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Ruanda gedenkt des Völkermordes„Fahrt zur Hölle“, sagt der Präsident

Zum Gedenken an den Völkermord an den Tutsi 1994 verbittet sich Präsident Paul Kagame jede ausländische Kritik. Ruander müssen notfalls kämpfen, warnt er.

Ruandas Präsident Paul Kagame und die First Lady entzünden die Gedenkflamme an der zentralen Völkermordgedenkstätte in Kigali Foto: Jean Bizimana/reuters

Berlin taz | Zum Auftakt des Gedenkens an den Völkermord an Ruandas Tutsi 1994 hat Präsident Paul Kagame am Montag seine Landsleute aufgerufen, keinem äußeren Druck nachzugeben. „Niemand darf euch vorschreiben, wie ihr euer Leben leben sollt“, erklärte er auf der zentralen Gedenkveranstaltung in der Hauptstadt Kigali. Direkter wandte er sich an ausländische Kritiker, die Ruanda Sanktionen androhen: „Ich werde jedem ins Gesicht sagen: Fahrt zur Hölle.“

Kagames über weite Strecken sehr introspektiver Auftritt auf der relativ intim gehaltenen Gedenkveranstaltung wirkte fast wie ein Abschied des ehemaligen Tutsi-Guerillaführers, dessen RPF (Ruandische Patriotische Front) 1994 die Hutu-Regierung bezwang, die zuvor ab dem Abend des 6. April 1994 über eine Million Menschen in einem organisierten Völkermord an den Tutsi umgebracht hatte. Die RPF regiert Ruanda bis heute, Kagame ist seit 2000 Staatspräsident; vergangenes Jahr wurde der mittlerweile 67-jährige mit 99,2 Prozent der Stimmen wiedergewählt.

Die Welt erlebe eine „grausame Gegenwart“, in der nicht mehr Fakten zählten, sondern „das, was einem gerade Spaß macht“, konstatierte Kagame. Diese „grausame Gegenwart“ sei nicht zu trennen von der „dunklen Vergangenheit“ des Völkermords. „Man wird entweder zwischen beidem zerdrückt und hört auf zu existieren, oder man steht auf und kämpft. Wenn man aufsteht und kämpft, droht man vielleicht zu sterben. Aber wenn nicht, stirbt man auf jeden Fall“, erläuterte er: „Warum nicht im Kampf sterben statt sowieso sterben?“

„Ihr gebt uns nichts, aber schlagt auf uns ein“

Mehrere Länder haben die Zusammenarbeit mit Ruanda ausgesetzt, weil es Kongos Rebellenbewegung M23 (Bewegung des 23. März) unterstützt. Zu dieser Haltung sagte Kagame: „Ihr gebt uns nichts, aber schlagt für alles auf uns ein. Das ist die Welt zwischen dunkler Vergangenheit und grausamer Gegenwart.“

Der Historiker und Minister Jean-Damascène Bizimana hatte zuvor in seiner Rede ausgeführt, die ehemalige Kolonialmacht Belgien habe Ruanda gezielt „zerstört“ und die Kolonialmächte insgesamt hätten Ruanda auch „verkleinert“: früher hätten die kongolesischen Distrikte Masisi und Rutshuru zu Ruanda gehört. Diese Gebiete sind heute M23-Territorium.

Auf einer internationalen Konferenz am Wochenende in Kigali hatte es geheißen, die DR Kongo biete gesuchten Tätern des Völkermordes sowie ihrem Gedankengut Schutz. Nach Angaben der ruandischen Generalstaatsanwalt, die die Tageszeitung New Times zitiert, hat Ruanda seit 2007 1147 Haftbefehle gegen flüchtige Völkermordtäter in 33 Ländern ausgestellt; nur 62 seien vor Gericht gekommen. 408 der 1147 befänden sich in der DR Kongo.

In Ruanda beginnt jedes Jahr am 7. April ein 100-tägiges Gedenken an den Völkermord an den Tutsi 1994, dem nach offiziellen Angaben über eine Million Menschen zum Opfer fielen. Zum Auftakt des Gedenkens unter dem Motto „Kwibuka“ entzündet der Präsident traditionelle eine Flamme an der zentralen Gedenkstätte in Kigali.

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2 Kommentare

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  • Kolonialerbe > Übel vieler aktueller Probleme!

  • Ruanda war ein Trauma, und die Tutsi mussten sich ganz alleine helfen, mit der Waffe.



    Danach das militärische Machtspiel umzudrehen mag somit verständlich sein, aber das macht es auch in diesem Falle nicht besser. Auch diese Region braucht gerechte Stabilität, keine Kampfhähne.