenstauden.
Doch die Branche steckt tief in der Krise. Und dazu tragen auch Großproduzenten wie Hernandez Guerra bei. Seine Bananen werden, wie der Großteil der Früchte auf den Kanarischen Inseln, konventionell angebaut. Mit anderen Worten: Sie werden mit chemischen Düngern aufgepumpt und mit Pflanzenschutzmitteln „sauber“ gehalten. Das hat Auswirkung auf die Produktivität, die sehr hoch ist: 66.000 Kilo sind es auf Hernandez Guerras Farm pro Hektar, der Durchschnitt auf den Kanarischen Inseln liegt bei 48.000 Kilo. Aber dieses Modell ist nicht nachhaltig.
Einige Meter weiter wird eine Maschine angeworfen. Ein junger Mitarbeiter namens Kevin besprüht im Schutzanzug und mit Sprühgerät zusammen mit einem älteren Kollegen eine Reihe Bananenstauden mit Insektiziden. Ein toxischer Sprühregen liegt in der Luft. „Mit Wasser gemischt lassen sich in anderthalb Stunden 1.000 Liter verteilen“, erklärt Kevin, seine Stimme durch die Schutzmaske gedämpft. Dicke Tropfen fallen von den Blättern. Dann watet er unter lautem Rascheln weiter durch die Reihen, um sich einer anderen Bananenstaude zu widmen. „Wir wiederholen den Vorgang alle sechs Monate, um insbesondere die weiße Fliege zu bekämpfen“, erklärt er und richtet den Strahl wieder in die Höhe.
Das Handelsabkommen zwischen EU und Mercosur Am 6. Dezember 2024 unterzeichneten die EU und vier südamerikanische Staaten der Mercosur-Gruppe ein Handelsabkommen – nach 25 Jahren Verhandlung.
Kritik und Widerstand Das neue Abkommen, das über 700 Millionen Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks betrifft, hatte viel Widerstand ausgelöst. Vor allem Landwirte und Viehzüchter in Ländern wie Frankreich, Spanien, Polen, Deutschland, Irland und Italien befürchteten einen unfairen Wettbewerb, weil die Produktionskosten in den Mercosur-Staaten deutlich niedriger sind als in Europa.
Interessen der EU Der Schutz der europäischen Landwirtschaft stand bei den Verhandlungen nicht im Vordergrund. Die EU wollte vor allem Zugang zum riesigen Markt der Mercosur-Staaten bekommen, um ihre Industrieprodukte wie Autos, Maschinen, Hightechprodukte, Pharmazeutika sowie Dienstleistungen zu verkaufen. Außerdem spielt der Import von Rohstoffen und Metallen für europäische Unternehmen, die im Wettlauf um die Energiewende vorne mitspielen wollen, eine wichtige Rolle. Die Mercosur-Länder erreichen durch das Abkommen neue Absatzmärkte, unter anderem für ihre Fleischproduktion, die massenhaft und umweltschädlich betrieben wird.
Politische Haltung in Deutschland Die schwarz-rote Regierung unter Angela Merkel lehnte das Abkommen noch ab. Sie befürchtete, dass die Abholzung des Amazonasgebiets weiter voranschreiten würde, weil für mehr Exporte neue Anbauflächen geschaffen würden. Doch die Ampelkoalition unter Kanzler Olaf Scholz stimmte dem Abkommen schließlich zu, auch weil sie darin eine Chance sah, neue Märkte für die angeschlagene deutsche Autoindustrie zu erschließen.
Obwohl man es bei dem Anblick nicht vermuten würde, werden seit einigen Jahren auf Hernandez’Farm, aber auch andernorts auf der Insel weniger Pestizide und Herbizide eingesetzt. In den Genossenschaften gebe es ein größeres Umweltbewusstsein und die Techniken entwickelten sich weiter, vor allem, weil die Kontamination des Grundwassers stärker berücksichtigt werde, erklärt Jaime Coello, Direktor von Telesforo Bravo, einer Stiftung, die sich für den Schutz natürlicher Ressourcen einsetzt. Der Umweltaktivist erklärt: „Wir beobachten die Rückkehr von Insekten in die Bananenplantagen. Noch vor einigen Jahren waren es regelrecht Wüsten.“ Weil auf seinem Betrieb Pestizide nicht mehr ganz so systematisch verwendet werden, bezeichnet Antonio Hernandez Guerra diesen sogar als „fast biologisch“. Dass seine meterhohen Cavendish-Bananenstauden, die tonnenweise Früchte abwerfen, Teil eines größeren Problems sind, davon will der Betriebschef nichts wissen.
