piwik no script img

Bananen aus MadeiraDer Geschmack von Sonne und Karamell

Auf der portugiesischen Atlantikinsel Madeira ist man besonders stolz auf seine Bananen. Die sind zwar kleiner, dafür umso aromatischer.

Cristiano Ronaldos Mutter soll ihrem Sohn Bananen aus seiner Heimat nach Madrid und Manchester gebracht haben Foto: Gela Frantisek/imago

Madeira taz | Mit einem Kugelschreiber ritzt João ein kleines M in die Schale. M wie Maçã, das portugiesische Wort für Apfel. Damit ich die Banana Maçã, die Apfelbanane, von den anderen Bananen, die auf Madeira wachsen, unterscheiden kann.

Die Insel im Atlantik ist ein süßes, ganzjährig grünes Wunderland. Selbst außerhalb der im Frühling beginnenden Hauptblüte- und Reisezeit sind die Gärten von Farbtupfern durchsetzt und die Marktstände mit tropischen Früchten beladen. João ist ein Farmer aus dem Hinterland, der seine Ernte auf dem Mercado dos Lavradores in der Inselhauptstadt Funchal verkauft. „Probier mal das“, sagt er und streicht das Innere der Kaktusfrucht Tabaibo auf meinen Handrücken.

Es folgt ein Klecks Maracuja, dann eine süßlich-saure, leuchtend rote Patinga (auch Surinamkirsche genannt) und ein Schnitzer Cherimoya. Das cremige Fruchtfleisch schmeckt nach Banane, Ananas und im Abgang nach Erdbeere. Verkäufer João entschuldigt sich für seinen Eifer: „Ich bin halt stolz auf unsere Produkte.“ Mit seinem milden, subtropischen Klima und dem fruchtbaren Boden bietet Madeira ideale Bedingungen für den Anbau verschiedenster Früchte.

Bananen im Salat mit Algen und Garnelen, als Likör, im Kuchen. Oder: gegrillt mit Fisch. Peixe com Banana ist eines der berühmtesten Gerichte der Insel

Wie ein schroffer Felsbrocken ragt die Insel aus dem Atlantik. So steil und zerklüftet, dass die Landebahn des Flughafens auf Stelzen steht. Die Insel entstand durch einen vulkanischen Hotspot, der über viele Millionen Jahre hinweg heißes Gestein aus dem Erd­inneren nach oben pumpte. Obst und Gemüse wird in kleinen Parzellen angebaut, mitunter nur wenige Schritte von den Klippen entfernt. Hier ein paar Reihen Mangobäume, dort ein schwindelerregend steiler Hang voller Bananenpflanzen.

Cristiano Ronaldos Mutter macht Bananen-Werbung

Auf seine Bananen ist Madeira besonders stolz. Kleiner sind sie, dafür aromatischer. Im Supermarkt werden sie getrocknet als Mitbringsel verkauft – nicht diese süßen Chips, die es hierzulande gibt. Sondern als ganze Frucht, wie ein Kaubonbonstreifen, der nach Sonne und Karamell schmeckt. Als Testimonial engagierte man 2016 Maria Dolores dos Santos Aveiro – die Mutter des wohl berühmtesten Insel-Sprosses, Cristiano Ronaldo. „Bei uns zu Hause gab es immer Brot und Bananen auf dem Tisch“, sagt sie im Werbespot und erzählt dann, wie sie ihrem Sohn madeirische Bananen nach Madrid und Manchester mitbrachte.

Neben Tourismus und Madeirawein sind Bananen ein weiteres wichtiges Wirtschaftsgut für die Insel. Mehr als 24.000 Tonnen wurden vergangenes Jahr geerntet. Rund vier Fünftel werden aufs Festland verschifft, der Rest vor Ort verkauft und verzehrt: im Salat mit Algen und Garnelen, als Likör, im Kuchen. Oder, eines der berühmtesten Gerichte der Insel, gegrillt mit Fisch.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Über Peixe com Banana gerät Martha Höpfner gleich ins Schwärmen. Die junge Frau wurde in Deutschland geboren, später zog die Familie in die Heimat der Mutter. Während viele ihrer Bekannten die Insel für Studium und Arbeit verließen, entschied Höpfner sich zu bleiben. Heute führt sie Reisende durch Madeira, zum Beispiel entlang der Levadas. Mit dem System aus sanft abfallenden Kanälen – rund 3.000 Kilometer sind es insgesamt – leiten die Bewohner das Wasser aus dem regenreichen Norden in den sonnigeren und trockeneren Süden.

