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Nachforschungen im Garten

Der frühere kolumbianische Radprofi und Bergspezialist Luis Alberto „Lucho“ Herrera wird beschuldigt, die Ermordung von vier Nachbarn in Auftrag gegeben zu haben. Der 63-Jährige streitet das vehement ab

Sportliche Vergangenheit: Herrera im Bergtrikot bei der Tour de France Foto: ZUMA press/imago

Aus Bogotá Katharina Wojczenko

Luis Alberto „Lucho“ Herrera ist eine Legende des kolumbianischen Radsports. In Kolumbien nennen sie ihn liebevoll „Jardinerito“, das Gärtnerlein von Fusafgasugá. Nun besteht der Verdacht, dass auf seiner Finca, sozusagen im Garten des ehemaligen Radsportlers, mehrere Menschen verscharrt wurden, die er ermorden ließ.

Herrera löste in den 80er Jahren mit dem Team Café de Colombia einen Boom im kolumbianischen Radsport aus. Zweimal gewann er die Bergwertung der Tour de France und galt als bester Kletterer seiner Generation. Sein größter Erfolg war der Gesamtsieg bei der Vuelta a España im Alter von 26 Jahren. Er war der erste Nichteuropäer, der das schaffte. In Kolumbien standen die Menschen in Scharen vor Geschäften, um die TV-Übertragung zu sehen. Niemand hatte ihn als Favorit auf dem Schirm. Mit seinen schlanken Beinen erklomm er die Berge mit erstaunlicher Leichtigkeit. Er profitierte vom Höhentraining direkt vor seiner Haustür.

Doch nun wird er mit dem Tod von vier Bauern in Verbindung gebracht, die am 23. Oktober 2002 in Fusagasugá verschwanden: Gonzalo Guerrero Jiménez, Diuviseldo Torres Vega und die Brüder Víctor Manuel und José del Carmen Rodríguez Martínez. Sie waren Lucho Herreras Nachbarn.

Über Jahrzehnte stagnierten die Ermittlungen. Doch am 7. April verurteilte das Strafgericht von Fusagasugá einen ehemaligen Paramilitär zu 22 Jahren und sechs Monaten Gefängnis. Luis Fernando Gómez Flórez alias „Äuglein“ oder „Ferney“ hatte gestanden, verantwortlich für das Verschwinden der Bauern zu sein.

In dem 23-seitigen Urteil beantragte der Strafrichter Ermittlungen gegen den Radsportler Herrera. Laut dem Dokument sagte der Paramilitär aus, dass er von Lucho Herrera 2003 ein Schutzgeld kassierte. Dieser habe ihm gesagt, dass er das direkt mit Martín Llanos, dem Anführer, ausmachen solle. Sein Kommandant habe ihn angewiesen, „Herrera bei allem, was er wolle, behilflich zu sein“. Danach fuhren sie zur Finca des Radsportlers. Der habe ihm etwas zu trinken angeboten und zwei Umschläge gegeben. In dem einen seien vier Fotos gewesen von Leuten, die die Paramilitärs abholen sollten. In dem anderen 40 Millionen Pesos (etwa 14.300 Dollar), um Motorräder und Pistolen zu kaufen. „Herr Lucho“ habe die Kommandanten gebeten, ihnen mit einigen Milizen (so heißen die zivilen Mitglieder der Guerilla) „zu helfen“.

Laut dem Urteil suchte danach eine Gruppe Paramilitärs die Bauern auf. Sie gaben sich mit Armbändern als Mitglieder des DAS aus. So hieß der kolumbianische Inlandsgeheimdienst, der 2011 aufgelöst wurde, weil er mit paramilitärischen Gruppen zusammengearbeitet hatte.

Die Paramilitärs nahmen die vier Bauern fest. Was danach passierte, schilderte alias Menudencias, ein anderer Paramilitär, der wegen des Falls vor Gericht steht, 2018 so: „Wir haben ihnen die Kehle durchgeschnitten und sie dann mit Macheten zerteilt. Wir hoben zwei Gruben von 50 mal 50 Zentimetern aus.“ Sie verscharrten die zerstückelten Körper offenbar auf dem Grundstück von Herrera. Insgesamt haben drei ehemalige Paramilitärs der Autodefensas Campesinas del Casanare den ehemaligen Radsportler belastet.

Die Ex-Paramilitärs stellten später fest, dass die Bauern keine Verbindung zur Guerilla hatten. Stattdessen hatten sie sich laut den Ex-Paramilitärs geweigert, ihr Land an Lucho Herrera zu verkaufen.

Laut einem Neffen des Opfers Diuviseldo Torres Vega wussten die Familien nicht, dass Herrera das Land habe kaufen wollen. „Ich weiß nicht, welche Absichten Rafael und Lucho Herrera verfolgten, aber es war nie die Rede vom Verkauf der Fincas“, sagte der Neffe dem Investigativjournalisten Daniel Coronell. Als die Paramilitärs seinen Onkel abfingen, hätten sie ihm gesagt, es ginge um „Viehdiebstahl“.

„Ich habe mein Leben dem Sport gewidmet und nach meinem Rückzug der ehrlichen Arbeit“

Lucho Herrera

Lucho Herrera, heute 63 Jahre alt, hat diese Woche beteuert, weder je kriminellen Organisationen angehört noch irgendjemand Schaden zugefügt zu haben. Er weise entschieden die Anschuldigungen zurück, die seinen Namen und seinen Werdegang als Bürger, Arbeiter und Familienvater besudeln würden. „Ich habe mein Leben dem Sport gewidmet und nach meinem Rückzug der ehrlichen Arbeit.“ Zudem betonte er, als Unternehmer Opfer von Schutzgeldzahlungen, Bedrohungen und Entführungen geworden zu sein.

Im März 2000, drei Jahre nach Ende seiner Profikarriere, hatten Farc-Guerilleros ihn entführt. Er sei in einem Guerillalager in einem dunklen Raum eingesperrt worden. Weniger als 24 Stunden später wurde er freigelassen.

Nun liegt es an der Staatsanwaltschaft, die Wahrheit herauszufinden. Am Dienstag begannen die Ausgrabungen auf dem Grundstück in der Gemeinde Silvania. Dort sollen die Überreste von mindestens 14 Opfern aus der Region Sumapaz vergraben liegen, die in den Jahren 2002 und 2003 verschwanden. Das haben mehrere ehemaligen Mitglieder der rechten paramilitärische Gruppe Autodefensas Campesinas del Casanare ausgesagt.

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