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In den Schornsteinen der Hauptstadt

Schornsteinfegermeister Alain Rappsilber bietet auf dem taz lab mit Kol­le­gi*­in­nen eine Energie-Beratungsstunde an

„Vom analogen Kehrbesen bis zur modernen Wärmebilddrohne ist bei uns heute alles dabei“, sagt Alain Rappsilber. Mit dem klassischen Zylinder auf dem Kopf und der schwarzen Uniform mit den auf goldglänzend polierten Knöpfen fällt es selbst auf die Distanz nicht sonderlich schwer, seinen Beruf zu erraten. Als Schornsteinfegermeister ist er seit nunmehr 36 Jahren in verschiedenen Berliner Bezirken unterwegs. In dieser Zeit hat er nach eigener Schätzung knapp 50.000 Wohnungen von innen gesehen. Und dabei „menschlich von ganz oben bis ganz unten jede Tragödie, aber auch Freude, erlebt“. Seine Entdeckungen in den Schornsteinen der Hauptstadt reichen von mutmaßlichen Tatwaffen über kurzfristig angelegte Drogendepots; mit Anekdoten aus absurden Begegnungen seines Berufsalltags könnte er ganze Abende füllen.

Auch wenn er und seine Zunft noch immer stolz auf ihre Tradition sind, ihre Uniform hegen und pflegen, hat sich der Beruf in den vergangenen Jahrzehnten immens gewandelt. Als Schornsteinfeger lerne man alles, „vom Keller bis zum Dach“. So hat er mit dem Dachdecker zu tun, mit Maurermeistern, Gasinstallateuren und neuerdings auch immer mehr mit Elektrikern. Der vielen Solaranlagen wegen. Das reine Fegen der Schlote mache vielleicht noch 30 Prozent aus. Und die restlichen Themen? Belüftung, Brandschutz, Hygiene, Feuchtigkeit, Schimmel. „Unser Handwerk hat knapp 11.000 Energieberater in der Fläche – nur keiner weiß es“, formuliert es Rappsilber. Diese Aufgabe obliege seinem Handwerk als Folge der großen Ölkrise von 1973.

Beim taz lab werden Rappsilber und seine Kollegen deshalb auch in puncto Energieberatung wieder Mietern und Hausbesitzern Rede und Antwort stehen. Auf der Homepage seiner Kiezkehrer haben sie schon seit Längerem eine Liste mit 26 Energiespartipps bereitgestellt. Auf vier Sprachen. Richtig umgesetzt ließen sich damit im Jahr zwischen 150 und 200 Euro einsparen. Umgerechnet in eine Währung, „mit der die meisten Leute etwas anfangen können, sind das bestimmt 15 bis 20 Häagen-Dasz-Kugeln.“ Die drei einfachsten Tipps: „Heizkörper richtig sauber machen, weil sich zwischen den Heizrippen die ganzen Staubmäuschen sammeln, manchmal über Jahrzehnte hinweg.“ Die Heizkörper regelmäßig entlüften und – der Klassiker – richtig Lüften. Statt das Fenster den halben Tag auf Kipp zu stellen, besser drei bis viermal am Tag für zehn bis zwölf Minuten stoßlüften.

Worüber man sich mit Rappsilber auch leidenschaftlich unterhalten kann, ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Statt dieses abzuschaffen, wie es von manchen in regelmäßigen Abständen gefordert wird, sollte es seiner Auffassung nach „sinnvoll reformiert“ werden. Die Wärmepumpe etwa hält er für ein gutes Produkt. Das Problem sei nur: „Ich fange halt nicht mit der Wärmepumpe an, sondern erst mal mit dem Gebäude. Und erst wenn ich das Gebäude fertig habe, kann ich da auch die entsprechende Technik einsetzen. Sein Appell an die Politik: „Wärmewende ja. Aber mit Fachleuten.“

Foto: Julian von Bülow

Schornstein­fegermeister Alain Rapp­silber ist seit 1990 Schornsteinfeger aus Leidenschaft. Bei Wind und Wetter, liebt er den Blick über die Dächer Berlins während des Sonnenaufgangs.

Joel Schmidt

Auf dem taz lab: Juwelen Agora, 16 Uhr.

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