Der Name des Systems ist abgeleitet von levar água, Wasser holen. Gemächlich plätschert das Bächlein den Berg hinab, an moosbewachsenen Felswänden und steilen Abhängen vorbei. Tropfen glitzern auf den Girlanden aus Farn, die sich wie grüne Vorhänge über den Weg spannen. Es duftet nach feuchter Erde und den von der Sonne aufgeheizten Pflanzen.

Einst standen hier noch Loorberwälder

Die ältesten noch heute genutzten Kanäle sind über 500 Jahre alt. Sie wurden kurz nach der Besiedelung der Insel durch portugiesische Seefahrer im 15. Jahrhundert gebaut. Mit den Siedlern verschwand ein Großteil des wilden Lorbeerwaldes, der einst die gesamte Insel überzog. Das Holz (auf Portugiesisch: Madeira) wurde für Häuser und Schiffe gebraucht, der dadurch entstandene Platz für den Anbau von Zuckerrohr.

Mit der Zeit wurde die Insel zum pflanzlichen Melting Pot. Aus Afrika kamen Bananen, aus dem Nahen Osten Weinreben. Vom amerikanischen Kontinent importierte man Maracuja, Papaya und Avocado. Die überall wachsende Strelitzie, Paradiesvogelblume genannt, kommt ursprünglich aus Südafrika, der Hibiskus aus China, Eukalyptus aus Australien.

„Seht mal hier“, ruft Martha Höpfner begeistert und zeigt auf eine der Pflanzen, die im Dickicht für ungeschulte Augen kaum zu erkennen ist. „Eine Bananen-Maracuja.“ Das grüne, längliche Gebilde ist die Frucht der Monstera, die mit ihren ausladenden Blättern zahlreiche deutsche Wohnzimmer schmückt.

In der Natur bilden die Pflanzen nach einigen Jahren Blüten und damit auch Früchte aus. Streng genommen, sagt Höpfner, sei es keine Banane, in Form und Geschmack ist sie ihr aber ähnlich. Wie viele „echte“ Bananen sie kennt? Sie zählt durch: Banana Regional, Apfel, Robusta, Silber, die kleine Rote. „Manche sind total süß, andere eher fest und herb.“

Eine Sorte beherrscht 99 Prozent des Weltmarkts

Der Bananen-Weltmarkt wird von wenigen großen Unternehmen dominiert. Etwa 99 Prozent der global gehandelten Ernte entfallen auf die Sorte Cavendish. Die genetische Einfalt macht die Frucht anfällig für Krankheiten, weshalb immer mehr Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden.

Auch die auf Madeira verbreitete Banana da Madeira gehört zur Cavendish-Familie. Doch anders als üblich wird sie nicht in Monokultur auf großen Flächen angebaut, was die Anfälligkeit für Krankheiten erhöht, sondern meist in kleiner strukturierten Familienbetrieben. Bewässert werden die durstigen Pflanzen – bis zu 900 Liter sind für die Produktion von einem Kilogramm nötig – bis heute vor allem durch die Levadas.

Leider sind die Madeira-Bananen in deutschen Supermärkten nicht zu finden und als Mitbringsel nur bedingt geeignet. Vier landen für den heimischen Test trotzdem im Handgepäck, außerdem eine „falsche“ Bananen-Maracuja. Deren Konsistenz ist etwas gewöhnungsbedürftig (cremig-schleimig), der Geschmack jedoch gut (ein Best-of tropischer Früchte). Das Rennen macht aber eine Sorte, die etwas fester und weniger süß ist. Die Banana Prata, wie das P auf der Schale verrät.

Bis zum nächsten Madeira­urlaub werde ich mich wohl oder übel mit Supermarkt­bananen begnügen müssen. Schade. Aber irgendwie auch schön, denke ich, dass man in Zeiten von Online-Shopping und Globalisierung manche Dinge weiter nur vor Ort bekommt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!