2023 wurde auf den Kanarischen Inseln eine Rekordproduktion verzeichnet. Der Markt ist übersättigt, es gibt fast das ganze Jahr über zu viele Bananen. Auf allen Kanareninseln wurden im Rekordjahr 2023 467.000 Tonnen Bananen produziert, 13 Prozent mehr als der Durchschnitt der vergangenen 10 Jahre. 2024 waren es noch 450.000 Tonnen.
Der Grund für diesen überproportionalen Produktionsanstieg ist der Klimawandel. Er trifft die Inselgruppe im atlantischen Ozean besonders stark. In den vorigen Jahren gab es einen Mangel an Niederschlägen, gleichzeitig stiegen die Temperaturen. 2023 lag der Durchschnitt auf den sieben Inseln 1,5 Grad über den üblichen Werten. Auch im Winter war es deutlich wärmer. „Die Bananenpflanze wächst bei Temperaturen zwischen 15 und 35 Grad. Wenn es dann im Winter 15 statt 14 Grad hat, macht das einen enormen Unterschied. Die Pflanze arbeitet weiter“, erklärt Juan Nuez, Wirtschaftswissenschaftler und Experte für kanarische Bananen.
Die Erderwärmung verkürzt außerdem die Produktionszyklen. Und sie erschwert die Planung, weil nicht mehr vorhersehbar ist, welcher Zeitraum der ertragreichste sein wird. Lange Zeit war es der Winter, aber jetzt variiert es von Jahr zu Jahr. „Es ist zu einer Lotterie geworden“, erzählt David Segura, ein Kleinbauer aus dem Südwesten der Insel. Er bewirtschaftet 1,5 Hektar Land und musste 2023 auf den Verkauf von 2.000 bis 3.000 Kilo Bananen verzichten, die schon an der Pflanze gelb geworden waren. Normalerweise werden sie noch grün geerntet.
„Die Steigerung der Gesamtproduktion ist theoretisch eine gute Nachricht, in einer Welt, in der Menschen hungern. Aber der Sektor braucht Käufer“, erklärt Juan Nuez. Und Käufer, zumindest für die kanarischen Bananen, fehlen. Denn die iberische Halbinsel, bislang ihr größter Markt, platzt vor Bananen aus allen Nähten. Und das, obwohl der Konsum dieser Frucht dort weiter steigt, sagt Sergio Caceres, Geschäftsführer der Vereinigung Asociación de Organizaciones de Productores de Plátanos de Canarias (Asprocan), der die sechs Erzeugerorganisationen der Branche unter sich vereint.
Der Grund für den übervollen Markt: Die Konkurrenz aus Lateinamerika, hauptsächlich aus Costa Rica, Kolumbien und Ecuador, die seit mindestens zehn Jahren immer weiter auf den Markt vordringt. Die kanarische Banane ist nicht mehr die erste Wahl für die Mehrheit der Spanier, die lateinamerikanischen Früchte sind deutlich billiger als ihre europäischen Schwestern. Und sie wurden mit Pflanzenschutzmitteln behandelt, die in der Europäischen Union verboten sind.
Durch die EU wurde der Siegeszug lateinamerikanischer Bananen überhaupt erst möglich. Seit 2017 wird auf die Einfuhr kaum noch Zoll erhoben. „Wenn die Banane aus Lateinamerika im spanischen Hafen ankommt, kostet sie 70 Cent pro Kilo“, erklärt Juan Nuez. „Die kanarische Banane liegt bei 1,20 Euro pro Kilo.“ Exportiert werden die Überseebananen von multinationalen Konzernen, hauptsächlich den beiden Giganten der Branche, Fyffes und Chiquita. Diese Firmen haben ihre eigenen Schiffe, die sie flexibel zwischen Ländern hin und her schicken. Bananen dieser Konzerne kommen meist über den Hafen in Antwerpen nach Belgien. Dort landen sie in riesigen Reifekammern, bevor sie weiter durch Europa entsendet werden.
