: Noch ganz schön abgehängt
Am 9. April beginnt in Tschechien die Eishockey-WM. Der Rückstand der deutschen Frauen auf die Spitzenteams bleibt groß. Nun sollen mehr Mädchenteams und neue Strukturen helfen
Von Nina Probst
Wenn ab dem 9. April in Tschechien zum ersten Mal eine Eishockey-Weltmeisterschaft ausgetragen wird, reisen einige Legenden an: die 35-jährige US-Kapitänin Hilary Knight, die bereits 15 WM-Medaillen geholt hat, neun davon in Gold. Die 38-jährige finnische Verteidigerin Jenni Hiirikoski, die ihre 17. WM spielt. Oder Kanadas Torhüterin Ann-Renee Desbiens, die mit bereits 20 Siegen bei WM-Spielen kurz davorsteht, einen Rekord zu brechen.
Es wundert nicht, dass die größten Namen im Frauen-Eishockey aus den USA, Finnland und Kanada kommen. Die drei Nationen sind die mit Abstand erfolgreichsten. „Obwohl wir in den vergangenen Jahren einen großen Schritt gemacht haben, sind wir den Top-Nationen nicht nähergekommen“, sagt DEB-Sportdirektor Christian Künast klar. In etwa auf Augenhöhe dagegen sieht er das deutsche Team mit Nationen wie Schweden und Japan, auf die die DEB-Auswahl in der Gruppenphase trifft.
Schweden, Norwegen, Ungarn und Japan – in dieser Reihenfolge – heißen die Gegnerinnen der Deutschen in Gruppe B. Stürmerin Nicola Hadraschek-Eisenschmid glaubt an einen Gruppensieg und sieht ihre Mannschaft vor allem gegen Ungarn und Norwegen in der Favoritenrolle. Die größte Herausforderung wartet gleich zum Auftakt: Schweden steht in der Weltrangliste knapp über dem deutschen Team auf Rang acht. „Wir wissen, wie Schweden spielt, aber wir wissen auch, dass sie sich gegen uns schwertun“, so Hadraschek, die beim 1:0-Sieg der Deutschen im vergangenen Jahr dabei war. Landet Deutschland auf einem der ersten drei Plätze der Gruppe B, steht das Team im Viertelfinale. Es ist das erklärte Ziel seitens des Verbands. Dort wartet dann eines der Teams aus Gruppe A – neben den drei Top-Nationen noch Gastgeber Tschechien und die Schweiz. In den vergangenen Jahren konnte kein einziges Spiel gegen eines dieser Teams gewonnen werden.
Immerhin schaffte es die DEB-Auswahl aber bei der WM 2024 gegen die Schweiz in die Verlängerung, und Tschechien kam nicht über ein 1:0 hinaus. Dagegen setzte es etwa gegen Finnland auch schon mal eine 8:1-Niederlage.
Den gravierendsten Grund für den großen Abstand zu diesen Nationen sieht Künast in der Anzahl der Spielerinnen, die insgesamt deutlich geringer sei als eben in den USA oder Kanada. Dieses Thema geht der Verband nun nach und nach an. „Wir sichten mittlerweile noch weiter unten und konzentrieren uns auf Mädchen ab 13 Jahren“, so der Sportdirektor.
Eine andere sei, dass mehr eigene Mädchenteams entstehen sollen, um den Spielerinnen eine bessere Perspektive zu bieten. „In den USA und Kanada gibt es mittlerweile in allen Altersklassen Mädchenmannschaften, und auch in Schweden sind sie schon so weit“, berichtet Hadraschek. Damit das auch hierzulande gelingt, will der Verband die Strukturen schaffen, aber auch die Vereine müssen etwas tun. In anderen Nationen, etwa bei WM-Gastgeber Tschechien, werden die jungen Talente ins Ausland geschickt, um sich weiterzuentwickeln. „Das wollen wir aber nicht“, sagt Künast. „Wir wollen einen Weg innerhalb von Deutschland finden.“ Doch dieser ist lang und von finanziellen und strukturellen Hürden begleitet.
Um diese zu überwinden, hat der DEB vor einigen Monaten eine neue Stelle geschaffen: Ex-Nationalspielerin Ronja Jenike ist seit September 2024 Leistungssportreferentin Frauen und soll Fraueneishockey in Deutschland kontinuierlich weiterentwickeln. Künast: „Das ist ein großer Schritt. Es hilft ungemein, jemanden dabeizuhaben, der den Verband kennt, viele eigene Erfahrungen gemacht hat und weiß, wo man ansetzen kann.“ Beispielsweise mit einer Zweiten Bundesliga für jüngere Spielerinnen oder einer Nachwuchsliga.
Christian Künast, DEB-Sportdirektor
Ideen, die aber für den Ist-Zustand keine Rolle spielen. Und der ist mit Weltranglisten-Platz neun noch ausbaufähig. Immerhin konnte die Aufmerksamkeit durch die erfolgreiche Olympiaqualifikation oder durch den Deutschland-Cup, bei dem mehr als 2.000 Zuschauer den Weg zu einem Frauenspiel fanden und die Spiele von MagentaSport übertragen wurden, gesteigert werden.
„Das war Wahnsinn, wie viele Leute uns da angefeuert haben“, sagt Hadraschek. Die höhere mediale Präsenz sieht sie als einen wichtigen Baustein, um mehr Mädchen für den Sport zu begeistern, den Konkurrenzkampf zu erhöhen und letztlich mehr Mannschaften zu bekommen.
„Wir sind da auf einem guten Weg, aber es braucht Zeit.“ Bis also eine Eishockey-Legende auch mal einen deutschen Namen trägt, liegt noch viel Arbeit vor dem DEB.
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