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Die WahrheitGeneralüberholung für Generäle

Wenn John-Wayne-Epigonen mit albernen maskulinistischen Disruptionsfantasien unsere Gesellschaft aufmischen wollen, wehrt sich das Individuum.

J ohn Wayne war in Düsseldorf. Es ist schon ein paar Tage her, doch sein Besuch im gediegenen Düsseldorfer Industrie-Club geht mir nicht aus dem Kopf. Selbstverständlich spreche ich nicht von dem amerikanischen Westernklotzkopf, sondern von Martin Brudermüller, dem Ex-Chef des Chemiegiganten BASF. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung nannte ihn einst „John Wayne der Chemiebranche“. Ein fragwürdiges Etikett, wenn man bedenkt, dass der alte Johnny ein Hardcore-Republikaner und Rassist war.

Bei seinem Düsseldorfer Auftritt machte Brudermüller seinem Spitznamen alle Ehre. „Wir brauchen eine Generalüberholung der gesamten Gesellschaft“, feuerte er aus der Hüfte. Volltreffer! Das Wort „General“ kann man ja heutzutage nicht oft genug aussprechen. Auch die letzten Deppen müssen kapieren, dass an militärischer Stärke alles hängt. Außerdem bringt es Dynamik in die Sache. Ich sah direkt einen Vier-Sterne-Befehlshaber vor mir, wie er in seinem Ferrari den Blinker links setzt und zur ultimativen Generalüberholung ansetzt.

Zufällig bin ich Experte auf dem Gebiet der Generalüberholung. Seit ich keine zwanzig mehr bin, sehne ich mich danach, wie ein Polstermöbel zu sein, das sich runderneuern lässt. Immer wieder versuche ich, mich zu relaunchen. Einmal wollte ich einen coolen digitalen Nomaden aus mir machen und saß bei einem Gebrauchtwagenhändler in einem VW Bulli, Modell California Beach, genau das richtige Gefährt für meine Karriere als Nomade, dachte ich. Der elende Diesel rüttelte die Karre so durch, dass ich die Vision hatte, wie ich darin Schrauben nach Albanien karren muss. Der Verkäufer raunte: „Damit machst du nichts falsch.“ Darauf ich: „Der Wagen braucht eine Generalüberholung.“

Mein Baristakurs, plötzlich wollte ich Barista werden, war toll, doch Tag für Tag immer nur Kaffee zu machen, schien mir so eintönig wie graue Socken. Neulich wäre ich gern Hundebademeister geworden, doch die Hundeschwimmbadchefin, die mir den Posten auf einer Hundewiese angeboten hatte, ghostet mich seitdem. Fast wäre ich Stadtführer geworden, aber dann nannte mir die Agenturchefin das Honorar. Es war zum Heulen mickrig. „Können Sie kein Sondervermögen eröffnen?“, fragte ich schwach. „Nein“, schluchzte sie. Es soll Menschen geben, die nichts anbrennen lassen. Ich lasse alles anbrennen, ständig, verändere ich mich null und bleibe der Alte.

Die Gesellschaft an sich, die gibt es eben gar nicht. Was es gibt, das sind wir kleinen, kläglichen Individuen. Damit „die Gesellschaft“ als generalüberholt gelten kann, müssten sich alle Individuen generalüberholen. Ich fürchte, die meisten kriegen nicht mal eine Feldwebelüberholung hin. Der Mensch aber ist kein Polstermöbel! Deshalb gilt für alle John-Wayne-Epigonen, die mit albernen maskulinistischen Disruptionsfantasien um sich schießen: Überholt euch erst mal selbst! Ihr werdet staunen, wie klein ihr im Rückspiegel ausseht.

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