Die kanarische Banane hingegen wird außerhalb Spaniens und Portugals kaum verkauft und ist jetzt auch noch auf ihrem Hauptabsatzmarkt in der Minderheit. Gleichzeitig waren die Produktionskosten noch nie so hoch wie heute. „So wird es für die Landwirte immer schwieriger, kanarische Bananen zu einem rentablen Preis zu verkaufen“, sagt Juan Nuez. Das Handelsabkommen, das die Europäische Union im Dezember 2024 mit vier Mercosur-Staaten unterzeichnete, könne die Situation noch verschlimmern. Bananen aus Brasilien, dem viertgrößten Produzenten der Welt, könnten dann ganz ohne Einfuhrzölle auf den europäischen Markt gelangen.
Um zu verhindern, dass die Preise angesichts der Marktsättigung völlig zusammenbrechen, organisiert Asprocan regelmäßig eine sogenannte Pica. Diese legt fest, dass eine bestimmte Anzahl an Bananen vom Markt zurückgenommen werden muss. 2023 fiel die Pica besonders groß aus, die zweitgrößte in der Geschichte: 26 Millionen Kilo Bananen aus kanarischen Betrieben mussten vernichtet werden, ein Teil wurde an Lebensmittelbanken gespendet. 2024 umfasste die Pica mindestens 13 Millionen Kilo, doch wahrscheinlich ist die Zahl noch höher. Wegen der komplizierten Situation in der Branche hält Asprocan die Zahlen bewusst vage. Für viele Landwirte bedeutet die Pica einen enormen Einkommensverlust und eine immense Verschwendung von Ressourcen.
„Die Pica ist jedes Mal eine absolute Katastrophe“, klagt Antonio Gonzalez. Sein Betrieb liegt in derselben Gegend wie der von Antonio Hernandez, ist mit 3 Hektar Fläche aber deutlich kleiner. 2008 hat der erfahrene Landwirt auf ökologische Bananenproduktion umgestellt. Ihn trifft die Krise besonders hart, weil die Produktionskosten im Biolandbau noch höher sind. Antonio Gonzalez, 84 Jahre alt, hat weder Zeit noch Lust, lange um den heißen Brei herum zu reden: „Das ist die Folge mangelnder Planung und Produktionssteuerung“, ärgert sich der ehemalige Wirtschaftsprofessor und verweist auf die Verantwortung der sechs Erzeugerorganisationen, die sich „mehr mit Machtkämpfen beschäftigen“, in einem Sektor, der ohnehin schon gespalten sei.
Im Rekordjahr 2023 musste Antonio Gonzalez’Betrieb auf den Verkauf von 15.000 Kilo Biobananen verzichten – das sind 12 Prozent der gesamten Produktion. Wenn man sich an einem Verkaufspreis für Bioprodukte von 0,90 Cent pro Kilo orientiert, ist das ein Verlust von mehr als 10.000 Euro. „Es macht mich wütend“, sagt Antonio Gonzalez und lässt den Blick über seine Plantage schweifen, die sein Sohn Carlos heute in fünfter Generation führt. Dann ergänzt er nach kurzem Schweigen: „Was wir da zerstören, hat viel Mühe, Arbeit, Wasser und europäische Hilfen gekostet.“
Weil die Bewirtschaftung eines Biobetriebs besonders arbeitsintensiv ist und die Bananenbüschel weniger Bananen entwickeln als in der konventionellen Landwirtschaft, ist das wirtschaftliche Gleichgewicht des Betriebs in Gefahr. „Es ist sehr knapp“, sagt Carlos Gonzalez: „Hinzu kommt, dass die Supermarktketten klare Forderungen haben. Sie wollen eine schöne Banane, groß und schlank, obwohl das im Bioanbau nicht immer möglich ist“.
