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Zündstoff programmiert

Enquetekommission gegen Antisemitismus und Rassismus nimmt inhaltliche Arbeit auf

Von Rainer Rutz

Sandra Kostner hält das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) für überzogen. „Wenn wir anfangen, die Gesellschaft zu stark durch die Diskriminierungsbrille zu betrachten, gefährden wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, ist sie überzeugt. Bestimmte Diskriminierungen sollte man doch besser „dem Privaten überlassen“.

Die Historikerin aus Schwäbisch Gmünd war am Freitag auf Einladung der CDU zu Gast in der neuen Enquetekommission des Abgeordnetenhauses gegen Antisemitismus und Rassismus. Ihr Vortrag zeigte dabei auf, wohin die Reise in dem jüngst vom Landesparlament eingesetzten und von fast allen Seiten begrüßten Gremium gehen könnte: Richtung Krawall.

Zur Erinnerung: Es war die Berliner CDU, die vor ihrem Sieg bei der Abgeordnetenhauswahl 2023 immer wieder gefordert hatte, das gut drei Jahre zuvor unter Rot-Rot-Grün beschlossene LADG wieder abzuschaffen. Die Ver­tre­te­r:in­nen der Union hatten während der Kommissionssitzung dann auch nichts auszusetzen an den Ausführungen ihres Gastes, die von SPD, Grünen und Linken dafür umso mehr.

Ohne AfD-Vertreter:innen

Bereits im Koalitionsvertrag von CDU und SPD angekündigt, hat es rund zwei Jahre gedauert, bis das 24-köpfige Gremium an den Start ging. Die Kommission umfasst Par­la­men­ta­rie­r:in­nen wie externe Sachverständige, entsandt von fast allen Fraktionen. Nur die Mitglieder, die die AfD stellen wollte, fielen bei der Wahl im Abgeordnetenhaus Ende Februar durch.

Nach einer konstituierenden Sitzung vor zwei Wochen, in der sich die Teil­neh­me­r:in­nen nur kurz vorstellten, ging es nun erstmals um Inhalte und eben auch schnell in den Konfrontationsmodus. „Das ist sehr viel Bauchempirie, was Sie hier präsentieren“, entgegnete der von der SPD in die Kommission berufene Experte Cihan Sinanoğlu vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung der Historikerin aus dem Schwäbischen.

Konkret beschäftigte sich die Kommission mit den rechtlichen Grundlagen für den Kampf gegen Diskriminierungen aller Art: Antidiskriminierungsrichtlinien, Antirassismuskonvention, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und eben das Berliner LADG. Das Problem: Ein klarer Fokus war nur schwer zu erkennen. Es ging um Antisemitismus, die Diskriminierung von Migrant:innen, Muslim:innen, Schwarzen, trans Personen, Menschen mit Behinderungen, um „bildungsferne Familien“ sowie um die Corona-Pandemie.

„Überfrachteter Kessel Buntes“

Die potenzielle Gefahr des Verwaberns findet sich freilich bereits im Arbeitsauftrag der Kommission. Ihre Aufgabe soll es sein, bis zum Ende der Legislatur im kommenden Jahr „Empfehlungen“ zu erarbeiten, „wie der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt und Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jeder Form der Diskriminierung begegnet werden kann“. Kri­ti­ke­r:in­nen sprechen von einem überfrachteten Kessel Buntes, bei dem das nach dem 7. Oktober 2023 besonders virulente Thema Antisemitismus nur noch eines unter vielen sei.

Für genügend Zündstoff könnte trotzdem gesorgt sein. Im Einsetzungsbeschluss wird den „Maßnahmenträgern zur Prävention und Bekämpfung von Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jeder Form der Diskriminierung“ schließlich in Aussicht gestellt, dass die Kommission deren „Wirksamkeit, Effizienz und Kohärenz“ überprüfen soll.

Schon im zweiten Teil der Anhörung am Freitag, der sich mit den Antidiskriminierungs- und Teilhabestrukturen in den Senatsverwaltungen und folglich auch den aktuellen Haushaltskürzungen befasste, war die Stimmung zwischen den Ver­tre­te­r:in­nen der CDU auf der einen und den von SPD, Grünen und Linken bisweilen giftig.

„Wie ich persönlich zum Neutralitätsgesetz stehe, steht hier überhaupt nicht zur Debatte“, pampte beispielsweise der für diesen Tagesordnungspunkt eingeladene Jugend-Staatssekretär Falko Liecke (CDU) den von den Grünen als Experten nominierten Chef der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus, Derviş Hızarcı, auf eine entsprechende Nachfrage an. Integrations-Staatssekretär Max Landero (SPD) hatte es schon zuvor so zusammengefasst: „Wir werden hier einiges zu verhandeln haben.“

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