Für Antonio und Carlos Gonzalez ist es ein doppelter Kampf: Auf Spaniens Festland gibt es für die Biobanane von den Kanarischen Inseln generell nur einen kleinen Markt. Der Bioanbau hat sich auf den Inseln nie wirklich entwickelt. Nicht einmal Daten über Anbau und Verkauf gibt es. „Der Markt will sie nicht“, heißt es von der Mehrheit der Akteure in der Branche knapp. Antonio Gonzalez für seinen Teil war schon vor Jahren überzeugt, das Richtige zu tun. Auf den Inseln ist er ein Pionier: „Ich habe an Mutter Natur gedacht, um die wir uns kümmern und die wir schützen müssen. Und bei konventioneller Landwirtschaft werden weder die natürlichen Zyklen noch das Gleichgewicht respektiert.“
Bioanbau und konventioneller Anbau haben aber etwas gemein: einen hohen Wasserverbrauch. „Wir benötigen 300 Liter, um ein Kilo Bananen zu produzieren“, sagt Antonio Gonzalez. Ohne Regen und mit kaum vorhandenen Süßwasserreserven sind die Auswirkungen auf die Umwelt verheerend. Um Einwohner, Touristen und Landwirte zu versorgen, entsalzt die Insel Gran Canaria – und alle anderen Inseln der Kanaren, mit Ausnahme von La Palma – täglich Millionen Liter Meerwasser. Zwei Wärmekraftwerke auf der Insel laufen dazu Tag und Nacht auf Hochtouren. „Die Entsalzung erfordert enorm viel Energie, und oft reichen erneuerbare Energien nicht aus, sodass auf umweltschädliche fossile Ressourcen zurückgegriffen werden muss“, erklärt Umweltschützer Jaime Coello. Das andere große Problem sei die salzhaltige Lauge. Entlasse man sie nach der Entsalzung massenhaft ins Meer, werde dadurch der Meeresboden verschmutzt. Der Salzüberschuss, zusammen mit den Chemikalien, die zur Reinigung der Entsalzungsanlagen verwendet werden, zerstören die marinen Ökosysteme in der Nähe der Abflussrohre. Und trotzdem stellen nur wenige diese Abhängigkeit des Bananenanbaus vom „Erdöl-Wasser“ infrage.
Viele Landwirte beschäftigt etwas ganz anderes. Denn der Sektor ist in Wirklichkeit nur deshalb noch am Leben, weil es EU-Hilfen der Gemeinsamen Agrarpolitik gibt, die für Regionen in äußerster Randlage der Europäischen Union vorgesehen sind (Posei). 141 Millionen Euro werden allen Betrieben auf den Kanaren, großen und kleinen, jedes Jahr zur Verfügung gestellt. 2023 entsprach das 30 Cent pro Kilo Banane. Das Absurde: Gibt es eine Pica, werden alle Beteiligten der Verkaufskette, zum Beispiel die Mitarbeiter der Genossenschaft, die die Bananen verpacken, trotzdem bezahlt und zwar von den Landwirten. Die Landwirte selbst sind die einzigen, die dann nichts verdienen, weil ihre Früchte vernichtet werden. Damit bleiben ihnen nur die EU-Hilfen, die dafür bestimmt sind, Einkommensverluste auszugleichen. 2023 waren das insgesamt 8 Millionen Euro. „Das gibt es nur in der Bananenindustrie“, kritisiert Nuez. Innerhalb des Posei-Programms gebe es keinen anderen Sektor, der sogar dann Subventionen erhalte, wenn er einen Teil der Produktion wegwirft. Er will, dass sich das ändert, damit die Landwirte anfangen, Druck auf die Erzeugerorganisationen und Asprocan auszuüben. Die sind für den Vertrieb zuständig und müssten nun, so Nuez, „die Dinge anders machen, als sie es seit 140 Jahren tun“.
Vielen Erzeugern reichen die EU-Hilfen nicht, um den Schwankungen des Marktpreises zu begegnen. „So kann es nicht weitergehen, wir bringen die Landwirte an den Rand des Bankrotts“, wettert Sergio Rodriguez, Vertreter der traditionellen Bauerngewerkschaft Palca auf der Insel Teneriffa. Hunderte von ihnen, oft die kleinsten und am wenigsten produktiven, sind in großen Schwierigkeiten und werden oft unter ihren Produktionskosten bezahlt. Carmelo Arencibia, Geschäftsführer der Genossenschaft Agusa, die 1.000 kleine und große Produzenten auf der Insel La Palma vereint, nennt die genauen Zahlen: „Im Jahr 2023 betrug der durchschnittliche Preis, der den Landwirten in unserer Genossenschaft gezahlt wurde, 42 Cent pro Kilo, das ist sehr wenig. Das ermöglicht den Landwirten nicht, ihre Ausgaben zu decken“, klagt er.
Die Konsequenz ist niederschmetternd: Viele Betriebe mussten in den vergangenen 15 Jahren schließen, zwischen 2011 und 2023 ist die Zahl der Bananenproduzenten auf den Kanaren von 11.100 auf 7.350 gesunken. Gleichzeitig expandieren große Unternehmen, indem sie die kleinen, weniger produktiven Betriebe übernehmen. Darauf beruht auch der Erfolg von Antonio Hernandez Guerras’Unternehmen. Als Erbe von weniger als einem Hektar hat er in mehr als 30 Jahren 200 landwirtschaftliche Kleinbetriebe, die wenig oder „nicht ausreichend bewirtschaftet“ wurden, aufgekauft, um daraus einen einzigen Großbetrieb zu machen.
Heute produzieren 6 Prozent der Betriebe die Hälfte der Bananen der Inselgruppe. 50 Prozent der europäischen Beihilfen landen in den Händen von nur 400 Erzeugern, das sind rund 5 Prozent der Betriebe auf den Inseln. Doch nicht alle trifft die Krise gleich. Antonio Hernandez für seinen Teil spielt die Krise eher herunter. Das überrascht nur wenig: Sein Betrieb ist stark genug, um Perioden mit niedrigen Verkaufspreisen zu verkraften. Andere, wie Antonio und Carlos Gonzalez, sind anfälliger.

Aber für sie und viele andere gibt es auch Grund zur Hoffnung: Angesichts der beispiellosen Überproduktion schlug die Regierung der Kanarischen Inseln 2024 ein Dekret vor, das zum ersten Mal verbindliche Maßnahmen für den Sektor vorgeben würde. Die europäischen Beihilfen würde es nur noch für 68.500 Kilo pro Hektar geben. Ursprünglich waren zwar mal 65.000 Kilo im Gespräch, die Zahl wurde unter Druck einflussreicher Produzenten und Asprocan jedoch angehoben. Die Begrenzung soll die Produktion eindämmen und diejenigen mit der größten Produktivität davon abhalten, immer mehr zu produzieren. Damit würden auch die Subventionen pro Kilo Bananen wieder steigen und die Verkaufspreise weniger schwanken. Außerdem soll durch das Dekret Diversifizierung, also der Anbau verschiedener Pflanzen, gefördert werden. So soll es weg von der Monokultur der Bananen hin zu einer vielfältigen Landwirtschaft gehen.
Während alle politischen Gruppen sowie die vier Gewerkschaftsorganisationen das Dekret unterstützen, sind vier der sechs Erzeugerorganisationen und Asprocan dagegen. Sie kritisieren, es würden so diejenigen bestraft, die in Produktivität investierten. So sieht es auch Großbauer Antonio Hernandez Guerra. Er schlägt stattdessen das Gegenteil vor: „Denjenigen, die weniger als 40.000 Kilo pro Hektar produzieren, das Recht auf Finanzhilfen entziehen.“ Das würde auf den Kanaren den Großteil der Betriebe betreffen.
Auf der Inselgruppe sprechen sich viele Landwirte für das Dekret aus, besonders die kleineren. Aber ob das Gesetz kommt, ist offen: Gerade wird der Vorschlag vom Consejo consultivo, einem Beratungsgremium der Kanarischen Inseln, auf Verfassungsmäßigkeit geprüft. Einen Dämpfer auf dem Weg zur Umsetzung gab es jedoch bereits im vorigen Herbst: Der Generaldirektor für Landwirtschaft der Inselgruppe, der als Förderer des Dekrets galt, wurde auf Antrag eines Mitglieds des kanarischen Regierungskabinetts entlassen. Die Spaltungen, die das Dekret hervorrief und die ihn um sein Amt brachten, kommentierte er so: „Es gibt eine Minderheit, die möchte, dass sich nichts ändert, dass es immer weniger Landwirte gibt und dass die Produktion in immer weniger Händen liegt.“
Antonio und Carlos Gonzalez auf ihrer Biobananenplantage glauben daran, dass das Dekret einen Wandel bewirken kann. Vor allem dann, wenn es gelingt, die Erzeugerorganisationen zu einer gemeinsamen Verwaltung und Produktionsplanung zu ermutigen: „Bis jetzt steckte der Sektor fest, weil alle mit Kämpfen untereinander beschäftigt sind. Dieses Dekret scheint endlich in die richtige Richtung zu gehen“, sagt Antonio.
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